Urlaub in Dänemark

Anfang letzter Woche kam ich nicht mehr drum rum zu akzeptieren, dass das mit dem zweiwöchigen Herbsturlaub dieses Jahr wohl nichts mehr werden würde. Zu viel Arbeit, wie halt so oft.

Zur akuten Frustbewältigung musste dann unser nördliches Nachbarland herhalten. Freitag bis einschließlich Montag konnte ich mich von Terminen frei schaufeln und der Forecast sah nicht so schlecht aus. Freitag sollte Windswell aus NW nachlaufen, während der Wind über Süd auf Ost drehen sollte. Samstag und Sonntag war Geballere aus Südwest vorhergesagt, mit der üblichen Drehung des Windes auf Süd im Norden Dänemarks. Für Montag war Armageddon Südsüdwest – Swell bei Offshore angesagt.

Freitag früh um 4 klingelte der Wecker und ich war ausnahmsweise sofort wach. Oder wenigstens halbwach. Auf jeden Fall schaffte ich es so Stau frei an der Hochbrücke vorbei und rollte ohne weiteren Checker Stopp gegen 10:30 am Spot meiner Wahl auf den Parkplatz. Der Wind hatte gerade angefangen von Süd auf Südost zu drehen und so war ich gespannt, was für ein Anblick mich hinter der Düne erwartete.

Im Angebot waren kopfhohe – in Sets auch mal größer – lang und sauber laufende Rechtswellen über dem Riff und deftige Tubes im Shorebreak. Zu allem Überfluss kam dann auch bald noch die Sonne raus. Ein Freitag halt. Ich nutzte das gute Licht zum Fotografieren und Filmen und wieder Flexibilität – oder so was ähnliches – in die von der knapp 5-stündugen Fahrt steifen Knochen zu bringen. Nach einer Weile wurde es duster, der Wind hatte komplett auf Ost gedreht und etwas zugenommen und die Wellen waren etwas kleiner. Zeit für mich auch endlich raus zu paddeln. Die übliche Strömung hier, eine Gruppe von abgehenden Dänen im Wasser und fehlendes Vertrauen in meine Paddelmuskulatur ließen mich zum Longboard greifen.

Dabei wollte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und setzte meinen alten Fahrradhelm mit oben drauf montierter GoPro auf. Nicht dass ich Hoffnung auf spektakuläre bilder von eigenen Rides hatte, ich wollte lediglich bei Pausen im Channel ein bisschen in die Welle rein filmen und ein paar Ripper beim Schlitzen aufnehmen. Mit Fahrradhelm auf dem Kopf raus paddeln sah sicherlich schon schräg genug aus. Ich hatte auch noch das Sonnenschutzschild dran gelassen und merkte gleich, dass man so in liegender Position gleich mal gar nix mehr sieht. Ich paddelte unter maximaler Anspannung meiner Nackenmuskulatur trotzdem weiter raus und filmte dabei die Nase meines Longboards. Wie immer hatte ich Probleme über dem Riff die richtige Position zu finden. Ich schaffte es trotzdem einen Takeoff in einer größeren Welle anzugehen und in einen kapitalen Wipeout zu verwandeln. Leider bin ich dabei mit der Kamera wohl ans Brett gedengelt und hab sie dabei ausgeschaltet. Gibt also keine Bilder von diesem heroischen Versuch. Danach langte es mir erst mal und ich brachte erst mal Helm und Kamera zurück zum Bus, bevor ich mit nun freier Sicht noch mal raus paddelte.

Abends stärkte ich mich dann in der lauschigen Pizzeria in Klitmoeller mit Pizza Peperoni mit viel Knoblauch. Die Fahrt zum Schlafplatz absolvierte ich dann in strömendem Regen. Ah ja, das Wochenende hatte begonnen.

Samstag Morgen in NV dann zwar kein Regen mehr, aber auch keine Welle. Wind stand auf Südwest, schaffte es aber noch nicht, was Brauchbares rein zu drücken. Ich gönnte mir erst einmal ein Frühstück und checkte gegen 11 erneut die Lage. Inzwischen drückte was rein, der Wind hatte etwas weiter auf Süd gedreht, die Sandbank war gut in Form. Also rein da. Wegen der recht großen Crowd nahm ich wieder das Longboard und setzte mich da hin, wo alle 15 Minuten die größeren Sets brachen. Die Taktik ging gut auf und ich konnte mir ein paar nette Linke abgreifen. Pause, danach das gleiche bei etwas größeren Wellen noch einmal. Abends das gleiche Programm wie gestern. Nur hab ich diesmal den Knoblauch nicht so gut vertragen und wachte mitten in der Nacht mit tierischem Magendrücken auf.

