Haste Scheiße am Schuh,
haste Scheiße am Schuh. Dieses Zitat stammt zwar nicht von Lukas Podolski, dafür aber von einem anderen Akteur aus der Branche. Es war – wohl nicht verwunderlich ein Trainer (dessen Namen ich vergessen habe) – der wieder einmal bewies, welch philosophische Tiefe und Erleuchtung den Gehirnen dieser Kicker innewohnt. Kaum eine Spezies auf Erden schafft es, die existentiellen Dinge des Lebens derart fundiert und allgemeingültig zu erklären.
Was das mit Nordsurfen zu tun hat? Nun, als ich Mittwoch Abend meinen Bus mit ein paar Grundnahrungsmitteln (im Wesentlichen Kaffee und Zigaretten) für einen Tagesausflug nach Dänemark belud, bemerkte ich im Van plötzlich einen seltsamen Klumpen unter meiner Schuhsohle. Was das war, muss ich jetzt wohl nicht weiter erläutern.
Dank des Dauerregens und ein paar tiefen Pfützen bekam ich die Sohle aber schnell wieder sauber und konnte mich frohen Mutes auf den Weg machen. Ein für den Oktober gar nicht so untypischer Groundswell war auf dem Weg an Dänemarks Westküste und sollte dort auf Ost bis Nordostwind treffen. Für mich eine „must go“ Vorhersage und auf dem Weg überlegte ich schon mal erste Sequenzen der Geschichte, die ich spätestens Freitag erzählen würde, beschloss dann aber mich nicht immer wieder zu wiederholen (siehe hier) und den ganzen Sermon mit Arbeit freischaufeln und Forecast lesen etc. dieses Mal weg zu lassen.
Gegen eins in der Nacht war ich dann kurz vor meinem Ziel an der Westküste, als ich in ein kleines Wäldchen hinein fuhr. Vor denen hab ich ja seit einiger Zeit etwas Respekt wegen Wildwechsel und ich dachte grade daran, dass ich etwas vom Gas gehen sollte, als bereits zwei Rehe vor mir auf die Straße sprangen. Ich ging voll in die Eisen und das eine Tier kriegte auch noch die Kurve, das andere aber lief mir genau vor die Motorhaube. Es rumste vernehmlich und das arme Tier flog seitlich in den Straßengraben. Ich hielt an und stieg sofort aus. Von dem Reh war in der Dunkelheit nichts mehr zu sehen und mein Van schien auch nix abgekriegt zu haben. Ich war schon auf ca. 40 km/h herunter gewesen, vielleicht hatte das ja noch gereicht um wirklich schlimmes zu verhindern, vielleicht ist aber auch die Front meines Iveco einfach nur richtig stabil und dem Reh ging es jetzt richtig Scheiße.
Auf jeden Fall war ich nun hellwach, räumte erst einmal all die Dinge, die im Fahrerhaus durch das Bremsmanöver auf den Boden gefallen waren, wieder nach oben und fuhr dann sehr aufmerksam und mit maximal 80 km/h die verbleibenden 20 Kilometer bis zum Ziel. Neben der Sorge um das Tier hatte ich nun auch die Befürchtung, dass mein Karma grad nicht so richtig gut ist.
Endlich am Spot angekommen parkte ich meinen Lastwagen so in der ersten Reihe, dass ich mit Öffnen der Schiebetür am nächsten Morgen sofort den Lineup checken konnte. Als ich dann die Tür am nächsten Morgen öffnete, sah ich auch gleich die erste Welle an der Mole brechen. Der Wind war ein leichter Offshore, die See spiegelglatt und die Sonne kam gerade über den östlichen Horizont gekrochen. Über das glasige Meer zogen vereinzelte Lines, die eindeutig zu einem Groundswell gehörten. Leider manifestierten sich dessen 14 bis 15 Sekunden Periode aber nur in den langen zeitlichen Abständen, in denen die Sets ans Ufer rollten. Höhe der Setwellen: irgendwas zwischen Knie und der Hüfte von kleineren Menschen.
Ich nahm mir erst einmal meinen obligatorischen Morgenkaffee und lief dann ein bisschen rum, Sandbänke checken. Dabei prüfte ich das halbe Molen-Alphabet mit dem immer gleichen Ergebnis: der Sand lag perfekt aber die Wellen blieben winzig. Ich kontaktierte dann meinen Verbindungsmann Tim, der bei den altdeutschen Massivhäuser im Norden Thy´s parkte. Seine Rückmeldung: komme grad vom Wasser, Wellen hüfthoch mit Druck, 10 bis 15 Leute im Lineup.
