Kleine Zeitfenster

Teil I

Immer wieder Freitag

Manchmal ist es zum Haare raufen. Voller Vorfreude aufs kommende Wochenende schaut man sich Anfang der Woche die Mittelfristvorhersage an und stellt fest, dass spätestens Freitagmittag schon wieder alles durch sein soll. Montag bis Donnerstag sitzt man sabbernd vor der Webcam, nur um zu checken, wie es aussehen könnte, wenn sich dieser verflixte Swell doch endlich mal bis ins Wochenende retten würde. Manchmal springt einem die Realität mit dem nackten Hintern förmlich ins Gesicht.

Quelle: Magicseaweed

Letzte Woche bahnte sich mal wieder etwas Ähnliches an - fast unbemerkt von Gewittern, Starkregen, Überflutungen, Hitzeterror, … also fast unbemerkt vom mittlerweile ganz normalen Sommerwahnsinn.

Quelle: Magicseaweed

Das ist zu früh, dachte ich. Die gängigen Prognosemodelle verbreiteten für den gemeinen Arbeitnehmer keinen sonderlich großen Optimismus. Aber immerhin sollte der Dünungen begünstigende Wind an der richtigen Stelle mit der richtigen Richtung und Stärke auf dem Atlantik nicht wie die letzten Male nur von Samstag bis Dienstag wehen, sondern auch noch am Mittwoch. Vom Winkel her nicht ganz optimal, aber vom Zeitfenster sollte es zumindest für den Freitag noch passen - wenn der lokale Wind mitspielt.

Glassy, aber wie lange noch?

0,4 Fuß mit 11 Sekunden klingen jetzt nicht sonderlich spannend. Ein wenig zu viel küstennaher lokaler Wind, und vom Swell würde nicht ein bisschen was an die dänische Nordseeküste kommen. Zum Glück beendete gerade ein kleines unscheinbares und vor allem windarmes Gewittertief aus dem Südwesten kommend den Sommer in Mitteleuropa. Mit seinem windstillen Zentrum sollte es die dänische Nordseeküste einmal komplett von Süd nach Nord in langsamem Tempo vermessen. Sollte es tatsächlich vor der dänischen Nordseeküste an einem Wochenende Swell geben? - Ja, wenn die Tide passt.

Gar nicht so klein...

Nach der Tide hatte ich leider nicht mehr geschaut, bevor ich um 10 Uhr 30 Feierabend machte und anschließend ziemlich zügig das Büro verließ. Drei Stunden später stand ich auf der Düne und stellte fest: Jaaa, es passt fast alles, nur das Wasser steht etwas hoch. Ein Telefonat später hatte ich die Gewissheit, dass ich noch locker ein bis zwei Stunden Siesta machen könnte, bevor… ja, bevor was eigentlich? Bevor der Swell ganz durch ist? Bevor der Wind auf Südwest dreht und auffrischt? Bevor die Wochenendsurfer alle da sind und es nachher megavoll ist? Ich beschloss, mit dem SUP ein wenig die Peaks abzuklappern, von denen mir in Sichtweite gerade mindestens vier Stück entgegen grinsten.

Von der Tide her nicht ganz perfekt

Es war fast absolut windstill und es war kein Surfer weit und breit da. Sollten nicht längst schon Sommerferien sein? Bis auf die 0,4 Fuß hohen, linienförmigen Energiepakete, die alle paar Minuten in Sets von drei bis vier Wellen in Abständen von 11 - 12 Sekunden unter mir durchflutschten, war die Wasseroberfläche glatt. Ich nahm mir gefühlte zehn Wellen von einem nach rechts brechenden Punkt aus. Die Wellen waren wesentlich druckvoller als ich dachte und hatten mit solider Hüfthöhe am brechenden Teil eine gute Größe. Ich überlegte kurz, aufs normale Longboard umzusatteln, blieb aber noch ein Weilchen am Peak stehen. Allmählich wurde die Wasseroberfläche schwabbeliger und kündigte unweigerlich den immer näher rückenden Südwestwind an.

... aber zum Glück gibt es ja viele Peaks in der Gegend

Nach gerade einmal zwei Stunden beendete der merklich auffrischende Wind meine Session. Zumindest hatte ich auf dem langen Paddelstück zurück zur Höhe des Parkplatzes Rückenwind und nach der Session ein tiefenentspanntes Gefühl. Das Zeitfenster war wirklich klein und das Wochenende fing gerade erst an.

• Tim's blog
• Anmelden oder Registrieren um Kommentare zu schreiben