Bislang bestand das Surfjahr 2016 hauptsächlich aus der Echtzeitverifikation diverser Wellenvorhersagen mithilfe von Webcambildern, sowie dem Betrachten unterschiedlicher Interpretationen besonders fotogener Wellenereignisse im Nordsurfbereich anhand von Bildern und Blogs. Demnach konnte das Frühjahr aus surferischer Sicht bislang nicht so schlecht gewesen sein – zumindest für die Leute, die die nötige Zeit dafür gehabt haben.
Bereits Anfang des Jahres kristallisierte sich heraus, dass vor dem zweiten Märzwochenende das Surfen, wenn überhaupt dann nur im Kopf stattfinden würde. Dass solch eine weitläufige Vorausplanung auch mal in die Hose gehen kann, hat jeder Nordsurfer wahrscheinlich schon mal am eigenen Leib erfahren dürfen. So war es also auch nicht verwunderlich, dass für das besagte Wochenende bereits die Langfristvorhersagen (> 240h) absolute Flatness im Umkreis von 500 Kilometern androhten.
Am Atlantik lag es mit Sicherheit nicht. Denn der gab wie so häufig im Frühjahr sein Bestes, alle Nordsurfspots, die über entsprechende Swellfenster nach Nordwesten hin verfügen, mit ausreichend Dünung zu versorgen. Allein die belgische, niederländische und deutsche Nordseeküste sollte davon unberührt bleiben. Von der neu gegründeten Außenstelle Südwest in der Nordeifel blieb also nur der Blick über den Tellerrand hinaus, weit nach Westen, bis in die Normandie.
Die Normandie ist bekannt für Tidenunterschiede weit jenseits der fünf Meter. Bei einer Springtide (Neumond, Vollmond) kann der Gezeitenunterschied auch gerne mal auf bis zu zehn Meter anwachsen. Da unmittelbar vor dem zweiten Märzwochenende Neumond sein sollte, war auch hier mit etwas größeren Amplituden zu rechnen. Ich war gespannt, inwieweit ein Gezeitenunterschied von fast zehn Metern die Wellen bei angesagten drei Fuß und vierzehn Sekunden Periode beeinflussen würde.
Ein Blick auf den Routenplaner ließ mich erschaudern – 780 Kilometer einfache Strecke für einen kurzen Wochenendtrip an den nächsten Küstenstreifen mit Wellen – autsch… Aber was soll man machen? Zum Glück hatte ich auch dieses Mal wieder meine charmante Begleitung dabei, die mittlerweile mindestens genauso heiß aufs Surfen war wie ich.
Nach siebeneinhalb Stunden Autofahrt und anschließenden gefühlten zehn Minuten Schlaf wurde ich vom Rauschen der Wellen an einer bekannten Bucht auf der Contentin-Halbinsel geweckt. Weitere zehn Minuten später sollte der Wecker eh klingeln, also schälte ich mich aus dem Bett. Das Wasser war zu etwa dreiviertel aufgelaufen. Ein wenig gerädert unternahmen wir eine kleine Hunderunde am Strand. Der erste Wellencheck war eher ernüchternd – viel Closeout und Weißwassergeschiebe. Dennoch beschlossen wir, nicht weiter zu suchen, sondern erstmal hier ins Wasser zu gehen.
Als die Bretter bereit lagen und die Neoprenpelle endlich am Körper klebte, mussten wir etwas schmunzeln. Die Bucht, in der wir eigentlich surfen wollten, hatte sich in der letzten halben Stunde in einen Ententeich verwandelt – Hightide Flatness nennt man dieses Phänomen. Leider hatte ich die Springtide nicht mehr auf dem Zettel, die dafür sorgte, dass das Wasser noch mal einen guten Meter höher auflief, als normal. Dadurch gab es direkt am Ufer einen amtlichen Shorebreak, der mit einem Skimboard artgerecht hätte bearbeitet werden können – mehr aber auch nicht. Wir beschlossen, das Frühstück etwas vorzuziehen. Phillips und Amelies Blicke sprachen Bände, als sie uns im Neoprenanzug am Frühstückstisch sitzend vorfanden. Sie hatten die Nacht im Norden der Bucht verbracht, wo es ebenfalls keine Wellen zu haben schien.
Pünktlich nach dem Frühstück begann die Wasseroberfläche der Bucht sich wieder in formschöne Falten zu werfen. Am Strand hatte sich mittlerweile eine Vielzahl an Menschen in Neoprenanzügen versammelt, die allesamt darauf warteten, dass sich der Wasserstand endlich wieder absenkte. Überraschenderweise war es ein Standup-Paddler, der die erste Welle nach Hochwasser für sich verbuchen konnte. Die Herde folgte ihm auf unterschiedlichsten Wellenreitvehikeln. Ich entschied mich fürs 9‘8er und hatte nach drei Versuchen ebenfalls die erste Welle auf der Habenseite. Nach einiger Zeit leistete Anja mir Gesellschaft, und wir surften gemeinsam den restlichen Vormittag, bis wir nicht mehr konnten.
Den restlichen Tag verbrachten wir im nicht minderschönen Norden der Bucht – drei Kilometer Luftlinie, für die man nicht weniger als sechszehn Kilometer mit dem Auto fahren muss. Den gleichen Weg zurück nahmen wir am nächsten Morgen, denn der Norden war für eine Swellaufnahme leider etwas zu abgedeckt.
Die Sonne kam gerade hinter den Dünen hervorgekrochen, als Anja und ich – diesmal als erste – in Richtung Wasser marschierten. Die erste Welle des Tages teilten wir uns, bevor sich der Spot langsam aber sicher mit Wochenendsurfern füllte. Nach zwei Stunden Surfen und einem anschließendem Frühstück mit Phillip und Amelie neigte sich der Ultrakurztrip in die Normandie allmählich wieder dem Ende zu. Es folgte eine siebeneinhalbstündige Autofahrt, die uns wieder zurückführte, zurück in die Außenstelle Südwest im Norden der Eifel.
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Good one!
tripmaster on Do, 03/17/2016 - 13:45Surfen ist Motorsport blabla etc.
ein alter Hut und dennoch immer wieder bestätigt.
Freut mich, dass sich die lange Fahrerei für euch gelohnt hat!
Hauptsache Welle...
coldwaves on Mi, 03/16/2016 - 12:00...oder wie war das noch ;-) klasse Tim.