Der Langläufer unter den Nordseeswells
Wenn ein Nordswell auf die holländische Küste trifft, dann hat dieser in der Regel einen weiteren Weg hinter sich, als wenn er aus jeder beliebigen anderen Richtung kommt. Allein bis zum nördlichen offenen Rand der Nordsee ist es von Südholland aus gemessen eine Strecke von über 1000 Kilometern. Gerade zu den meteorologischen Singularitätsereignissen zum Ende der ersten Jahreshälfte geht ein arktischer Kaltlufteinschub gerne mal mit Swell aus solch einer Richtung einher. Nicht selten trifft dieser dann in letzter Konsequenz mehr oder weniger intensiv auf die holländische Küste.
Bei >1000km Anlauf darf man einiges erwarten. Quelle: MSW
Die letzten Events dieser Art fanden jedoch mit einer gewissen Regelmäßigkeit überaus arbeitnehmerunfreundlich irgendwann zwischen montags und donnerstags statt. Als normalsterblicher tagesdienstleistender Kontinentaleuropäer blieb mir da meistens nicht viel anderes übrig, als die Bilder und Videos auf den bekannten holländischen Surfwebseiten zu bestaunen und nach der Arbeit zum Paddeltraining in das nächste Binnengewässer (hier: Dortmund-Ems-Kanal) zu hüpfen.
Möge das Apres-Surf-Fotoshooting beginnen!!!
Etwa Fünf Tage zuvor wich eine eher schnelllebige sommerliche Hochdruckwetterlage über dem mittleren Nordeuropa einem altbekannten meteorologischen Singularitätsmuster der etwas unterkühlteren Art – möglicherweise ein Nachzügler der Schafskälte. Dabei wurde über den nördlichen Gefilden wieder ein Kaltluftpool angezapft, der sich als würdiger Gegenspieler zur weit nach Norden vorgedrungenen Subtropikluft darstellen sollte. Im Verlaufe der folgenden beiden Tage etablierte sich in der nördlichen Nordsee ein Windfeld mit nach Süden zeigenden Windvektoren. Der dadurch generierte Swell sollte etwa drei Tage für seinen Weg bis nach Holland brauchen.
Der angesagte eine Fuß kommt als niederfrequenter Swell stets etwas größer daher
Derweil schob sich das Nordswell erzeugende Windfeld langsam heraus aus dem Einflussbereich der westlichen Nordsee, hinein in Richtung Ostsee, wo es zwei Tage lang die Herzen der lokalen und zugereisten Windsurfer und Wellenreiter an den einschlägigen Spots erfreute. Hierüber wurde bereits ausführlich in Blog (Börni) und Bild (Christoph), und noch mehr Blog (Tom) und noch mehr Bild (Tom) berichtet.
Kleiner aber feiner Feierabendsurf
Der Swellpeak wurde an der holländischen Nordseeküste bereits in der Nacht von Donnerstag auf Freitag erwartet, danach sollte die Wellenhöhe nordseetypisch rasch abnehmen und spätestens zum Samstagnachmittag nichts mehr davon übrig bleiben. Das Zeitfenster war also hinreichend klein. Eine kurze Aufwand-Nutzen-Analyse ergab jedoch grünes Licht für einen Ultrakurztrip ins südliche Holland, wo ich die Verweildauer des Nordswells als die längste im „näheren“ Umkreis einschätzte.
Ich hatte dort definitiv schon schlechteren Surf
Den Faktor „Autobahnen in NRW und Umgebung“, in Verbindung mit „Freitagnachmittag“ und „Sommerferien“ hatte ich mal wieder grundlegend unterschätzt, so dass ich die 350 Kilometer ganz überraschend mit einem rekordverdächtigen Durchschnittstempo von 57 km/h absolvierte. Wenigstens kam ich noch rechtzeitig für eine ausgiebige Abendsession am Strand an.
Für holländische Verhältnisse war es erstaunlich leer
Zufrieden stellte ich fest, dass sich das regelmäßige Paddeltraining im Dortmund-Ems-Kanal bezahlt gemacht hatte. Nach zwei Stunden kam ich einigermaßen tiefenentspannt wieder aus dem Wasser. Verlernt hatte ich zum Glück noch nichts. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich der Stress einer noch so zeitintensiven Anfahrt nach einer guten Surfsession komplett in Wohlgefallen und Zufriedenheit auflösen kann. Sollte ich dieses positive Apres-Surf-Gefühl irgendwann mal nicht mehr verspüren, wird es entweder Zeit, dass ich mir ein anderes Hobby suche, oder dass ich zur Abwechslung mal wieder an die Küste ziehe.
Die QuotenSUPler dürfen natürlich nicht fehlen
Am folgenden Tag hatte der Swell erwartungsgemäß weiter abgenommen. Nur noch sporadisch kamen Sets mit zwei bis drei kniehohen Wellen an den Strand gerollt. Ich entschied mich, mein angestaubtes SUP zu nehmen und suchte mir damit eine bis dahin unbesetzte Sandbank. Es war schon etwas länger her, ziemlich genau ein Jahr, dass ich das letzte Mal mit einem SUP in den Wellen gestanden hatte. Viel verlernt hatte ich aber auch damit nicht. ich wundere mich immer wieder, wie irrsinnig hoch der „Wavecount“ mit solch einem Gerät ist, wenn man den Dreh erstmal raus hat. Ich vermeide es daher nach wie vor, mit Wellenreitern oder anderen SUPlern zusammen am Peak zu stehen.
Auch ich habe noch ein wenig den Löffel geschwungen
Nach gefühlten 50 Wellen setzte gegen 11 Uhr allmählich der auflandige Seewind ein und warf die bis dahin glattgebügelte Nordsee in ihr thermisch bedingtes Faltenkostüm. Die Surfer zogen nach und nach von dannen und gaben den Badegästen die Klinke in die Hand. Diese bildeten nun rasch die Überzahl, der Lärmpegel stieg und bevor mein Fahrzeug endgültig drohte, für die nächsten paar Stunden zugeparkt zu sein, fuhr auch ich davon, etwa 350 Kilometer zurück an den Kanal, der mich mit in dieser Jahreszeit angenehmen Temperaturen für die nächste Trainingssession empfing.
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