Eigentlich hatte ich mir die Vorbereitung auf den traditionellen Jahreswechseltrip nach Dänemark etwas einfacher vorgestellt. Vielleicht bin ich aber auch schon zu lange nicht mehr so richtig drin im Tagesgeschäft eines einsamen, nimmermüden, wellensammelnden Nordsurfers.

Diethelm, Felix, Horst, Josef, Edilbert, Gernot, Ingmar, Alja, Burghild, ... da verliert man doch irgendwann den Überblick

Der erste Dänemarktrip seit Ostern bahnte sich nach einem üppigen Weihnachtsfest nun endgültig an und ich starrte verwirrt auf die Wetterkarten. Die gewünschte Grunddünung im zweistelligen Sekundenbereich sollte zwar immer mal wieder bis an die Nordwestküste durchkommen, die stabile windarme Hochdrucklage jedoch leider nicht.

Das nördliche Mitteleuropa sollte nach wie vor in einem regelrechten Tiefdrucksumpf festsitzen. Im Vergleich zur Langfristprognose hatte sich mittelfristig nur die Lage der zahlreich gerechneten Tiefdruckzentren signifikant verändert. Die für solche Wetterlagen charakteristischen kurzen Zeitfenster mit windarmen Bedingungen waren in dem numerischen Chaos schwierig vorherzusagen und mussten demnach wohl oder übel für jeden Tag neu bewertet und routenmäßig geplant werden. Die einzige Konstante war dabei ein Tageslichtfenster von knapp sieben Stunden.

Strandspaziergang oder Surfen?

Zum Glück hatte ich zwei überaus verständnisvolle Hundedamen und meine wundervolle Frau dabei, die meine Spontanität bezüglich der täglichen Strandwahl stets mit der nötigen Gelassenheit und gesundem Humor mittrugen.

Immer dabei - meine Mädels

Im Sandwich der beiden Tiefs mit den Namen „Diethelm“ und „Edilbert“ sollte sich am 27.12. das einzige Flautenfenster auftun, das lang genug anhielt, um das legendäre Muschelriff bei nachlaufender Windwelle gepaart mit ein wenig Dünung temporär zum Leben zu erwecken. Leider reichte es bei mir nur noch für einen kurzen Schnappschuss mit dem Handy, bevor sich das Tageslicht für die nächsten achtzehn Stunden verabschiedete.

Gute Wellen - schlechtes Timing

Tags darauf hatte sich „Diethelm“ bereits in den Ruhestand abgemeldet, während „Edilbert“ immer noch seine feuchtwarme Vorderseite der Küste von Thy präsentierte. Bei leichtem Nieselregen und vier Grad, einem mäßigen Südostwind, dazu noch mit einer nachlaufenden Windwelle aus Südwest garniert mit einem Sahnehäubchen aus leichten Dünungswellen von Nordwest kommend fiel die Wahl auf ein bekanntes Fischerdörfchen mit einer langen und einer kurzen Mole.

Ihr wisst schon wo

Eine derzeit etwas gewöhnungsbedürftige Anordnung der Sandbänke ließ nicht viele Optionen offen. So entschied ich mich für einen Sandhaufen querab der Stummelmole. Hier gab es nicht nur ausreichend Platz und annehmbare Bedingungen für die Allzweckwaffe (BIC 9‘0), sondern auch die Gewissheit einer durchweg mangelhaften Paddelfitness.

Links oder rechts?

Während sich im Anschluss die Einheimischen beim Winterschwimmen abhärteten, füllte ich die Energiespeicher mit Pölsermix und Bier im Caffeen wieder auf.

Wasser hatte angenehme 6°C

„Edilbert“ hatte immer noch nicht genug und schickte mit einer südwestlichen Strömung nun etwas labilere Luft nach Thy. Das hatte zur Folge, dass sich das trübe Dauergrau zwar langsam etwas aufklarte, die eingeflossene Höhenkaltluft aber für ein paar nette Wölkchen am Himmel sorgte, aus denen es zeitweise graupelte.

Kleiner Graupelschauer für zwischendurch

Nach der täglichen Hunderunde entschloss ich mich, noch einmal in das Fischerdörfchen zu fahren. So schlecht fand ich Wellen tags zuvor nicht. Der Blick vom Lineup aus auf die von der tiefen Nachmittagssonne schräg angestrahlten Cumuli entschädigten den eher mäßigen Surf bei nun deutlich mehr Windchop, der auch an diesem Tag seinen Abschluss im Caffeen (1x wie immer) fand.

Manchmal ist der Himmel interessanter

Während ich am Abend die Wetter- und Wellenkarten für den nächsten Tag studierte, schickte „Edilbert“ noch einen letzten kalten Gruß. Bevor er endgültig nach Norden abzog, kamen wir noch einmal in den Genuss seiner Rückseite. Ein bis zwei kleine Schneeschauer in der Nacht reichten aus, um Thy vorübergehend in ein Winterwunderland zu verwandeln. Als sich die Dunkelheit am Vormittag langsam in einen Grauschleier verwandelte, war von dem Schnee fast nichts mehr übrig.

Use your Nose!!!

Nach achtzehn Stunden Dunkelheit stand nun „Gernot“ in den Startlöchern. Vorderseitig seiner Warmfront schob er aus südöstlichen Richtungen eine kontrastlose Luftmasse in unzähligen Grautönen vor sich her, aus der bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt zeitweise etwas Schneegriesel fiel. Die Wellen kamen weiterhin aus Südwest, so dass sich ein Klassiker für den südlichen Teil von Thy andeutete.

