Samstagmorgen mit dem ersten Tageslicht legte die Fähre in Bastia ab. Die See blieb ruhig und auf der windgeschützten Seite des Schiffs konnte man sich in der niemals richtig schwächelnden Mittelmeersonne wärmen. Gegen Mittag kamen wir in Livorno an. Auch hier in der Toskana war es sonnig und mild. Bei der Einfahrt in den Hafen scannte ich vom Oberdeck aus sicherheitshalber die umgebenden Strände sehr genau, um sicher zu gehen, dass ich keinen Überraschungsswell verpasste. Es war flat, wie erwartet.

Wenn ich nun direkt auf die Autobahn gen Norden durchgestartet wäre, hätte ich den Brenner wohl mit Beginn des für die Nordseite der Alpen angekündigten, erneuten Schneechaos erreicht. Es war mir einfach zu riskant, dort zusammen mit unzähligen Lastwagen auf schneebedeckten Autobahnen zu Tal zu rutschen. Die heftigen Schneefälle sollten dann bis einschließlich Dienstag anhalten. Ich beschloss – gar nicht so scheren Herzens – den Wintereinbruch in der Toskana auszusitzen. Dort sollte es weiterhin sonnig, trocken und mild bleiben und für Sonntag und Montag war dazu ganz netter Swell angesagt.

Doch heute sollte sich wellenmäßig nix tun und ich nutzte die Zeit und das schöne Wetter für einen Abstecher nach Pisa. Wie so oft fehlte dann auf der Autobahn das entscheidende Hinweisschild und   ich umkreiste erst einmal die Stadt – ursprünglich wollte ich sie von Norden her ansteuern – bevor ich, bereits wieder auf der Südseite endlich die Abfahrt Richtung Pisa Centro fand. Weitere 10 Kilometer auf Schlagloch übersäten Landstraßen – die Infrastruktur in Italien hat mal richtig Investitionsstaus – folgten sowie ein paar Extrakreisel in der Stadt bevor ich endlich meinen Parkplatz am Fluß unweit des Areals mit dem schiefen Turm fand.

Pisa lohnt nicht nur wegen des Torre Pendente einen Besuch. Das Gelände mit dem Turm hat noch den Dom, das grandiose Observatorium und einen Tempel ähnlichen Friedhof zu bieten, allesamt wert die 5 Euro für die kombinierte Eintrittskarte. Selbst wer nicht so sehr auf religiös geprägte Architektur und Kunst steht, kann das Gesamtkunstwerk des Ensembles von draußen genießen. Da es mitten im Winter war, blieb die Anzahl der anderen Besucher trotz des herrlichen Wetters überschaubar und im Gegensatz zur völlig überlaufenen Tourismussaison konnte ich die Anlage tatsächlich genießen. Über die gut 80% der anderen Besucher, die sich in wilden Verrenkungen vor dem schiefen Turm ergingen, um am Ende alle die gleichen Bilder auf Instagram zu posten, konnte ich nur lächeln.

Zurück machte ich dann noch einen Schlenker durch die sehr schöne Altstadt und im goldenen Spätnachmittagslicht entlang des Flusses zurück zum Van. Von dort waren es dann noch eine knappe halbe Stunde Fahrt bis nach Viareggio, wo ich noch was essen wollte, um dann in der Nähe die Nacht zu verbringen. Kaum aus Pisa raus und auf der Landstraße traute ich meinen Augen kaum, denn es sah so aus als ob die gute alte Via Aurelia tatsächlich neu asphaltiert worden wäre. Schnell merkte ich dann aber, dass das mehr schwarze Farbe über den gleichen alten Schlaglöchern war. Ich schaffte es dann zum letzten Tageslicht ohne Bandscheibenvorfall nach Viareggio und parkte in Strandnähe.

An einem Durchgang zwischen den unzähligen Badeanstalten, die hier und die rund 30 Kilometer Richtung Norden den endlosen Sandstrand säumen, lief ich zum Strand und sah bereits ein paar fast schon surfbare Wellen im kitschigen Sonnenuntergang an den Strand plätschern. Das sah vielversprechend für Sonntag aus. Ich spazierte noch eine Zeitlang an der wieder gut herausgeputzten Promenade entlang und stärkte mich dann erst einmal klassisch mit Gnocchi, Pizza und Weißbier. Die Nacht verbrachte ich dann ein paar Kilometer weiter nördlich auf einem Parkplatz, an dem sie über den Winter die Schranken und Parkautomaten abgebaut hatten.

