Als mich Jabba fragte, ob ich nicht mal wieder Lust hätte, in seinem Transporter mitzufliegen, konnte ich natürlich nicht „nein“ sagen. Die Destination Tokyo mit Zwischenstopp in Moskau reizte mich wirklich sehr. In Moskau war ich noch nie, und der letzte Japantrip war noch vor der Jahrtausendwende. Es war also wirklich langsam wieder an der Zeit, alte Kontakte zu aktivieren und mein doch sehr stark eingerostetes Japanisch ein wenig aufzufrischen.

Japanisch lernen: links in der Bordtoilette eines Citroen Jumper, rechts in der Bordküche einer MD-11

Ganz unvorbereitet sollte und wollte ich natürlich nicht unbedingt einen Trip nach Japan starten. Andere Länder, andere Sitten, das gilt besonders in Fernost. In meinen vergangenen drei Aufenthalten habe ich gelernt, dass man einige Dinge im Hinterstübchen haben sollte. Angefangen von der Sprach- und Schriftbarriere, über die für uns Europäer völlig fremden Sitten und Bräuche mit der latenten Gefahr, permanent von einem Fettnäpfchen ins nächste zu treten, bis hin zu den für Japaner völlig normalen Verhaltens- und Denkweisen, die uns Europäern manchmal durchaus ein wenig unlogisch erscheinen können. 

Zunächst aber etwas Skateboarden in Moskau

Also entfernte ich die Staubschicht von meinem Japanknigge, der viele Jahre lang sein Dasein im Bücherregal gefristet hatte, kramte die alten Lernunterlagen aus der Volkshochschulzeit heraus und begann, meinen internen Speicher mit nützlichem Wissen zu füllen. Das Internet lieferte mir wichtige Informationen bezüglich der Surfmöglichkeiten in Tokyo und Umgebung, während mir das Windguru-Archiv die entsprechenden Klimadaten bereitstellte.

Oben: Gewitter über der Japanischen See zwei Stunden vor der Landung in Tokyo Narita, Unten: Mein Lieblingsplatz in der MD-11. Den Rest der Zeit an Bord spielte ich Stewardess...

Der Spätsommer ist im Westpazifik der subtropischen Nordhemisphäre Taifunzeit. In den Monaten Juli bis Oktober ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die japanische Pazifikküste mit schnelllebigen Südost-Swells versorgt wird. Natürlich birgt diese Zeit auch ein gewisses Risiko, dass ein Taifun mit Windgeschwindigkeiten weit jenseits von Orkanstärke und monsunartigen Regenfällen direkt über Japan zieht. Der heiße Sommer neigt sich Anfang September bereits dem Ende zu. Kaltfronten überqueren das Land und lassen die Temperaturen allmählich auf ein erträgliches Maß sinken.   

Entsprechend stellten sich uns auf dem Hinflug einige hochreichende Gewittercluster über dem Japanischen Meer in den Weg, die jedoch geschickt umflogen werden konnten. Am Narita Airport in Tokyo erwarteten uns zur Landung um ca. 19 Uhr Ortszeit schwüle 28°C bei einer Luftfeuchtigkeit von etwa 95% und eine geschlossene Wolkendecke, aus der es leicht regnete. Etwa 1500 Kilometer südlich von Tokyo zog ein Taifun in abgeschwächter Form vom Pazifik kommend über Taiwan nach China ab. Windgeschwindigkeiten von etwa 50 Knoten über der See sollten eine solide Dünung nach Norden bringen. Angesagt waren für kommenden drei Tage ein bis anderthalb Meter mit einer Periode von 11 - 13 Sekunden.    

Links: Küstenverlauf von Südchiba, rechts: ein wenig Taifunswell vor Hebara

Dass es entlang der japanischen Küste zahlreiche Surfspots gibt, war mir zwar schon lange bekannt, dennoch war ich dort noch nie Wellenreiten. Immerhin liegt dieses Land direkt am Pazifik, wenn auch an der für langperiodische Swells eher nicht so sehr begünstigten Seite. Dennoch, Potential ist reichlich vorhanden. Das weiß natürlich auch ein nicht zu unterschätzender Anteil der über 30 Millionen im Großraum Tokyo lebenden Menschen. Leichte Bedenken bezüglich hoffnungslos überfüllter Strände waren nicht ganz unbegründet, gerade weil der geplante Aufenthalt auf ein Wochenende fallen sollte.

Erfrischungsgetränke aus der Minibar vs. frisch gezapftes Kirin Ichiban

Ein leicht übertrieben klimatisierter Kleinbus chauffierte uns zum Hotel, welches etwa eine Bahnstunde entfernt vom Tokyoter Stadtkern in der Präfektur Chiba lag. Von dort aus sollte man auch nur noch etwa eine Stunde mit der Bahn an die Küste mit den Wellenreitspots brauchen. Im Grunde ist das der perfekte Ausgangsort, wenn man auf der einen Seite Tokyo mit all seinen Sehenswürdigkeiten genießen möchte, auf der anderen Seite auch zum Wellenreiten fahren möchte.