Neuer Tag, neues Glück

Fast hätte ich den Parkplatz am „Langen Johannes“ übersehen, dem etwas Entscheidendes fehlte. „War hier nicht letztens noch eine öffentliche Toilette?“, eine berechtigte Frage, die vom Beifahrersitz aus gestellt wurde. „Hmm… abgerissen? Weg rationalisiert? Kein Wunder, dass man sich hier unlängst über zugesch… Dünen beschwert hat.“ Nach erfolgreicher Parkplatzsuche fiel bei genauerem Hinsehen eine dunkle, kahle Schneise auf, die sich von Südwesten her über die Dünen bis hin zu dem Ort zog, wo früher mal das Klohäuschen stand. Ok, ich war echt lange nicht mehr hier, dachte ich, als wir die Hunde für die Wellencheckerrunde am Strand klarmachten.

Da gehe ich doch mal rein, oder?

Meine Frau und die Hunde wollten noch weiter, als wir an der Mole ankamen. Ich jedoch machte bei dem Anblick sofort auf dem Absatz kehrt, ging zurück zum Auto und zog mich um. Der „Lange Johannes“ ist die Superzicke unter den Diven. Noch von früher wusste ich, dass wenn man sie laufen sieht, man nicht allzu lange überlegen sollte, ob man nun reingehen soll oder nicht.

Yoah... war ganz nett

In diesem Fall war die Sorge völlig unbegründet. Als ich etwa fünfzehn Minuten später mit dem Noserider am Strand stand, lief nach wie vor ein amtlicher Linkshänder etwa hüfthoch und noseride-tauglich nicht weniger als fünfundsiebzig Meter bis an den Strand. Meine Paddelfitness war am dritten Tag zwar immer noch nicht zufriedenstellend, aber immerhin hielt die Paddelpower für gute zwei Stunden und gefühlt dreißig Wellen.

Party im Untergrund

Zu Silvester sollte der große Auftritt von „Horst“ sein. Eigentlich hatte ich mir dafür die Nordküste ausgeguckt, nur leider kam der Wind dafür dann doch etwas zu östlich. Auf der Hunderunde am Strand, wo die Olsen-Bande in den Siebzigern schon ihr Unwesen trieb, etablierte sich zum langperiodischen Swell von links noch eine hochfrequente Windwelle von rechts. Das ganze sah nicht surfbar aus. Für die große Spotcheckerrunde waren wir nach hinten heraus strategisch leider zu weit nördlich positioniert. Pünktlich um sechszehn Uhr wurde überall das Licht ausgeknipst, während die Surfparty zum Jahresabschluss unter anderem im Untergrund gefeiert wurde.

Die Quoten SUPper dürfen natürlich nicht fehlen - immerhin war an dem Strand im sommer SUP-WM

Eine Chance gab ich der Nordküste noch. Mittlerweile schrieben wir das Jahr 2018, die Tiefs bekamen also wieder weibliche Namen. Jedoch gab es zu Neujahr noch zwei Protagonisten, die um die Gunst des gemeinen Nordsurfers buhlten. Zum einen war da noch „Horst“, der mich tags zuvor noch ziemlich dumm aus der Wäsche hat schauen lassen und nun schon auf dem Weg nach Skandinavien war. Zum anderen bahnte sich „Ingmar“ seinen Weg geradewegs durch den englischen Kanal in die südwestliche Nordsee.

Nun aber schnell ins "Wohnzimmer"

Der Wind kam an der Nordküste nun aus der richtigen Richtung und auch Swellunterstützung war an dem Vormittag reichlich vorhanden. Es wurde also höchste Zeit, das „Wohnzimmer“ aufzusuchen. Und so gab es auch standesgemäße, langbretttaugliche Druckwellen, die sich über den Teil des Feuersteinriffs schälten, wo früher mal ein Stückgutfrachter auf Grund gelaufen ist. Bei bestimmten Konstellationen ist dieser Spot einfach eine Bank – das Wasser darf halt nur nicht zu hoch stehen. Nach drei richtig guten Linkshändern wurden die Wellen leider immer runder und irgendwann auch für das Longboard nicht mehr anpaddelbar.

... und wieder der Klassiker

Es wurde langsam Zeit für „Horst“ und „Ingmar“, die Welt der tiefen Luftdrücke für ein Jahr den Frauen zu überlassen. Während „Alja“ sich nun um die Bildung und den Transport der langperiodischen Dünungswellen vom Nordatlantik hin in die nordwestliche Nordsee kümmerte, entwickelte sich „Burglind“ vom Schellläufer entlang „Aljas“ Frontalzone hin zum eigenständigen Nordseetief.

Auf dessen Vorderseite sollte es an unserem letzten Tag in Thy noch einmal den Klassiker am „Langen Johannes“ geben. Noch kraftvoller und noch länger liefen die nach wie vor eher für Longboards tauglichen Linkshänder über die Sandbank.

Wenn das mal nicht der Börni ist

Nach gefühlt weiteren dreißig Wellen nahmen wir die Fähre, genossen noch zwei weitere Tage an einem dänischen Westküstenklassiker mit reichlich Swellunterstützung von „Alja“ und immer besser werdenden Wetterbedingungen hervorgerufen durch ein Hoch namens „Adam“.

Hier geht es zu meinen übrigen Bildern und hier zu Börnis Bildern.

Bild von tripmaster

Mann, wie habe ich das vermisst !

tripmaster on Do, 01/11/2018 - 14:59

Danke Tim.

Bild von coldwaves

Ach ja...

coldwaves on Di, 01/09/2018 - 19:48

...vielleicht sollte ich auch mal wieder in den Norden fahren. Klasse Bericht Tim (Daumenhochsmilie) ;.)