Eating - Sleeping - Surfing - … in Japan

 

21.08. - 12.09.2015

 

Nachdem mein letzter Japantrip mit einer Aufenthaltsdauer von lediglich drei Tagen ziemlich kurz ausgefallen war, sollte es diesmal für drei Wochen ins Land der aufgehenden Sonne gehen. Die ersten Japanreisen waren für mich mehr oder weniger klassische Kulturtrips mit dem Ziel, in einem knapp bemessen Zeitrahmen möglichst viel von dem Land zu erleben. Der Kulturschock war stets groß, der Erholungseffekt vergleichsweise klein. Das sollte dieses Mal anders sein.

 

Asahi Super Dry eignet sich hervorragend als Aftersurfbier

 

Urlaubsinhalte, die hauptsächlich aus Essen, Schlafen und Surfen bestehen, assoziiert man primär mit Aufenthalten in den klassischen Surferhochburgen dieser Welt oder auf Roadtrips entlang mehr oder weniger ausgetretener Surferpfade. Eigentlich fliegt man nicht nach Japan, nur um dort zu surfen. Auch mein Gastvater Dane, der das Splash Guest House in Hebara leitet, war durchaus erstaunt, als ich ihm von meinem „Schedule“ der kommenden drei Wochen erzählte: Eating - Sleeping - Surfing - … normalerweise bestand sein Klientel bislang hauptsächlich aus Touristen oder Businessleuten, die auf der Durchreise selten länger als drei Tage dort eincheckten. 

 

Splash Guest House - Meine Homebase für die nächsten drei Wochen


Der Tag der Anreise rückte näher, also holte ich meinen Japanknigge wieder heraus, prägte mir ein paar wichtige Höflichkeitsfloskeln ein, lernte die wichtigsten Schriftzeichen, organisierte mir ein paar Yen für die Überbrückung der ersten Tage und packte meinen Koffer.

 

Wellencheck - irgendwo zwischen Hebara und Katsuura


Nach anderthalb Stunden Zugfahrt, elfeinhalb Stunden Flug, noch einmal zweieinhalb Stunden Zugfahrt und „last but not least“ zehn Minuten mit dem Taxi kam ich einigermaßen durchgerockt in Hebara an. Vor dem Splash Guest House wartete bereits Madoko, Danes Frau, auf mich und hieß mich herzlich willkommen in dem Haus, das für die nächsten drei Wochen meine „Homebase“ sein sollte. 

 

Blick aus meinem Schlafzimmer morgens um kurz nach fünf


Dass das Splash Guest House ein klassisches „Bed & Breakfast“ ohne großartige Verpflegungsleistung ist, störte mich in keinster Weise. Mit umgerechnet 35 Euro pro Nacht inklusive Frühstück ist es, nicht nur für japanische Verhältnisse, sogar ein richtiges Schnäppchen, wenn man das mal rein aus Surfersicht betrachtet. 

 

Kaffee zum Frühstück mit Meerblick - es gibt schlimmeres


Zum ersten Spotscheck brauchte ich morgens vom Bett aus nur den Vorhang beiseite zu ziehen. 

Mein Schlafzimmer befand sich eine entspannte Gehminute entfernt vom nächsten Surfspot. Ebenfalls in Gehreichweite gab es nicht weniger als sechs Spots mit Qualitätswellen für „Intermediate-Surfer“ wie mich bis hin zu „Expert only“ für die, die z.B. auf schnelle „Standupbarrels“ abfahren, oder gerne „Tripleoverhead“ auf dem Riff etwas weiter draußen surfen.

 

hier bräuchte man einen Jetski


Nervosität machte sich in mir breit, als ich nach zwei ungesurften Tagen auch am dritten Morgen den Vorhang beiseite zog und sich keine 50 Meter entfernt von meinem Bett nach wie vor der Swell von Taifun Nr.17 austobte. 

 

Taifun Nr. 16 & 17 im Formationsflug, Quelle: www.woksat.info


Normalerweise sind Taifunswells vor Japan eine vergleichsweise schnelllebige Angelegenheit. Diese Windsysteme haben in der Nähe der vier Hauptinseln eher kurze Gastspiele, machen in der Regel noch vor dem Landfall die Biege und ziehen schnell wieder hinaus auf die Weiten des Pazifiks. Dieser kam jedoch im Schlepptau von seinem Vorgänger und wurde von diesem regelrecht eingebremst. Ein sogenannter „Southern Staller“, der dafür sorgte, dass das Hauptsystem die charakteristische Richtungsänderung von West nach Nordost nur noch sehr langsam vollzog. Dadurch bekam die Küste von Chiba die volle Swellbreitseite von Südost über Ost noch Nordost ab. 

 

endlich timtaugliche Wellen


Insgesamt dauerte der Swell gute anderthalb Wochen, wovon die ersten Tage für mich gänzlich unsurfbar waren. Nach der kleinen Zwangspause hatte ich dann aber fast 10 Tage am Stück, an denen ich mein Leihboard, ein 9’2“ Longboard der Marke Grommet zu Wasser lassen konnte - ein anfangs gewöhnungsbedürftiger Shape mit viel Rocker (Aufbiegung) im Heck- und Bugbereich, den ich aber schnell zu schätzen lernte. Das Brett stellte sich als die eierlegende Wollmichsau schlechthin heraus. Von kniehohen Wellen ohne viel Druck bis hin zu überkopfhohen steilen und schnellen Wellen konnte ich mit dem Brett so ziemlich alles surfen - Noserides waren zugegebener Weise etwas schwierig.

