Höhere Mathematik – Die Praxis
Nachdem wir bereits ausführlich die theoretischen Grundlagen des Nordsurf-Stoke-Paradoxons erläutert haben berichten wir hier über die Validation der Berechnungsergebnisse durch einen Praxistest.
Erste Vorprüfungen führte Tom am Donnerstag durch:
Die Westküste. Ganz nett, aber trotzdem der falsche Ort für einen Swell dieser Art.
Tom:Meine Kalkulation für den Tag ergab ein extremes Minus beim „liegen bleibende und nachzuholende Arbeitszeit“ Faktor. Die Berechnung für den Stoke Faktor war durchwachsen. Der Groundswell sollte meinen Annahmen zu folge zwar schon ankommen, am idealen Ort um diesen in Empfang zu nehmen passte aber die Windrichtung nicht. Als möglichen besten Kompromiss hatte ich daher ein Ziel weiter südlich ausgewählt, bei dem ich zwar wusste, dass weder Swellrichtung noch aktueller Zustand der Sandbänke ideal waren, dafür aber der Windfaktor besser passte. In die Berechnung hatte ich allerdings den Familienzeitfaktor mit aufgenommen und den „Alter Mann regeneriert nicht so schnell von 4 Stunden Autofahren“ Koeffizienten mit eingerechnet. 8 bis 10 stunden Autofahren auf zwei Tage zu verteilen rechnet sich einfach besser und Samstag und Sonntag der Familie zu widmen bringt auch Punkte.
Vor Ort stellte ich dann fest, dass der Swell wie erwartet bereits spürbar war, die Sandbänke aber bei der Swell Richtung nicht wirklich funktionierten und dazu ein Windschwabbel über dem Groundswell lag. Dafür passte – wie errechnet – der Wind ganz gut, der erst leicht sideonshore fächelte und gegen Abend vollends einschlief. Der Crowd – Faktor war mit maximal 6 Leuten im Wasser im grünen Bereich, die Sonne schien und es war für die Jahreszeit viel zu warm. Ich gönnte mir zwei Sessions in shiftenden unsteten Peaks mit wenig Schulter, hatte aber Spaß und konnte mir gut die durch die lange Fahrt verursachte Steifigkeit aus den Knochen surfen. Bestes Warm Up für den Freitag.
Nach Sonnenuntergang machte ich mich auf den Weg nach Norden, gönnte mir unterwegs einen Boxenstopp in einer kurdisch-dänischen Pizzeria und erreichte relativ früh meinen Übernachtungsplatz. 8 Stunden Schlaf waren locker drin, bevor ich am nächsten Tag früh aufstehen und zum ersten Licht am Ziel ankommen wollte. Zum Einschlafen hörte ich noch eine Zeit lang den Geschichten zu, die sich die Zugvögel am Teich nebenan zu berichten hatten.
Börni: Wie zu Beginn meines Surferdaseins genoss ich bewusst jede Minute des Trips. Selbst wenn die Wellen nicht so wie versprochen rocken würden, würde ich meinen Spaß am Meer haben.
Schon bei meiner letzten Session vor zwei Wochen an einem mittelmäßigen Ostseespot hatte ich diesen Stoke wiedergefunden. Gründe dafür? Es ist für mich nicht mehr selbstverständlich bei jedem Geschwabbel loszufahren bzw. loszukommen, sei es aus zeitlichen, beruflichen, gesundheitlichen oder familiären Gründen. Ich bin einfach mehr als froh, wenn ich mich loseisen kann. Außerdem liebe ich den hometurf. Ostsee wie Nordsee. Dänemark mit einbezogen. Die geringe bzw. kaum vorhandene Tide, das überwiegend harsche Wetter, die vielen Bekannten im Line Up, den kurzen Surf nach der Arbeit, die guten Tage, welche weil seltener als an irgendeinem Ozean, als besonders gut erfahren werden und vieles mehr.
Freitag:
Tom: Ich erreichte wie geplant um kurz nach Sieben den Spot. Auf dem Parkplatz traf ich Börni, der sich bereits im Dunkeln in den Neo gezwängt hatte und bereits auf dem Weg ins Wasser war. Ein erster Blick über die Düne bestätigte meine Berechnungen. Ein sehr solider Groundswell lief an die Küste, größer noch als der Christobal Swell, und traf perfekt auf das Riff. Der Wind blies leicht offshore, nur ein bisschen kalt war es noch. Aber bereits jetzt war klar, dass ich den Stoke Faktor richtig berechnet hatte.
