Von Hundstagen und Kanalratten

 

Eine sogenannte Kanalratte bescherte der gesamten Nordsurfgemeinde ein Wellenfest der besonderen Art. Den Begriff „Kanalratte“ erfanden einst die Niederländer und meinten damit kleine biestige Randtiefs, die gerne mal entlang des englischen Kanals ziehen und im Sommer für Ernüchterung bei sonnenverwöhnten Urlaubern sorgen. Gerade im Hochsommer ist der mit circa 20°C temperierte Kanal ein guter energetischer Nährboden für die Entwicklung und die Zugbahn solcher Tiefs. 

                     

Bei Nordsurfern sorgen derartige Vorhersagen für Hochstimmung, Quelle: MSW

In Europa finden alljährlich vom 23. Juli bis zum 23. August die Hundstage statt. Passend zu diesem Event hatte ich eine charmante Begleitung dabei. Ob diese Vierbeiner auch noch bei Windstärke 10 mit Sand und Wasser von der Seite Spaß haben, sollte sich im weiteren Verlauf zeigen. 

               

Langeweile ist für diese drei Mädels ein Fremdwort

Freitag, die Ruhe vor dem Sturm. Taktisch nicht unklug wurde die standardmäßige Grillaktion für diesen Tag festgezurrt. Die Kohlen waren noch nicht ganz durch, als plötzlich und ziemlich überraschend ein silberner VW T5 mit Hamburger Autokennzeichen auf den Strandparkplatz rollte. Mit Phillip hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Er war gerade eh in der Gegend und wollte mal an seinem zukünftigen Hausstrand die Wellen checken. Jedoch stellte auch er fest, dass Huey an diesem Tag noch keine surfbaren Wellen für uns bereitgestellt hatte. Lediglich ein klein wenig Nordostswell schwabbelte ans Ufer.

Strandhütten in Zeeland

Richtige Wellen sollten sich erst im Laufe der ersten Tageshälfte am Samstag bilden. Der Tiefdruckkern überquerte Zeeland etwa um Mitternacht begleitet von einem kräftigen Gewitter und einer sprunghaften Winddrehung von Süd auf Nordwest. Im Verlaufe der zweiten Nachthälfte nahm der Nordwestwind immer weiter zu, so dass ich gegen vier Uhr dreißig das Klopfen an der Schiebetür anfangs gar nicht registrierte. Erst als es energischer wurde, ich das Wort „Politie“ vernahm und zusätzlich die Hunde anfingen zu bellen, wurde mir die Situation langsam bewusst. Dass die niederländische Polizei gerne mal sogenannte Protokolle in Form von gelben Zetteln verteilt, hatte ich vor knapp einem Jahr bereits an einem Molenspot weiter nördlich festgestellt. Damals konnte ich dem Beamten so gerade noch klarmachen, dass ich nicht im Auto übernachtet hatte. Dieses Mal war ich leider nicht ganz so gut vorbereitet und war nach wenigen Augenblicken stolzer Besitzer eines gelben Zettels im Wert von 140 €uro. Die offizielle Begründung lautete: „illegale Recreatie“, wobei das Wort „Recreatie“ mit „Erholung“ oder „Freizeitgestaltung“ übersetzt werden kann. Die Polizei hatte ordentlich zu tun, denn wir waren in dieser Nacht nicht die einzigen, die sich an diesem Strand vom grauen Alltag erholten. 

Sandstrahlgebläse

Samstag, der perfekte Tag, um endlich mal wieder etwas drinnen zu unternehmen. Der Ärger über die Bestrafung wegen „illegaler Erholung und/oder Freizeitgestaltung“ war längst verflogen. Der „illegale“ Blick aus dem Schlafzimmerfenster auf die tosende Nordsee direkt nach dem Aufwachen war an diesem Tag zwar kein Schnäppchen, aber letzten Endes jeden Cent wert. Draußen wehte der Wind mit soliden zehn Beauforts, kräftige Regenschauer und sonnige Abschnitte gaben sich stakkatoartig die Klinke in die Hand. Nun rückte die Stunde der Wahrheit näher. Eigentlich gab es nur zwei Endergebnisse für die bevorstehende Gassirunde mit den kleinen Fellmonstern: entweder nasser Hund, oder sandgestrahlter Hund. Leichte Bedenken meinerseits räumte meine Freundin, die Hundetrainerin ist, rasch aus. Für eine amtliche Morgentoilette gibt es zwar angenehmere Orte, aber am Ende zählt das Ergebnis – und es war irgendwie eine Mischung aus beidem: Sand und Wasser.

