Eiskalter Wind streift die bereits ausgekühlte Oberfläche meiner Gesichtshaut, sie rötet sich trotzig. Die Tränenflüssigkeit bahnt sich einen geschlungenen Pfad aus meinen Augen, findet keine Zeit an meiner Nase herunterzulaufen. Der kühle Ostwind treibt sie seitlich über die Wangen aus meinem Gesicht heraus. Ich muss ein wenig schniefen und ziehe mir die warme Strickmütze ein wenig tiefer, verbuddel meine Hände in die Taschen meiner Jeans. Dies hilft ein wenig. Hier am Strand in Flensburg weht der Wind direkt vom Meer und treibt kleine Wellen an den flachen Strand. Ein paar Kiter bereiten ihre bunten Schirme vor. Die blattlosen Äste der noch trostlosen Bäume neigen sich im Takt der stärker werdenden Windböen und dienen als Indikator für die weite Entfernung zur Sonne. Die Sonne scheint zwar und lässt den Himmel über Flensburg blau erscheinen, der kalte Wind jedoch beeindruckt umso mehr.
Der Kiosk meines Vertrauens schmiert mir ein paar belegte Brötchen und hilft mit koffeinhaltigen Kaltgetränken, die Müdigkeit des bereits lange laufenden Wochentages ein wenig zu reduzieren. Ein paar Meter weiter lade ich schnell die Surfklamotten in den Bus. Halteverbot. Für die Flensburger Politessen eine leichte Beute. Doch heute komme ich ihnen zuvor und lade ein paar schnelle Gitarrentracks in das Kabel des Klinkensteckers. Ich drehe die Lautstärke höher, als ich die Stadtgrenzen verlasse und verkehrsbedingt dem dichten Feierabendverkehr mit 80 Sachen folge. Die Fahrt dauert keine Stunde und unterwegs beobachte ich in der Ferne, mit Blick über die noch rapslosen, kahlen Felder, die weißen Schaumkronen auf der Flensburger Förde zwischen Gelting und dem dänischen Festland. Ich gönne mir bereits eines der belegten Brötchen, bevor ich über die geschlossene Klappbrücke die letzten Kilometer zum bekannten Yachthafen cruise. Unterwegs kommen mir sehr viele Surfdudes entgegen. Ist es vielleicht doch nicht gut heute? Oder komme ich eventuell zu spät? Ich bleibe ausgesprochen gelassen, obwohl es doch der erste Surf seit drei Monaten sein könnte. Vielleicht gerade deshalb?
Kurz vorm Parkplatz, die Schranke ist noch nicht installiert, sehe ich eine kopfhohe Gischt, welche vom starken Nordostwind stark beschleunigt wird, über die glatten, schwarzen Steine der Mole spritzen und im Elevator eine nicht zu unterschätzende Seitenströmung erzeugen. Da bin ich also wieder am alten Spot, den ich vor gut zehn Jahren das erste Mal surfte. Früher surften hier hauptsächlich Windsurfer. Manchmal weit über zwanzig von ihnen. Heute ist es eher ein Wellenreitspot, den wir mit ein paar Kitern teilen. Die lange Mole der Hafeneinfahrt schützt ausgezeichnet vor dem benötigten Nordostwind und ermöglicht ein sanftes und schnelles Rauspaddeln an die beiden Peaks am Molenkopf. Im Sommer wird es an diesem Strand sehr voll. Heute sind wir, nicht zuletzt aufgrund des Windchillfaktors vom –16°C jedoch höchstens eine handvoll Longboarder und eventuell einer Longboarderin. Dies konnte man jedoch unter all den Neoprenklamotten nicht so recht erkennen, so ließ ich meinen Verdacht von den Blümchen auf dem Deck des langen Brettes leiten.
Robert kam gerade aus dem Wasser als ich mein Longboard aus dem Bulli zog und erzählte mir schon von den Wassertemperaturen und den nicht allzu schlechten Wellen. Ein Grinsen auf seinem, von der Kälte beinahe erstarrtem Gesicht verriet mir allerdings, dass der Herr wohl seinen Spaß hatte. Ein Passat aus Kiel kam hinzu, zwei Dudes pellten sich ebenfalls schnell in die Wetsuits. Ein Kumpel saß bereits am Molenkopf und so wie die Situation es erforderte, vergaß ich mein Brett zu wachsen und paddelte gespannt wie die zitternde Sehne eines Bogens hinaus in den lineup.
Meine erste Welle ließ nicht lange auf sich warten und nahm mich ohne Aufhebens einfach mit, so dass ich einen ersten Takeoff in die zerrupfte Oberfläche der nassen Schulter dieser Ostseewelle wagen durfte. Nachdem ich beinahe auf meinen Füßen stand, bemerkte ich den fehlenden Wachsauftrag unter meinem vorderen Fuß und rutsche mit dem Kopf schräg in die Welle. Ein wahrlich erfrischendes Gefühl überkam mich, da natürlich auch ein wenig kühles Nass in meine Haube lief und meine Ohrengänge verwöhnte. Grrrrrrr.... Surfers Sucks!!!
In den folgenden 90 Minuten musste ich fleißig nach jedem Wellenritt zurückpaddeln und hielt meinen Körper damit ein wenig warm. Der kalte Wind kroch jedoch in jede Ritze meines im Jahre 2004 erstandenen 5er Winterneos. Ich versuchte mit einem leicht verbissenem Lächeln diesen Umstand zu ignorieren, dachte aber noch an die mittlerweile sehr verwöhnten Surfgenossen und konzentrierte mich auf die reinrollenden Sets, die mit späterer Stunde im Face locker Kopfhöhe erreichten. Ein Dutzend Rides mit einigen Turns schenkte mir die Ostsee heute. Die Kälte, die tauben Zehen und Fingerkuppen und das Zittern am ganzen Körper rieten mir dringend davon ab, ein neues Fass aufzumachen. Mit der letzten Wellen cruiste ich gemütlich zum Strand und versuchte im kalten Bulli mich meiner extrem anhänglichen Booties zu entledigen. Dies gelang nach ein paar, wenigen Flüchen und halb abgebrochener Fingerknochen. Ich sag mal, sitzt wie Arsch auf Eimer!
Die Rückfahrt absolvierte ich mit lockeren 80 Sachen und belegten Brötchen zurück in das beschauliche Fördestädtchen. Die Welt um mich herum scheint hektisch veranlagt zu sein, währenddessen ich mit einem ruhigen Puls, kalten Füßen und roten Wangen glücklich und zufrieden der kurvigen Landstraße folge. Ich resümiere am Abend meinen Tag am Meer, in Gedanken bin ich noch dort draußen und reite in den Mondaufgang und sehe das Licht des Mondes im Gesicht der Wellenwand schimmern. Ich höre es förmlich plätschern, öffne meine Augen und finde mich in einer vollen, heißen Badewanne wieder. Ein guter Tag......
- Anmelden oder Registrieren um Kommentare zu schreiben
will auch so ein Kiosk :-)
Franzl on Mi, 03/30/2011 - 13:02Und ich bin nicht los
gerri on Mi, 03/23/2011 - 17:54bin ja echt mal gespannt,
Da Johnnie on Fr, 03/18/2011 - 11:10