 

normale Wochencrowd am Mainpeak in Hebara


Einen Tag Surfpause kompensierte ich mit einem Kurzausflug nach Tokyo. Ein eintägiges intensives Sightseeing-Programm in einer japanischen Metropole, die im Einzugsbereich mittlerweile fast 40 Millionen Einwohner hat - mehr wollte ich mir auf der Reise neben den drei Haupttätigkeiten (siehe oben) eigentlich nicht geben. Dass es dann doch zwei Tage geworden sind, verdanke ich der Pünktlichkeit der japanischen Eisenbahn. Während hierzulande standardmäßige Verspätungen im zweistelligen Minutenbereich völlig normal sind, sollte man in Japan nicht eine Minute zu spät am Gleis erscheinen, und schon gar nicht, wenn es der letzte Zug des Tages nach Hebara ist.

 

Tsukiji - Fish Market in Tokyo


Zum Glück gibt es selbst in Tokyo preisgünstige Übernachtungsmöglichkeiten. Die sogenannten Kapselhotels bieten jeden erdenklichen Komfort auf zwei Kubikmetern. Nach einer exzessiven Sightseeing-Tour mit geschätzten fünfzehn Kilometern in den Beinen und ein paar Bierchen danach (inklusive dem letzten, das offenbar mal wieder schlecht war…) war es mir morgens um kurz nach eins letztlich völlig egal. Die Hauptsache war ein Dach über dem Kopf - und sooo schlecht sind die Unterkünfte auch nicht. Ich fühlte mich an alte Zeiten erinnert, als ich noch einen roten Opel Astra Caravan als Reisemobil hatte. 

 

Zwei übereinander, viele nebeneinander - Tokyo Hotel


Natürlich sollte man sich auch seine Gedanken über das große Erdbeben und die Katastrophe von Fukushima machen. Nicht ohne Grund wurde ich beim Posten eines Bildes auf unserer Facebook-Seite gefragt, wie denn die Strahlung so ist? Fakt ist, dass Hebara keine 250 Kilometer südlich von Fukushima liegt. Fakt ist auch, dass pro Tag nach wie vor mehrere tausend Kubikmeter radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik gelangen. Spuren von Radioaktivität wurden selbst auf der viele tausend Kilometer entfernten anderen Seite vom Pazifik nachgewiesen. Und zwar genau dort an der Kanadischen Pazifikküste, wo mehrere Monate nach der Katastrophe erste Trümmerteile, die der Tsunami mit ins Meer nahm, wieder an Land gespült wurden. Ob man von einem glücklichen Umstand sprechen kann, dass der Kuroshio (das pazifische Pendant zum Golfstrom) weg von der Japanischen Küste in Richtung Nordosten aufs offene Meer zieht, und daher die Strahlenbelastung vor der Küste Chibas nicht höher ist als in der Deutschen Bucht, sei dahin gestellt. Fakt ist, dass im Allgemeinen nicht viel über das Thema gesprochen wird. 

 

Frühstücksfernsehen

 

Wieder zurück in Hebara ging der harte Surfalltag weiter. „I always try to keep things simple“ ist eine von Danes Lebenseinstellungungen, und darum beneiden ihn in und ausserhalb von Japan nicht wenige. Mit dieser Einstellung hat er es geschafft, in einem hochtechnisierten Land, das nicht selten von Krisen und Katastrophen gebeutelt wird und das von seinen Einwohnern sehr viel - nicht selten zu viel - abfordert, sein kleines Paradies zu schaffen. Ich finde das einfach genial - Thumbs up!

 

Spotcheck in Chiba


Nicht unbemerkt näherte sich zum Ende meines Urlaubes das große Finale in Form von Taifun Nr. 18. Dieser sollte in der Intensität noch einmal eine Stufe heftiger als sein Vorgänger ausfallen, und er zog - wieder mit einem „Southern Staller“ als Vorhut im Gepäck genau auf Tokyo zu. 

 

Bucht von Katsuura


Zum Glück erweisen sich apokalyptisch anmutende Vorhersagen nicht nur bei uns schnell als Rohrkrepierer. So schwächte er sich entgegen den Modellberechnungen doch signifikant ab, und brachte nach einer Menge Regen dann noch einmal ein paar nette Wellen zum Abschluss. 

 

Bigwave-Check


Fazit: Drei Wochen Essen - Schlafen - Surfen - … in Japan hat sich durchaus gelohnt. Die Wellenausbeute war mit die höchste, die ich bislang in irgend einem Urlaub hatte. Surfpausen hatte ich wider Erwarten eher durch zu große Wellen. Die Kosten hielten sich in Grenzen, da ich den Flug sehr früh gebucht hatte, ziemlich kostengünstig direkt am Spot wohnen konnte, und japanische Restaurants mit zehn bis fünfzehn Euro pro Mahlzeit inklusive Bier nicht die Welt kosten.

 

 

I’ll be back!!!

Bild von dacat

Glückwunsch!

dacat on Do, 09/24/2015 - 16:40
Wie immer wunderbarer Bericht, diesmal mit extrem hohem Fernweh-Faktor. Schön! dacat.
Bild von k.w.

grandios!

k.w. on Fr, 09/18/2015 - 08:32
grandios!
Bild von boerni

Bis auf die

boerni on Do, 09/17/2015 - 18:31

"PlatzangstMRTänlichen Kabinen" wäre es bestimmt auch ein super Trip für mich gewesen! Wobei ich bin auch ganz gut im Schöntrinken! Hähä!
N.E.I.D!!!! :D :D :D

Bild von tripmaster

stark!

tripmaster on Do, 09/17/2015 - 18:17

klasse Travel Story Tim!

Bild von coldwaves

Just a dream...

coldwaves on Do, 09/17/2015 - 18:07

...klasse Tim, einfach der Hammer.