Abenteuer Bahnfahren in Japan...

Das japanische Bahnnetz ist perfekt ausgebaut. Man kommt ziemlich zügig und vor allem stets auf die Minute pünktlich überall dorthin, wo man hin möchte. Wenn man nicht gerade mit einem Longboard unterwegs ist, klappt auch die Mitnahme von Wellenreitboards völlig problemlos. Ich entschied mich dafür, jeweils vor Ort den lokalen Boardverleih aufzusuchen.   

Toyota Crown Royal Saloon

Unseren ersten Surftag wollten wir in Hebara verbringen. Weil wir zu faul waren, die 15 Minuten von der Bahnstation zu Fuß zu laufen, nahmen wir uns für 900 Yen ein Taxi. Erstaunlicherweise waren die Taxen immer noch die gleichen erdgasbetriebenen Fahrzeuge vom Typ Toyata Crown Royal Saloon, die mich bereits 14 Jahre zuvor zuverlässig von A nach B chauffiert hatten. Im Vergleich zu den sonst meist neuwertigen und zum Teil ziemlich abenteuerlich aufgemotzten japanischen Vehikeln sind das schon echte Oldtimer.

Strandleben in Hebara

Einen Boardverleih gab es in Hebara leider nicht. Zum Glück lieh mir ein älterer Herr, der direkt am Strand wohnte, sein BIC 7‘9“. Geld wollte er dafür nicht. Stattdessen freute er sich wie ein Schnitzel, dass endlich mal wieder Langnasen wie wir den Weg an seinen Strand gefunden hatten und zusammen mit ihm surfen konnten. Bei einer Wassertemperatur von knapp 28°C fühlte ich mich trotz bedecktem Himmel mit meinem 2mm Shorty ein wenig overdressed. Mit „nur“ knapp 30 Leuten im Wasser war es erstaunlich leer. Das Board funktionierte trotz anfänglicher leichter Bedenken richtig gut in der seichten maximal hüfthohen Dünung, so dass meine erste Wellenreitsession in Japan ein absoluter Hochgenuss war.

Unverhofft kommt oft. Links: Im Ramenrestaurant von Hebara, rechts: Am Strand von Hebara 

Eigentlich waren Jabba und ich schon in Aufbruchstimmung, wurden aber von einer Gruppe Japanerinnen freundlich heran gewunken. Sie hatten auf dem Parkplatz einen Pavillon aufgebaut, unter dem sich ein Tisch, Stühle und ein Grill befanden. Es sei noch so viel Essen da, ob wir nicht Lust hätten, mit zu essen. Wir kamen zwar gerade aus einem Restaurant und waren pappsatt, konnten das Angebot aber aus Höflichkeit nicht abschlagen. Also ging ich nochmal kurz in den „7 ELEVEN“ Supermarkt, um für die Gruppe Bier zu kaufen…

Strandleben in Onjuku. Nieselregen und "nur" knapp 25°C 

Der Folgetag in Onjuku war mit knapp 100 Leuten verteilt auf mehreren Peaks schon wesentlich voller als Hebara am Vortag, aber immer noch akzeptabel. Für 3500 Yen lieh ich mir im lokalen Flying Sumo Surfshop ein NSP 8‘6“ aus. Ein wirklich gutes Board, das sich bei kniehoher Dünung richtig angenehm fuhr und sogar richtiges Longboardfeeling vermittelte. Es nieselte leicht, trotzdem war der Strand sehr gut besucht mit Tagestouristen. Obwohl jede Welle von mindestens 10 Leuten angestartet wurde und es viele Beinahezusammenstöße gab, war die Stimmung gut. Nach kurzer Zeit entdeckte ich einen ungesurften Peak direkt neben der Badezone, den ich drei Wellen lang für mich alleine hatte. Die Ruhe währte jedoch nicht lange. Nach der dritten Welle waren wir schon zu fünft. Für mich wurde es Zeit die Session zu beenden und Jabba zu suchen, den es wieder nach Hebara verschlagen hatte. Die Wellen sollten dort etwas tauglicher für sein Shortboard sein.