Sonntagmorgen wieder etwas zu viel West in der Windrichtung. Ich fuhr zu den Flintstones, in der vagen Hoffnung, dass sich ein Grundschwellchen aus NW heimlich in die Ecke schleichen würde. Leider war das Grundschwellchen dann nur knöchelhoch. Ich gönnte mir erst einmal ein Frühstück mit Deluxe Ausblick und kochte einen Kaffee für Tim. Aber der ist ja leider inzwischen zu weit weg für Northshore Kurztrips.

Zurück in NV sah die Sache bereits wieder besser aus. Wellen waren deutlich größer, Wind passte auch. Das hatten allerdings auch ein paar andere bemerkt und so war der Lineup recht voll. Die Sandbank produzierte wieder schöne lange Linke und ein paar kurze Rechte. Die perfekte Form der Bank führt aber auch dazu, dass sich die Peaks für alle Wellenhöhen genau entlang einer Linie bilden, die dann vollgepflastert ist mit Clustern von Surfern, fein sortiert nach Brettvolumen.

Ich nahm wieder viel Volumen und positionierte mich ganz außen. Schnell konnte ich mir eine Setwelle greifen und rauschte down the Line. Dort lagen aber die Surfer Cluster. Und da ich nicht Felix Neureuther bin, konnte ich zwar den Hindernissen am ersten Cluster noch knapp ausweichen, donnerte nun aber auf den zweiten Haufen zu. Dort kam es dann wie es kommen musste, einer blieb übrig, ich konnte ihm keinesfalls mehr ausweichen, ohne die anderen platt zu machen und zog die Notbremse. Die Planke flog durch die Luft und schlug knapp neben dem einen Kurzbrett – Hindernis auf. Verdammt knapp, aber zum Glück ist nichts weiter passiert. Wir sortierten uns und jeder paddelte wieder an seinen Peak.

An meinem waren inzwischen drei weitere Flößer installiert und so wurde das mit dem Setwellen abgreifen nun schwieriger, auch weil die anderen noch ein paar Inches längere Planken hatten. Inzwischen machte sich auch wieder meine Longboard – Hüfte bemerkbar. Nun schon den dritten Tag nacheinander auf dem breiten Brett sitzen mochte sie nicht und quittierte das mit zunehmender Starrheit und häufiger werden schmerzhaften Stichen. Zeit aufzuhören. Ich schlich mich langsam in die Inside und holte mir da eine Welle ab, die es jungfräulich durch das pack geschafft hatte. Feierabend.

Zum Abendprogramm wollte ich nicht wieder Pizza und so fuhr ich zu Mc Doof nach Thysted. Da ich zwischenzeitlich noch im Regen das ein oder andere Foto gemacht hatte, hatte ich keine wirklich trockenen Klamotten mehr. Wie schnell ich hier im Norden wieder einmal den Zustand fortgeschrittener Verwahrlosung erreicht hatte, merkte ich auf dem stillen Örtchen des Ladens. Ein kleiner Däne wollte grad die Kabine verlassen, erblickte mich und zog sich gleich wieder zurück und verschloss die Tür. Mein Futter haben sie mir am Schalter trotzdem noch gegeben. Geld stinkt halt nicht…..

Montag. Die Vorhersagen für die Wellen waren inzwischen nicht mehr bei 5 Meter, sondern lediglich bei rund 3m. Das Zeitfenster für die Drehung über Süd, Ost, Nordost und dann wieder West war mit rund 5 Stunden sehr klein. Heute war gutes Timing extrem wichtig. Ich ignorierte daher die Umstellung auf Winterzeit und stellte den Wecker auf 7 Uhr Sommerzeit und damit vor Sonnenaufgang, falls diese denn überhaupt erscheinen würde. Der erste Check in NV zeigte kräftigen Südsüdwest Wind und ordentlichen, aber noch sehr unsauberen Windschwell. Ich fuhr zu den Flintstones.

Dort rollten 1 bis 1,5m Wellchen bei leichtem Offshore rein.

