Die Tage danach

 

GFS, ein amerikanisches Wettermodell, hatte zwar die Windspitzen des Orkans mit dem Namen „Christian“ unterschätzt, aber immerhin konnte es frühzeitig ein Weiterbestehen der eingefahrenen trogvorderseitigen Südwestwindwetterlage erkennen. Drei freie Tage am Stück näherten sich.

Orkan "Christian" am 28.10.2013 um 1200z 

Direkt nach dem epischen Dänemarkwochenende, von dem Tom bereits berichtete, wollte ich nun unter der Woche steil aus der Hecke kommen. Leider versprach mir GFS  aber bereits eine Woche vorher eine Winddrehung für den späten Nachmittag am Orkan-Montag von Südsüdwest auf Westsüdwest und eine Beibehaltung dieser eher ungünstigen Windrichtung für die nächsten drei Tage. Wenn ich mich beeilt hätte, wäre ich am Montag, dem 28.12.2013 pünktlich zum Onshore (Gute Wellen vernichtender, auflandiger Wind) an den Strand gekommen, also ließ ich mir Zeit.

28.10.2013, 15 Uhr 30 vor der Rader Hochbrücke

Montagmittag aus Münster losgefahren schlug mir nach 300 Kilometern Rückensturm und neuem Verbrauchsrekord kurz hinter Hamburg gegen 15 Uhr die volle Breitseite an den Kastenwagen. Je weiter ich nach Norden kam, desto krasser wurden die Gegenlenkaktionen. Allein zwischen Hamburg und Rendsburg zählte ich vier umgekippte LKW und unzählige entwurzelte Bäume. 35 Kilometer vor Schleswig kam dann die Ernüchterung übers Radio: „… Rader Hochbrücke wegen des Orkans in beide Richtungen gesperrt …“ Die Unwetterwarnung galt für Schleswig-Holstein bis 20 Uhr, daher war auch nicht mit einer vorzeitigen Öffnung zu rechnen. Ein paar Augenblicke später stand ich auch schon in einem gigantischen Stau, der meine Fahrzeit durch dieses Nadelöhr um etwa drei Stunden verlängerte.

Eine ganze Autofähre für mich alleine

Am nächsten Morgen hatte sich der Orkan zu einem lauen Lüftchen abgeschwächt. Leider hielt sich die Windrichtung exakt an die Vorhersage, was die Strandoptionen überschaubar hielt. Der Wasserstand war etwa einen bis anderthalb Meter höher als sonst, was mir mein Auspuff bei der Auffahrt auf die Fähre zwischenThyborøn und Agger mit einem lauten Krachen signalisierte. „Nun ist er ab“, dachte ich. Zum Glück gab es aber nur eine kleine Beule am Auspuffendtopf. Das sind so Situationen, bei denen ich mir für mein Auto ein höhenverstellbares Fahrwerk wünsche.

Sidesideoffshore

Ein westlicher Wind, im Mittel mit 15 Knoten, im Regenschauer auch mal 30 Knoten, dabei eine dem Orkan nachlaufende, allmählich nachlassende Restdünung aus Südwest, die sich mit lokaler Windwelle aus West kreuzte. Ok, episch konnte es damit nicht werden. Die besten Chancen auf guten Surf bot bei diesen Bedingungen nach wie vor der Schutz einer langen Mole.  

Die Stummelmole tut, was sie kann

Drei Dänen bevölkerten bereits den Peak an der Stummelmole, der aufgrund des hohen Wasserstandes an dem Tag überkopfhoch und dazu auch noch einigermaßen sauber und lange (vom Wasser aus gesehen) nach links lief.

Meine körperliche Fitness stufte ich an dem Tag schulnotenmäßig mit einer glatten 4 ein, was dazu führte, dass ich mich für die entspanntere Variante direkt an der langen Mole entschied. Dort hatte ich den Peak für mich alleine, die Wellen waren runder und nur etwa halb so hoch wie an der Stummelmole.

Seniorenpeak

Genau richtig für jemanden, der keine 35 mehr ist und nur noch an den Strand kommen kann, wenn immer mehr Faktoren günstig miteinander harmonieren - also immer seltener.

Am Mittwoch hatte ich das Gefühl, ein wenig mehr Süd im Westwind zu erkennen. Ein Trugschluss, wie sich beim anschließenden Besuch der Nordküste herausstellte. Mehr oder weniger direkt von der Seite kommend waren die Bedingungen dort eher ein Traum für Windsurfer und/oder Kiter. Zumindest sollte der Wind weiter abnehmen und mir spätestens in der zweiten Tageshälfte im sagenumwobenen „Cold Hawaii“ gute Bedingungen bescheren.

Cold Hawaii

Der Orkan-Swell war soweit durch. Nur noch sporadisch tauchte mal ein Set von knie- bis hüfthohen Wellen mit Abständen um die zehn Sekunden auf. Der Wind war leider immer noch ein Thema und belegte die Peaks mit einer langsamen aber stetigen Strömung, gegen die man ebenso langsam, stetig und mit der Zeit auch ziemlich kräftezehrend gegenanpaddeln durfte.

Neuer Trendsport: Windsuppen?

Einen Vorteil hatten hier eindeutig die windbetriebenen SUPs. Mit zum Windsurfen eigentlich zu kleinen Segeln ausgestattet, reichte der Vortrieb so gerade aus, um beim Rausfahren etwas Höhe zu halten und sich beim Reinfahren in eine Setwelle zu pumpen.

Bis zum nächsten Mal!

Drei Tage Dänemark gingen wie immer viel zu schnell vorbei. Wenn man seinen Wohnort in Münster hat, besteht der letzte Tag eigentlich nur noch aus Rückfahrt. 730 Kilometer in mehreren Etappen:

-          Nördliche Westküste

... um festzustellen, dass der mittlerweile wieder aufgefrischte Südwestwind viel zu viele chaotische, hochfrequente „Schwippschwabb“-Windwellen produzierte - unsurfbar

-          Südliche Westküste

... um festzustellen, dass es für die erste Mole nicht reichte - unsurfbar

-          Schleswig

... um festzustellen, dass meine Wäsche mittlerweile getrocknet war

-          Rader Hochbrücke

... um festzustellen, dass davor eigentlich immer Stau ist

-          Raststätte Aalbeck

... um Jens zu treffen, der zufällig zur gleichen Zeit in die gleiche Richtung fuhr - jedoch nur bis nach Hamburg

-          Münster

... um festzustellen, dass das eine ganz schöne Gurkerei nach Dänemark und zurück war - die sich aber trotz der nicht ganz so epischen Bedingungen dennoch gelohnt hat

Der Link zu den Bildern...

Bild von c-crew

Respekt!

c-crew on So, 11/03/2013 - 20:57
Für drei tage da hoch zu ballern "Respekt", für 5 tage habe ich das auch schon mal gebracht (aus Steinfurt) Gruß
Bild von boerni

Die Rader Hochbrücke...

boerni on So, 11/03/2013 - 20:12

Angstgegner eines jeden Nordsurfers südlich davon, wenn man "mal eben" nach DK juckeln will.
P.S.: LG-Town bis oben sind auch schon 520km. 200km mehr sind hart aber glücklicherweise nicht unmachbar. Holland ist dafür näher.

Bin immer für ne FG zu haben, sollte es am Wochenende hochgehen Tim.

Bild von tripmaster

beim nächsten Mal

tripmaster on So, 11/03/2013 - 18:34

beim nächsten Mal ist Dir Huey bestimmt wieder wohler gesonnen!