Zweite Session auf der Banane

Tatsächlich fand ich ihn nach relativ kurzer Zeit auf einem Bananaboat sitzend, welches von einem Jetski gezogen wurde. Kurze Zeit später saß ich ebenfalls auf dieser aufblasbaren Banane und genoss die Fahrt entlang der Küste von Chiba. Es war wieder die gleiche Gruppe vom Vortag, die uns wenig später sogar in ein Ramen-Restaurant zu einer Nudelsuppe einlud. Unsere interkulturelle Kompetenz stieß hierbei klar an ihre Grenzen, denn wir hatten keine Chance, uns adäquat zu revanchieren. Wir bedankten uns höflich für die Gastfreundschaft und verließen Hebara in Richtung Tokyo.

Links: Fressmeile von Roppongi, rechts: traditionelles Matsuri im Bahnhof von Roppongi

Nach einem wundervollen und sehr teuren Abend in Roppongi, dem Ausgeh- und Kneipenviertel von Tokyo brach unser letzter Tag in Japan an. In Ichinomiya sollte der finale Surftag zelebriert werden. Vom Bahnhof aus waren es noch locker 20 Minuten Fußweg an den Strand. Nach fünf Gehminuten fuhr ein zum Surfmobil ausgebauter Familienvan links ran und nahm uns mit. Derart freundliche Locals findet man nicht überall, in Japan schon. Ein lokaler Surfladen in Strandnähe mit Boardverleih war schnell gefunden. Ebenso schnell war ich wieder 3500 Yen los und war stolzer Mieter eines Surfschul-Softtops von etwa sieben Fuß Länge - durchaus eine Herausforderung, wie sich später herausstellen sollte. Der Swell hatte wieder ein wenig zugelegt, und pumpte nun mit 12 - 13 Sekunden Periode hüft - bis schulterhoch. Wir entschieden uns, die Boards an einem Strandabschnitt mit zahlreichen T-Molen zu wassern.

Der Strand von Ichinomiya

Etwa 50 Surfer tummelten sich dort bereits im Wasser und teilten sich drei Peaks. Da saß ich nun mit meinem Softtop inmitten einer Gruppe von japanischen Surferinnen und Surfern und paddelte eine Welle an. Angleiten, Takeoff und Fahren ging wunderbar, aber ich schaffte es ums Verrecken nicht, das Board in die gewünschte Richtung zu lenken - es fuhr einfach geradeaus seitwärts weiter. Insgeheim wünschte mir mein Longboard herbei, das in meinem Auto zirka 12000 Kilometer westlich lag, oder zumindest das NSP vom Vortag.

Was zum Gucken gab es allemal :-)

Spätestens bei der nächsten Welle jedoch holte mich die Realität wieder ein und es ging schnurstracks geradeaus durchs Weißwasser an den Strand. Nach einer Handvoll Wellen dieser Art hatte ich genug, gab das Board ab, entspannte bei einer Dose Kaffee aus dem Automaten am Strand und schaute den Surferinnen zu. Immerhin regnete es an diesem Tag nicht. Irgendwann signalisierte Jabba mir, dass es Zeit sei aufzubrechen.

Ichinomiya Beachlife

Viel zu schnell gingen drei Tage Japan vorbei. Drei wundervolle Tage im Land der aufgehenden Sonne, wo ich die freundlichsten Menschen der Welt getroffen habe, alte Bekanntschaften gepflegt habe, neue Bekanntschaften geschlossen habe und viel gesurft bin. Gerne wäre ich länger geblieben, aber der Zeitplan musste eingehalten werden. Etwas sentimental angehaucht stieg ich in die MD-11 und machte es mir auf einem der hinteren Sitze im Cockpit bequem. Nach einem kurzen Tankstopp mitten in Sibirien ging es weiter immer in Richtung Westen, bis wir irgendwann wieder in Frankfurt landeten. Dort wartete bereits mein gepacktes WoMo, mit dem ich die restlichen dreieinhalb Wochen Urlaub in Nordspanien verbringen wollte. Doch das ist eine andere Geschichte. 

Bild von Green-Fish

yehaa

Green-Fish on Di, 09/24/2013 - 23:26
au man, cooler Beitrag, ...noch 5 tage......dann gehts loß ;)
Bild von Da Johnnie

wieder mal n fetter bericht,

Da Johnnie on Mo, 09/23/2013 - 21:06
wieder mal n fetter bericht, tim!!:-)an einem woend soo viel erlebt und verschiedene spots gesurft-das schaff ich nicht mal in vier Wochen... bis bald am wasser-kommst bestimmt gerade aus Spanien zurück-hoffe der trip war auch cool!?Bericht!?
Bild von olaf

kurztrip

olaf on Mo, 09/23/2013 - 19:56
schönes ding. so was macht spass wenn die gelegenheit passt
Bild von tripmaster

Klasse Bericht

tripmaster on Mo, 09/23/2013 - 13:25

über einen nicht alltäglichen Trip!

Bild von Timmsen

Sehr geil!

Timmsen on So, 09/22/2013 - 19:40
Fernweh!! Asien wär mal wieder was....