Grieschischer Landadel getarnt als Windhund

An Surfen war an diesem Tag zumindest in der Gegend nicht zu denken. Vereinzelt verirrten sich ein paar Kiter aufs Wasser. Ein durch Windkraft angetriebener Strandbuggy tauchte am einen Ende des Horizontes auf, zischte an mir vorbei und verschwand wenige Augenblicke später am anderen Ende des Horizontes. Auch eine Spotcheckerrunde an die anderen Spots der Halbinsel ergab ähnliche Resultate – Die Nordsee war durch den kräftigen Nordwestwind einfach zu aufgewühlt. Wir fuhren zur Abwechslung auf einen strandnahen Campingplatz, der mit knapp 25 €uro ein wenig günstiger war als die Strandvariante, dafür dann aber auch einen wunderschönen Ausblick lieferte – und zwar auf die Parzelle direkt nebenan, belegt durch einen riesigen Wohnwagen. Ich nutzte diesen seltenen Umstand für eine 14-minütige warme Dusche.

Morning Glass

Sonntag, zwei Fuß mit neun Sekunden und ein leichter ablandiger Wind... Ursprünglich war geplant, diesen Tag wie üblich am Strand zu beginnen – Schiebetür auf und Meerblick. Stattdessen klingelte pünktlich um fünf Uhr dreißig das Handy mit dem Lied „Whistels and bells“ von Oliver Onions und wir befanden uns nach wie vor auf dem Campingplatz. Draußen war es windstill. Eigentlich hätte ich erwartet, das Rauschen der Wellen zumindest leise zu hören. Es war jedoch absolut ruhig, nachdem ich den Wecker ausgestellt hatte. Leichte Nervosität machte sich in mir breit. Keine zwei Minuten später saß ich am Steuer, während die anderen Bewohner noch bzw. wieder tief und fest schliefen.

Einsetzender ablandiger Wind

Kurze Zeit später erreichte ich den Strand, wo bereits rege Betriebsamkeit herrschte. Die ersten Surfer saßen bereits im Wasser und auf dem Parkplatz machte sich schon eine weitere Handvoll Leute fertig zum Rauspaddeln. Die Wellen liefen deutlich geordneter an den Strand und hatten noch eine solide Größe. Wir warteten nicht allzu lange, zogen unsere Neoprenanzüge an und taten es unseren Vorgängern gleich.

Auf geht's!!!

Nach einer guten Stunde als privater Surfcoach nahm ich mir weiter draußen noch ein paar grüne Wellen. Diese waren an der Takeoffzone knapp schulterhoch und hatten noch ordentlich Druck. Als ich zum Frühstück wieder an Land kam, erwarteten mich schon ein paar bekannte Gesichter aus dem Rheinland, die zu fünft die Tagestripvariante gewählt hatten, eine Session surften und danach wieder zurückfuhren.

Da bin ich wohl ausgestiegen...

Noch bis etwa 18 Uhr genossen wir den Strand, bevor es wieder zurück ins nordwestdeutsche Binnenland ging.

Bild von boerni

Die Kanalratte

boerni on Di, 07/28/2015 - 21:02

hat sich gelohnt! Was kostet der Campingplatz? Ne Alternative zum Ticket?

Bild von Tim

Der Campingplatz

Tim on Mi, 07/29/2015 - 07:50

kostet für 1 WoMo, 2 Personen, 3 Haustiere und 4 Duschmarken a 7 Minuten 25 €uro pro Nacht. Das ist ein kleiner Campingplatz, der eigentlich nur frei war, da am Samstag (Bettenwechsel) bei dem Sturm die Autos mit Wohnanhängern gar nicht erst auf die Insel kamen. Fazit: In der Hauptsaison für Surfer keine wirkliche Alternative, es sei denn man hat hellseherische Fähigkeiten und weiß schon Monate im Voraus, dass genau an diesem Wochenende Wellen sind.