Das Frühstück musste warten, ich paddelte erst einmal für eine Solo Session raus. War wieder recht strömig und ein bisschen spooky so allein bei dem gruseligen Wetter da draußen, aber recht spaßig. Danach sehr kurzes Frühstück und wieder nach NV, kucken was da los war. Dort rollten sehr saubere, recht amtliche Wellen bei Sideoffshore Wind rein. Im Wasser rund 20 Surfer. Verdammt Leute, es ist Montag und ihr solltet eigentlich arbeiten! Ich schaute ein bisschen zu und beobachtete wie sich die Jungs regelmäßig durch Reingedrope gegenseitig die schönsten Wellen versauten und beschloss, mich da nicht mit dazu zu legen. Stattdessen wollte ich mir noch mal anschauen, was an dem Spot vom Freitag so ging.

Inzwischen goss es horizontal. Der Wind war komplett offshore. Ich sprintete auf die Düne und schon nach dem ersten Blick war mir klar, dass ich jetzt keine Rücksicht mehr auf nasse Klamotten nehmen konnte. Das, was da draußen abging, war zwar für mich nicht surfbar, musste aber auf Speicherplatte und Videokassette gebannt werden, ohne Rücksicht auf Feuchteresistenz der Kameras. (siehe auch hier) Nach einiger Zeit bemerkte ich, dass ein junger Däne im Neo neben mir stand und ebenso fasziniert auf die Mutantentubes starrte. Er erzählte, dass es ihm in NV zu voll gewesen wäre, er sich hier aber alleine nicht ins Wasser trauen würde. Ich hätte zwar ganz gerne einen Menschen als Größenmaßstab in so einer Tube gehabt, aber da das eher make it or die – Wellen waren, war ich doch ganz froh, dass er nicht mehr rein ging. Sicher, wenn man richtig positioniert gewesen wäre und die richtige Welle angepaddelt hätte, wäre das ´ne äußerst glorreiche Welle geworden. Die Chancen standen aber erheblich größer, dass es ihn ungespitzt in den harten Sandboden gehämmert hätte.

Als der Wind weiter auf Nord und dann auf Nordwest drehte und das Schauspiel beendete, war ich nass bis auf die Knochen. Da ich keine trockenen Klamotten mehr hatte, musste ich mich ohne Unterbüx in meiner schlabbrigen Schlaf-Jogginghose auf den Heimweg machen. Bald erreichten ich die ersten Warnanrufe meiner Kumpels Jörg und Timo, die mich vor dem Weltuntergang im Norden Deutschlands warnten und mir dringend empfahlen nicht weiter zu fahren sondern lieber in Deckung zu gehen. Ich kam dann aber bis Kolding recht gut durch. Dort war dann aber die Autobahn plötzlich dicht und nachdem ich eine knappe Stunde für die 800m bis zur Einfahrt auf die Raststätte gebraucht hatte, beschloss ich erst einmal nicht weiter zu fahren. Ich wusste ja auch, dass ab Flensburg bis Hamburg sowieso nichts mehr weiter ging. Nach einer kurzen Nacht fuhr ich dann um 4 Uhr wieder los und schaffte es kurz vor dem Berufsverkehrschaos zurück nach Hamburg.

Mission complete. Ich war vorher ewig nicht mehr in Thy gewesen und wurde trotzdem nicht abgewiesen. Mange Tak, Danmark!

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Das ja fast schon unverschämt

jens on Do, 10/31/2013 - 18:40

Das ja fast schon unverschämt in so kurzen Abständen so dermassen zu scoren...Well done !!

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tschuldigung

tripmaster on Do, 10/31/2013 - 21:59

tschuldigung Jens, kommt nicht wieder vor ;=)

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Tripmeister...

boerni on Mi, 10/30/2013 - 21:39

mein Verwahrlosungszustand hatte in Frankreich dazu geführt, dass alle Menschen, sogar die Surfer im Wasser mich strengstens mieden und einen Sicherheitsabstand von ca. 20 Metern im Luv von mir einnahmen.
Keine Groupies! Aber dafür viele Wellen für mich alleine! ;D

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wird zeit

tripmaster on Do, 10/31/2013 - 13:23

wird zeit, dass wir mal wieder alle gemeinsam verwahrlosen ;=)

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Ein kleiner Traum...

coldwaves on Mi, 10/30/2013 - 18:13

...schöner Blog und klasse Foto's Tom. Alles Richtig gemacht.