Tims Surfwetter
Den „Epic Days“ auf der Spur
Teil 1
12. Dezember 2010
Im folgenden Beitrag möchte ich Euch von einem Kampf erzählen, der schon seit über vier Milliarden Jahren stattfindet. Dieser Kampf ist fast so alt wie die Erde selbst und es gibt ihn, seitdem eine Atmosphäre unseren Planeten einhüllt. Er gleicht einem Kampf der Titanen, denn er setzt mehr Energie frei als ein Mensch sich vorstellen kann. Es ist der Kampf zweier Luftmassen, die um die Herrschaft über die mittleren Breiten streiten, der Kampf warm gegen kalt.
Dass die Nordsee ein nach Norden hin offenes Gewässer ist, dürfte unlängst bekannt sein. Gut 1500 Kilometer Wasserlinie sind es von der Westküste Dänemarks bis an die isländische Südküste, und dank dem Golfstrom sind diese auch im Winter fast durchgehend eisfrei. Dazwischen ist genug Platz, um bei der richtigen Windrichtung und –stärke ungestört Dünungswellen einer Scheitelperiode im zweistelligen Sekundenbereich in die Nordsee kommen zu lassen, genug Platz für einen „Epic Day“.
Es ist die Woche vor dem dritten Advent, eine Zeit der Besinnung. Das Weihnachtsfest steht vor der Tür, der Konsumterror ist im vollen Gange, und das aktuelle Wetter lädt zu Spekulationen ein, ob der kommende Winter ebenso hart und lang wird wie der letzte. Fakt ist, dass seit Ende November der Winter mit aller Macht nach Mitteleuropa vordringt und die Oberflächen von Binnengewässern und Fjorden langsam aber stetig zu Eis erstarren lässt.
(Foto: Tom)
Die Polarfront, eine schmale Zone, die warme Luft im Süden von kalter Luft im Norden trennt, schlängelt sich zu dieser Jahreszeit wie gewohnt mäanderartig zwischen dem vierzigsten und siebzigsten Breitengrad um die Nordhalbkugel. Manchmal bedarf es nur eines Lufthauches, sei es nun ein warmer Hauch aus dem Süden oder ein eiskalter Gruß aus dem Norden, und dieses scheinbar stabile System gerät mächtig ins Wanken. So geschehen Ende November, als sibirische Kaltluft die Temperaturen in Deutschland auch tagsüber unter den Gefrierpunkt sinken lässt und ein Schneesturm den Norden Deutschlands vorübergehend lahmlegt.
(Quelle: DWD)
Mittlerweile ist die Wetterlage ruhig aber keineswegs stabil. Der durch den ersten richtigen Vorstoß des Winters entstandene Kaltlufttrog verursacht eine mächtige Ausbeulung der Frontalzone über Mitteleuropa nach Süden hin, und hält die Temperaturen in seinem Innern auf Eisschrankniveau, während es drum herum etwa zehn Grad wärmer ist. Zwischen Island und Neufundland formiert sich die Polarfront neu. Der Kampf warm gegen kalt geht in eine neue Runde. Es ist ein ungleicher Kampf, in dem die Warmluft von vornherein keine Chance hat. Geschwächt durch die fehlende Sonnenenergie steht sie im Zwielicht der Polarnacht einem schier übermächtigen Gegner gegenüber. Dieser bezieht seinerseits Energie aus einem riesigen bis zu - 30°C heruntergekühlten Kaltluftreservoir über Grönland, und ist bereit zum finalen Schlag in Richtung Süden auszuholen. Derweil bäumt sich die auf immerhin + 15°C temperierte Warmluft, gespeist vom warmen Golfstrom westlich von Irland, ein letztes Mal gegen die Kälte aus dem Norden auf.
(Quelle: DWD)
Es kommt zu einer zyklonalen Verquirlung zweier Luftmassen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und zur Geburt eines Tiefdrucksystems. Dieses neu entstandene Tief kommt angeschoben durch eine lebhafte Höhenströmung rasch nach Südosten voran. Auf seiner Rückseite hat es eine riesige Menge arktischer Kaltluft im Gepäck, die ihrerseits wie ein Sumo-Ringer die Warmluft, den Verlierer des Kampfes, vor sich her aus dem Ring schiebt.