Sonntagmorgen war ich mit dem ersten Licht auf. Es war kalt, denn ein leichter Wind blies von den Bergen herab. Offshore. Passt. Ein kurzer Besuch der Seebrücke ergab, dass wie jedes Jahr neue Skulpturen aufgestellt worden waren. Da geben Sie echt Geld für aus hier. Bella Figura ist und bleibt wichtig. Außerdem zeigte der Besuch der Brücke, dass schon ganz ordentlicher Swell da war, allerdings noch ein bisschen wobbly und noch nicht ausreichend vom Offshore in Form gebürstet.

Ich frühstückte erst einmal in der Bar an der Brücke und fuhr dann noch einmal weiter Richtung Norden zur nächsten Brücke. Deren Besuch gestaltete ich nur kurz und eilte nach einem schnellen Check zurück zum Bus, um mich in Gummi zu kleiden und das Longboard zu holen. Die unverwüstliche Sandbank rechts von der Brücke produzierte eine wunderbare Linke und eine kürzere, aber knackige Rechte. Ich hüpfte von der Plattform am Brückenkopf und blieb aber, respektvoll und höflich wie ich bin, links von der Brücke. Der Peak rechts davon hatte sich bereits mit einer Handvoll Shortboardern gefüllt und als Gast mit Longboard, sollte man sich da besser nicht dazwischensetzen. Das konnte sich nur ein richtig gut mit der langen Planke surfender Local leisten.

Links von der Brücke waren die Wellen nicht ganz so gut, aber wir waren nur zu dritt und jeder von uns bekam genug Wellen ab. Nach einer der besseren Sessions des Trips brauchte ich Zuckernachschub und suchte eine der Bars am Platz vor der Brücke auf. Die Bar ist im Gegensatz zur sonstigen Tourismusinfrastruktur hier ganzjährig geöffnet und hat mich schon öfters vor der Unterzuckerung gerettet. Re-energized lief ich dann in der warmen Sonne zurück zum Steg.

Kaum auf der Brücke sah ich ein größeres Set rein rollen und der vorhin erwähnte Longboarder zog auf der Rechten in eine Barrel, aus der er aber knapp nicht mehr rauskam. Den Spaß bezahlte er mit einer Zweiteilung seines Longboards. Die Wellen hatten noch an Wumms zugelegt. Der mit 1,5 Meter vorhergesagte Swell legte nun kontinuierlich weiter zu und begann die Sandbänke zu überfordern.

Größere Sets begannen weit draußen zu brechen und ihre Reforms kreierten an der Inside schwer zu lesende und stark shiftende Peaks, die entweder im Nichts ausliefen oder immer hart an der Grenze zwischen Closeout und sauschnelle Barrel brachen. Um hier Spaß zu haben, musste man die Sandbänke schon sehr gut kennen und die Reinlaufenden Peaks sehr gut lesen können. Dazu waren im Grunde nur noch zwei bis drei Jungs und ein Mädel in der Lage (und die wurde später mit einem kleinen Cut im Gesicht aus dem Wasser geschickt), während der Rest überwiegend am dauerpaddeln war, um dann ab und zu das Katz und Maus Spiel mit den Wellen zu verlieren.

Leider waren die Wellen an den äußeren Sandbänken zwar schön hoch – mit deutlich überkopfhohen Faces – aber sie brachen eher suboptimal. Meistens schnupperten die Wellen nur an der Sandbank, wurden steil, blieben steil aber ohne ausreichend Druck und brachen dann schwächelnd in sich zusammen oder wurden einfach wieder flach. Zunehmender Swell ist hier nicht immer eine gute Nachricht, am besten laufen die Beachies hier bei um die 1,5m Swell. Da waren wir längst drüber und die Wellen legten weiter zu, bis es gegen Sonnenuntergang kaum noch surfbar war.

Montag sollte es in etwa in der gleichen Größe weiterlaufen, dann aber mit Nordwind. Nicht gut für die Sandstrände hier, aber gut für die zerklüftete Küste an den Cinque Terre gleich ums Eck in Ligurien. Da fuhr ich dann auch hin und übernachtete auf dem Camping Agua Dulce. Das ist ein wunderschöner Platz gleich hinter der alten Stadtmauer und zu fuß fünf Minuten vom Strand entfernt. Der Platz hat ganzjährig geöffnet – die absolute Ausnahme in der Gegend – und die Nacht kostete mich weniger als ich hätte an Parkgebühren an den sowieso sehr wenigen Parkplätzen im Ort hätte hinlegen müssen. Auch hier gilt: in der Tourismussaison ist es hier wegen der Massen nicht auszuhalten, im Winter ist es ein wunderbarer Ort.