Jens "Der Garten kann Warten" bereut die kurze Nachtruhe nicht.
Jens: Nachdem ich Nachts noch erfolglos versucht hatte Tom aufzuspüren, rollte ich kurz vor 7 auf den Parkplatz am Spot. Tom war bereits angekommen und kam mir mit leuchtenden Augen entgegen und Börni sprang bereits im Neo Richtung Düne. Mehr Surfmobile kamen an und aus den geparkten Bussen krochen die ersten Gestalten. Ich entschied mich den Surfcheck wegzulassen, erkundigte mich nur kurz bei Tom über die Bedingungen um eine Boardwahl treffen zu können: “Kleines Brett und genug Paddelpower” war seine Antwort und sorgte dafür mein Umzieh-Tempo zu beschleunigen. Ich schaffte es als Surfer Nr. 3 an die Wasserkante, im Nacken bereits 10 weitere Surfer, Tendenz weiter steigend.
Fitpaddeln zahlt sich aus
Zurück zu den Berechnungen: Der resultierende Stoke-Faktor war sogar deutlich grösser als im Vorfeld angenommen. Es war einer der Tage, an dem alles passte. Zwar floss der hohe Crowd-Faktor negativ in die Abschlussrechnung ein, aber fitgepaddelt vom Frankreich-Trip konnte ich - im Rahmen meiner Möglichkeiten - mein bestes Surfen abrufen und genügend Wellen auf meinem Konto verbuchen. Wellenhöhe / Qualität, Anzahl der gerittenen, guten bis sehr guten Wellen, sogar bei sonnigem Wetter, liessen den Stoke-Faktor schlussendlich durch die Decke schiessen.
Jens mit schon aus der Ferne erkennbarem dicken Grinsen. Bereits am frühen Nachmittag war sein Wellenhunger gestillt.
Börni: Mein Ziel im Nordwesten Dänemarks erreichte ich gegen 1:30 Uhr Nachts. Vor dem Schlafengehen unternahm ich noch eine Hunderunde durch die Dünen zum Strand. Ich sah so gut wie Nichts, außer ein paar im Dunkel schimmernde Schaumkronen. Was ich jedoch hörte, versprach einiges für den kommenden Tag. Die Wellen krachten mit ordentlich Wumms auf die Sandbänke. Der prognostizierte Groundswell war angekommen.
Obwohl ich hundemüde war, schlief ich unruhig und kurz. Gut für den geplanten Early Bird, denn ich war schon vorm Wecker wach und machte mich kurz vor dem ersten Tageslicht auf dem Weg zum Riff. Vom Point konnte ich im Halbdunkel wunderschön vom offshore geformte kopfhohe Wellensets reindrehen sehen.
Tunnelblick! Einziger Gedanke: "Rein da!!!"
Auf dem Parker waren nun auch die ersten anderen Surfer wach. Dort freute ich mich auch auf die Syndikatsjungs Tom und Jens zu treffen. Nun aber mit Tempo den Line-Up entern.
Rauspaddeln, Sets einschätzen, postionieren. Schön den Spot für mich zu haben. Jedoch wusste ich, dass dies nicht lange anhalten würde. Der zweite Set war meiner. Welle lief flacher als erwartet, aber ganz O.K. für den ersten Ritt. Zurück in den Line-Up. Diesmal tiefer positioniert. Mit einem Auge beobachtete ich die ersten Surfer, die Richtung Point liefen. Ich fühlte mich, wie kurz vor Ende eines Heats, in dem ich noch einen hohen Score benötigte. Der nächste Set erschien am Horizont. Schulter- bis kopfhoch peakte er als ich die erste Welle anpaddelte. Reinzukommen war einfach und dann lief das Ding. Nicht allzu schnell, ich musste zwei Cutbacks fahren, aber schön um die Länge der Welle zu genießen.
Das Börni - Prinzip (first one in) zahlt sich aus.
Im Nachhinein, die beste Welle meines Tages. Ich war zufrieden. Eigentlich hätte ich das Wasser schon verlassen können. Zumal ich wusste, dass ich ab jetzt das Wolfpack im Nacken hatte. Und dieses enterte so langsam die Brechungszone. Eine Welle konnte ich noch mitnehmen bevor weitere 20+ Surfer den Spot bevölkerten. Bei diesem Riffspot mit wohldefinierter Brechungszone eine Ansage. Glücklicherweise konnte ich, dennoch weiter einige Wellen scoren, bis sich das Blatt nach circa einer Stunde wendete. Ich bekam kaum noch was. Die Wellen liefen nicht in meine Richtung und waren nicht mehr so konsitent bzw. ich saß falsch, wurde gedropped oder geblocked. Nach einer letzten halbwegs guten Welle war es Zeit zu frühstücken. Müsli mit Bananen gab mir die Power für eine weitere Sesssion zurück. Ich nahm mein 9'8" und genoss einen entspannteren Surf in den ich mich oft für die kürzere aber leerere Left entschied.