(Quelle: Wokingham Weather)
Das System zieht eine 1500 Kilometer lange Schleppe aus rückseitig angezapfter Kaltluft mit etwa 30 – 40 Knoten von Island aus kommend in Richtung Jütland hinter sich her. Unter ihr ist nichts als Wasser, flüssiges Wasser. Und dieses kommt richtig in Wallung, wenn Luftmoleküle mit einer derartigen Energie an seiner Oberfläche reiben. Aus einem leichten Kräuseln werden kleine Wellen, die sich auf dem langen Weg mit anderen Wellen vereinigen und zu größeren Wellen werden, sich auf dem weiteren Weg irgendwann mit anderen größeren Wellen zu Energiebündeln zusammentun und ihrerseits ihre Energie unter Erhaltung der selbigen in Richtung des Windes fortpflanzen.
(Quelle: DWD) Das Grüne sind übrigens die Wellen... ;-)
Dabei kommt es mit fortlaufender Strecke, den diese Energiebündel auf dem Wasser zurücklegen, zu einer Vergrößerung des Abstandes der Wellenberge untereinander. Dieses gegenseitige Aufschaukeln geschieht in diesem Fall solange, bis das Windsystem samt Wellen auf die dänische Westküste trifft.
Das geschieht am Tag vor dem dritten Advent. Stark auffrischender Nordwestwind, Regen und Temperaturen von fast +10°C machen auch den letzten Schneeresten den Garaus. Mit dem Wind nimmt auch die Wellenhöhe auf der Nordsee rasch zu. Von niederfrequenten Traumwellen gibt es jedoch noch keine Spur – Weißwasserchaos soweit das Auge reicht. Der erfahrene Nordsurfer nimmt es gelassen.
(Quelle: DWD)
Eine prognostizierte Winddrehung auf Nordost und eine Windabnahme auf 10 – 15 Knoten in der Folgenacht lassen ihn ruhig schlafen in freudiger Erwartung dessen, was auf ihn zukommt. Morgen morgen nur nicht heute…
(Quelle: Wokingham Weather)
Der 12. Dezember 2010, ein Tag der den anwesenden Nordsurfern noch lange in Erinnerung bleiben wird. Der Kampf der Titanen ist ausgefochten, die Kaltluft hat erwartungsgemäß gesiegt und die Luft vor Ort wieder auf den Gefrierpunkt absinken lassen.
(Foto: Tom)
Das Wasser hat noch angenehme 4°C und auf ihm wabern die Spuren des ungleichen Kampfes im Glanze der tiefstehenden Wintersonne. Aus dem Weißwasserchaos des Vortages ist etwa 6 Stunden nach der Winddrehung das geworden, wofür es sich lohnt, die lange Autofahrt, sowie am Strand 16 Stunden lang Dunkelheit, Kälte, Sturm und waagerecht ans Auto prasselnden Regen über sich ergehen zu lassen.
(Foto: Tom)
Immer und immer wieder …
Weitere Bilder und Blogs zu diesem "Epic Day" findet Ihr hier:
http://nordsurf-syndikat.de/specials/advent-advent
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hi tim, deluxe geschrieben!
Da Johnnie on So, 09/04/2011 - 11:09aber klar doch ...
Tim on So, 09/04/2011 - 11:16... und heute ist hier in DK "leider" der große Nordsee-Bluff
mkay
n3oka on Fr, 09/02/2011 - 12:44lush
olliolliolli on Do, 09/01/2011 - 14:01Richtig, richtig gut - hat
olliolliolli on Do, 09/01/2011 - 13:59Super
matthias2 on Mi, 08/31/2011 - 21:57Nice one! Super solide
Warrel52 on Mi, 08/31/2011 - 20:42...es sind Titanen
Joerg on Mi, 08/31/2011 - 20:16Der Kampf der Titanen...
boerni on Mi, 08/31/2011 - 18:34gefällt mir! Weiter so!!!
genial!
tripmaster on Mi, 08/31/2011 - 16:20und endlich die wissenschaftliche Bestätigung, dass da draußen irgendwelche Monster sitzen, die die Wellen anschieben ;=)