Nach einer ruhigen und milden Nacht brachte ich Montagmorgen den Kreislauf in Schwung indem ich rauf zur Burg lief und von dort oben den ersten Wellencheck machte. Der Ausblick von da oben auf die bucht allein ist schon sehr nett und die im ersten Tageslicht in die Bucht rollenden Swell-Linien machten ihn noch besser. An meinem favorisierten Break links in der Bucht lief gleich mit dem ersten Set eine nette Rechte, die mir sehr passend schien.

Den Break in der Mitte der Bucht mochte ich nicht so gerne, da er generell ständig shiftet und viel Paddeln und duckdiven mit nur wenigen gute surfbaren Wellen belohnt. Der Break ganz rechts in der Bucht ist eh nur für richtig gute Surfer geeignet, da er einen heftigen Hybrid zwischen superschneller Tube und deftigem Closeout produziert. Das nächste Set war dann noch größer und überforderte bereits den linken Break. Das gleiche beim übernächsten Set. Und beim überübernächsten.

Der Swell war noch am Zunehmen, und um es kurz zu machen: er blieb den ganzen Tag über zu groß. Oder er kam aus der falschen Richtung. Wie auch immer, der linke Break war den ganzen tag über unsurfbar. Der Peak in der Mitte stellte sich steil, aber nicht steil genug für den Takeoff auf um dann als Closeout zu enden. Der Peak ganz rechts blieb ein italienisches Tube-Roulette mit hohem Risiko mit Wucht in 30cm tiefes Wasser gehämmert zu werden.

Es blieb den ganzen Tag über wunderbar warm und sonnig, der Swell war am Pumpen und der Wind blieb offshore. Beste Rahmenbedingungen, aber ich habe den ganzen Tag über vielleicht 15 brauchbare und gesurfte Wellen gesehen, während ich mir mit zunehmender Verzweiflung den Strand entlang tigernd den ersten Sonnenbrand des Jahres holte. Etwas sehr Bella Figura wenn man als Fotograf genug Geduld hatte, aber im Grunde den ganzen Tag über kaum surfbar.

Ich verbrachte dann noch eine Nacht auf dem Camping in der Hoffnung, dass die bucht am nächsten tag mit dem Restswell mehr anfangen konnte. Dienstagmorgen war ich dann wieder früh raus, doch meine Erwartung wurde erneut enttäuscht. Links in der Bucht verlief sich der nun recht kleine Swell im Nichts, rechts produzierte er die ein und andere fotogene Mini-Tube, aber so richtig gut zum Surfen war das nicht.

Ohne eine letzte surf Session wollte ich aber nicht die Alpen überqueren und dabei half mir nun meine über mehrere Trips in die Gegend gesammelte Erfahrung. Der ewig lange toskanische Sandstrand hatte bisher immer selbst aus Mini-Swells brauchbare Wellen gezaubert. Ich entschied mich für einen kleinen Umweg und fuhr zurück an den vorgestern Abend noch etwas überforderten Break an der Seebrücke. Die Sandbänke dort lieferten noch brusthohe Wellen bei leicht fächelndem Offshore und dieses Mal liefen die Wellen auch sehr, sehr hübsch. Nix spektakuläres aber zwei sehr entspannte Longboardsessions mit nur drei anderen Surfern im Lineup waren genau das, was ich noch brauchte, bevor ich mich am frühen Nachmittag auf den Rückweg gen Norden machte.

Den Brenner überquerte ich wegen Schneefall in dieser Nacht noch nicht. Stattdessen übernachtete ich im Norden des Gardasees – früher mal meine zweite Heimat – und überquerte dann am Mittwoch die Alpen, die bei nun strahlendem Sonnenschein ein Wintertraum waren, den ich nur mehr aus meiner Jugend kenne. Hätte ich mehr Zeit gehabt, wäre ich noch eine Runde Snowboarden gegangen, aber ich war eh schon drei Tage verspätet und die Arbeit rief.

Hier geht es zum Teil 1 des mediterranen Pokers >>>

Mehr Bilder zu beiden Teilen der Reise gibt es hier zu sehen.

Bild von matthias2

Toll Toll Toll

matthias2 on Mo, 03/04/2019 - 10:54
Vielen Dank für die Bilder und die Mühe einen so tollen Blog zu schreiben. Hat Spaß gemacht das zu lesen! Macht Bock selbst den Bus zu packen..... Grüße
Bild von tripmaster

Mille

tripmaster on Mo, 03/04/2019 - 12:18

Gracie