Und noch eine Wellen, die Börni mitnimmt.
Jetzt ließ der rechtsdrehende Wind die Wellen unsauberer werden, deswegen beendete ich schließlich die Session und machte mich auf den Weg an einen nahegelegenen Spot an dem eine kleine Gruppe Lüneburger und Hamburger Jungs angeblich scorte. Als ich dort ankam, waren die Wellen leider bereits sehr klein, so dass ich mir erstmal eine längere Ruhepause gönnte und den Jungs von Land aus zusah.
Schließlich sprang ich doch noch einmal ins Wasser. Die Wellen hatten leider nicht mehr viel Potential. Gerade verglichen mit meinem Frühsurf war diese Sitzung surferisch und subjektive empfunden, nahezu eine Nullnummer. Spaß hatte ich trotzdem.
Nach meinem Rückweg durch die Dünenlandschaft traf ich bei meinem Bus wieder auf Jens. Tom hatte bereits den Heimweg angetreten.
Jens und ich suchten ein ruhiges Nachtlager auf. Nach dem obligatorischen Tripfastfood im Bus und einem Bier bzw. Wein gingen wir früh ins Bett, um den anhaltenden Grounswell am nächsten Tag früh zu erwischen. Der Plan war genauso vorzugehen, wie am heutigen Tag.
Samstag:
Jens: Am Samstag gab es dann als Sahnehäubchen nach anfänglicher Enttäuschung beim Surfcheck doch noch eine erstaunlich exzellente Session im guten alten Untergrund des berühmten Surf-Dörfchens mit der langen Mole.
Börni: Der erste Wellencheck um 6:30 Uhr bei unserem Nachtplatz war positiv. Wir zögerten nicht lange und fuhren sofort zum Riff.
Von nun an wurden wir zu unentschlossenen Dauercheckern. Wobei der Grund dafür nicht bei uns lag, sondern beim Swell. Die Wellen trafen das Riff nicht optimal und auch der zunehmende Südswell und Wind machte dem Spot zu schaffen. Südlich des Riff peakte eine schöne Welle, die kurz und hohl brach. Im Anschluss aber schnell im davorliegenden tiefen Channel die Kraft verlor.
Das war nicht was wir uns erhofft hatten. Hoffnung kam nach einer Viertelstunde auf als der erste Longboarder zum Riff rauspaddelte. Eine Welle bekam er tatsächlich, die war aber nicht viel mehr als durchschnittlich. Danach wurde er, wie von uns schon vorher vermutet, von der Strömung aus dem Line-Up nach Norden abgetrieben und hat es während unserer Checkung auch nicht mehr geschafft diesen zu erreichen. Nach langen und allmälich auch kalten 20-30 Minuten auf der Düne wurden weitere Optionen für einen zufriedenstellenden Surf durchgegangen. Einen Spot weiter südlich? Nach dem mäßigen Wellen am vorigen Nachmittag, bestand nicht allzu viel Hoffnung auf gute Wellen dort. Richtung Norden würde bestimmt was reindrücken und es würde definitiv offshore vorherrschen. Doch die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass dort dass Longboard häufig die bessere Wahl ist und das hatte Jens nicht. entfernter im Süden gab es noch einen Spot für den die Windrichtung stimmte. Fraglich war aber, ob der Swell reichen bzw. die Sandbänke die Wellen gut aufnehmen würden. Nach einem gefühlt endlosen Abgewäge bzw. Für und Wider, beschlossen Jens und ich nachdem wir nun auch leicht durchgefroren waren, die am schnellsten zu erreichende Option zu ziehen und fuhren ein wenig nach Süden, wo wir wieder wie festgewurzelt auf der Dünenkante standen.