Die zusätzlichen 1 ½ Stundne Fahrt hatte ich mir eigentlich sparen wollen, und 10 bis 15 Leute über dem Riff klang auch nicht sehr verlockend. Ich beschloss da raus zu gehen, wo ich war. Zumindest würde ich alleine im Lineup sein. Also griff ich mir mein Longboard und latschte in den Lineup der ersten Mole, wo ich eine nette Sandkante ausgemacht hatte. Dort hatte ich dann auch schnell meine erste oberschenkel-hohe Welle, die leider zu schnell zu machte. Danach kam erst mal nix. Zumindest nicht an meiner Mole. Eine Mole weiter nördlich brachen dafür halbwegs regelmäßig Wellen, die von meinem Standort aus ganz brauchbar aussahen. Natürlich dauerte es wieder ewig, bis das nächste „Set“ kam und ich zurück an Land rutschen konnte. Auf dem Weg zu Mole P sah ich dann ein schönes Set an Mole O rein laufen. Deren Sandbank hatte es mir ja schon bei meinem morgendlichen Checker Spaziergang angetan. Also hin da und raus gelatscht. Am Takeoff Spot passierte dann erst mal wieder ewig nix. Das wurde mir dann doch zu blöd und ich beendete die Warterei mit einer „Inside“ „Welle“ und packte meine Sachen. Die zusätzlichen 100km Richtung Norden waren wohl unvermeidlich, wenn ich noch was Passables abkriegen wollte.
Auf der Straße Richtung Nationalpark Thy sah ich dann aus den Augenwinkeln einen Typen in blauem Overall, der recht zielstrebig Richtung Straße spazierte. Nicht schon wieder dachte ich und stieg in die Bremsen und malträtierte die Hupe. Tatsächlich erschrak der Kerl ganz ordentlich und wäre ohne meine Warnung wohl schnurstracks vor meine Motorhaube gelaufen. Endlich in Klitte angekommen holte ich mir erst einmal ein paar Brötchen, bevor ich zum Strand fuhr. Kaffee alleine ist halt doch nicht ganz ausreichend um das Energielevel ausreichend hoch zu halten.
Am Strandparkplatz schmierte ich mir erst einmal meine Semmel und ging dann zu Tims Bus hinüber. Tim war grad am Bilder bearbeiten von der morgendlichen Session hier und die Bilder sahen verdammt gut aus. Sonne, kein Wind und cleane brusthohe Wellenfaces. Wär ich mal doch gleich hier her gefahren. Ich ging dann gleich mal prüfen, was jetzt noch so los war. Von der Düne aus sah das gut aus, trotz des nun relativ starken Nordostwinds. „Rein da!“ dachte ich mir, kämpfte mich in den nasskalten Neo und griff mir mein Longboard.
Der Lineup war mit rund 10 Leuten moderat gefüllt. Von der Düne aus hatte ich mich noch gewunderte, warum die alle so weit südlich vom Peak saßen. Selber draußen wusste ich warum: der Nordostwind erzeugte eine entsprechende Drift. Wesentlich schlimmer aber noch war der quer zum Groundswell laufende Windschwabbel, der komische Sachen mit den Wellen machte. Auf jeden Fall hatte ich hier dann trotz völlig ausreichender Wellengröße mal überhaupt keinen Spaß. Dazu fror ich ziemlich bald trotz voller Winterneo Montur und mein verschlissener Körper begann wieder zu zwicken. Neben den fast schon chronischen Schmerzen an der rechten Hüfte und in der rechten Pobacke (fühlt sich regelmäßig so an als ob ich mir Robbenesk ein Muskelbündel gerissen hätte) kam völlig unmotiviert mein rechter Zeigefinger dazu. Der tat sau weh und das war neu und völlig unerklärlich. Mir gingen dann trübe Gedanken durch den Kopf und die Erkenntnis, dass mein Körper mit über 50 Jahren auf dem Buckel jetzt wohl doch langsam wie ein Oldtimer behandelt werden müsste, heißt nur noch bei gutem Wetter ausgeführt werden darf. Nordsurfen wegen der Kälte passé? Schaun mer mal.
Auf jeden Fall war der Tag ein Reinfall und ich machte mich relativ früh auf den Rückweg, den ich trotz des schlechten Karmas unfallfrei überstand. Morgen geht´s an den Atlantik, erst mal auf die Ile de Ré. Vorhergesagt sind bis weit in die kommende Woche mittelstarker Ost bis Nordostwind und hochperiodischer Groundswell mit 10cm Höhe. Haste Scheiße am Schuh……
Hier gibt´s noch ein paar mehr Bilder.
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Wenigstens hat es nicht geregnet..
Apeman on Di, 11/10/2015 - 16:36Haste einen super Artikel
Surfster75 on Do, 10/22/2015 - 17:34danke
tripmaster on Do, 10/22/2015 - 20:20wenigstens einer der weis von wem das Zitat ist ;=)
Haste Scheiße am Schuh...
boerni on Mi, 10/21/2015 - 21:53schreibst nen super Blog!!!! Danke Tom!
Unterhaltsam
matthias2 on Sa, 10/17/2015 - 11:53