Die Wellen waren hier deutlich kleiner, sahen zwar schön aus aber schienen auch grade mal für ein Longboard zu reichen. Reingehen oder weiter auf eine möglicherweise nicht mehr endende Checkerrunde gen Süden zocken, mit der Gefahr überhaupt nicht mehr ins Wasser zu kommen. Zurück bei den Bussen summte immer noch ein dickes Fragezeichen bei uns im Kopf herum, bis und L-Towny, Kumpel und Kollege Charly uns aus unseren Gedankengängen herausholte und uns sagte er würde auch noch mal die Qualität der Wellen checken. Wir sollten doch bitte mal kurz warten. Kurz verwandelte sich in langwierig und verhieß bei einer Checkung meistens nichts Gutes. Dennoch kam er nach zwanzigminütiger Abwesenheit zurück und verkündete anzunehmen, was ihm geboten wurde. Richtig überzeugt waren wir immer noch nicht, aber der Drang endlich ins Wasser zu kommen war stärker und wir zogen uns um.
Als Peak entschied ich mich für eine Longboard Left. Jens gesellte sich später zu mir und konnte auf seinem Brett auch ein bisschen rutschen. Eigentlich ganz okayy, denn wir hatten mehr als wenig erwartet. In der Zeit zwischen den Sets schaute ich wo Charly abgeblieben war und entdecke einen Peak ein paar hundert Meter nördlich von uns an dem einige Jungs doch längere und kräftigere Wellen zu rippen schienen.
Wir entschieden uns dorthin zu paddeln, zumal wir nicht viel verlieren konnten.
Was uns erwartete übertraf bei weitem unsere Antizipationen. Die L-Townies Charly und Hannes Steel und die Hamburger Otti und der Wiggman, teilten sich mit wenigen anderen gut laufende, leicht hohle hüft- bis schulterhohe Wellen, von denen jeder seinen Share bekam.
Die Bank schien den Swell gerade zu perfekt anzusaugen. Nach meinem Empfinden, war es die entspannteste Session des Wochenendes.
Nach der Session traten die Charly und Jens den Heimweg an. Ich stärkte mich und warf mich, diesmal mit meinem kurzen Brett erneut ins Wasser. Die Wellen hatten an Qualität nur unmerklich abgenommen und machten immer noch enormen Spaß. Nur einige ich nenne sie mal unerfahrene, unsichere, nichtwissende Surfer, die sich mit ihren Longboards und SUPS immer tief am Peak positionierten trübten ein wenig die gute Stimmung im Wasser. Sie dropten nicht nur, wenn sie die Welle bekamen rücksichtslos rein. Sie ware außerdem wegen ihrer surferischen Unerfahrenheit eine Gefahr für alle andere Surfer im Line-Up. Meine Bitte! Solange ihr noch nicht sicher auf eurem Brett seid, es nicht steuern könnt und auch noch nicht die Fähigkeit habt, während des Take-Offs zu schauen, ob ihr niemanden reindroppt, surft an einem Spot der leer ist, an dem ihr an euren Skills arbeiten könnt.
Nach der Session trat auch ich die Heimreise an. Stoked von dem Trip genoß ich den Sonntag zu Hause mit meiner Familie. Spätesten in drei Wochen, bin ich zurück im Norden. Dann mit Frau, Kind und Hund.
Mehr Bilder gibt es hier.
Vielen Dank an Jens Ottmann und Maria Berndt für die Bilder vom Samstag!
- tripmaster's blog
- Anmelden oder Registrieren um Kommentare zu schreiben
Sehr cool zu lesen:-))
Da Johnnie on Fr, 11/28/2014 - 21:00Klasse Blog!
matthias2 on Di, 10/14/2014 - 15:57Klasse Blog!
matthias2 on Di, 10/14/2014 - 15:57Danke.
tripmaster on Mi, 10/15/2014 - 09:01Warum es hier etwas ruhiger geworden ist, geht ja aus dem Theorie Teil des Blogs hervor. Man wird nicht jünger und die Verpflichtungen nicht weniger ;=)
War mir eine Ehre mit Euch an
jens on Sa, 10/11/2014 - 21:38War mir eine Ehre mit Euch an diesem Experiment teilgenommen zu haben.
Und ein Hoch auf unsere Frauen fürs jeweilige hochschicken!
Lebensweisheiten
Maui on So, 10/12/2014 - 11:02scheint so
tripmaster on So, 10/12/2014 - 11:58scheint so als ob die zu lösenden mathematischen Probleme recht weit verbreitet wären......
war mit eine Freude
tripmaster on Sa, 10/11/2014 - 23:51mit solch motivierten Schülern zu arbeiten ;=)
schicken ist aber ein bisschen geschönt, zumindest bei mir.....