Eigentlich schon fast ein typisches Sommer-Setup: Ein Nordmeertief steuert an seiner südlichen Flanke eine Reihe von kleineren Tiefdruckgebieten in unseren Bereich. Der dadurch entstehende Mix aus Sonne, Wolken und Regen interessiert uns hier nur am Rande. Wichtig für uns ist hier natürlich die Windverteilung über den Seegebieten. Wenn man sich die Kurzfristprognose des amerikanischen GFS-Modells von Donnerstag 12 Uhr für Freitag 12 Uhr zu Gemüte führt, kann man neben dem lebhaften Westwind über der Nordsee noch ein markantes Feld westlich von Norwegen ausmachen, in dem der Wind aus nördlichen Richtungen genau auf die Nordsee zuweht.
Zum Samstag hin passiert dann etwas Interessantes. Das nachfolgende Teiltief nimmt eine etwas südlichere Zugbahn und verursacht über der nördlichen Nordsee einen südöstlichen Wind. Dieser kann sich jedoch noch nicht so richtig gegen den Westwind des vorangegangenen Teiltiefs durchsetzen, und somit heben sich vor der Nordwestküste Dänemarks beide Windsysteme gegenseitig auf.
Die daraus resultierende Flaute hat GFS als erstes von den gängigen Wettermodellen auf der Pfanne, so dass sich in diesem Fall ausnahmsweise mal der Blick auf den WindGURU lohnt.
Demnach erwartet mich am Freitag also ein windiger Tag mit solider Windsee. Bis weit in den Samstag hinein läuft diese Windsee bei einem so gut wie nicht vorhandenen ablandigen Wind mehr oder weniger geordnet nach. Die durch den Nordwind über dem Nordmeer entstandene Dünung sollte man bei seiner Planung natürlich nicht unberücksichtigt lassen und könnte am Sonntag für die eine oder andere Überraschung sorgen. Das sind Voraussetzungen, die ein norddeutsches Surferherz im Sommer vor Freude hüpfen lassen würde. Der verwöhnte Wintersurfer hingegen schaut gelassen einem nicht ganz so perfekten, aber immerhin soliden Wochenendsurf an NOCH nicht allzu vollen Stränden entgegen.
Allmählich sind die Nächte frostfrei, so dass das eine oder andere sperrige Teil mittlerweile unter der Woche im Auto bleiben kann. Das erspart einem viel Packarbeit am Freitagmorgen. Mitte März geht die Sonne etwa um 18 Uhr 30 unter, so dass man am Freitag nach getaner Arbeit gar nicht mehr groß rumhetzen brauch. Eine „Afterworksession“ ist auch bei entspannter Fahrweise noch locker im Bereich des Möglichen.
Vom Winde verweht zeigen sich die Wellen am bekannten Strand mit der langen Mole im Nordwesten Dänemarks. An dem Tag ist das sicherlich die einzige Option in der Gegend, also mache ich mir gar nicht erst die Mühe, noch großartig herumzusuchen. Alle drei Peaks auf der „Spielwiese“ sind an, und werden selbstverständlich alle von mir beritten. Eine relativ drucklose Linke an der langen Mole, die Stummelmole wie immer kurz und steil und eine Outside, die zum Cruisen einlädt.
Das Nachtlager an einem windgeschützten Ort aufgeschlagen, bekomme ich auch gar nicht mehr mit, als sich der Westwind des Nachts für dieses Wochenende endgültig verabschiedet. Am nächsten Morgen werde ich vom Regen wach, der unaufhörlich auf das Blechdach meiner mobilen Wochenendwohnung prasselt. Drinnen sind es angenehme 20°C, draußen etwa 19 Grad weniger. Es wird langsam – sehr langsam – hell, so dass ich leichte Motivationsprobleme habe, mich aus meinem Bett herauszuschälen. Zwei Becher Kaffee wirken jedoch Wunder, sodass meine morgendliche „Spotcheckerrunde“ beginnen kann. Der erste Spot ist das öffentliche WC, auf dem ich feststelle, dass Fugi ebenfalls den Weg in das bekannte Fischerdorf mit der langen Mole gefunden hat. Gemeinsam stellen wir fest, dass sich zumindest außerhalb des stillen Örtchens kein Lüftchen regt, und dass das doch ein guter Zeitpunkt sei, um eines der Muschelriffe zu checken. Vor Ort erwartet uns jedoch das Grauen. Die Wellen sind ziemlich ungeordnet, dazu gibt es noch Strömung vom Feinsten und einen Schneeregenschauer. Also wieder zurück zum Ausgangspunkt, wo es ja vorhin eigentlich gar nicht so schlecht aussah.
Der Parkplatz vor Ort füllt sich allmählich mit Surfmobilisten, also nicht lange überlegt, ab in die Neoprenpelle und nichts wie aufs Wasser. Die Outside hält, was sie verspricht, peakt weit draußen für den „Takeoff“ verhältnismäßig steil an, wird wieder etwas flacher, bevor sie sich kurz vor der Stummelmole für den „Finishingmove“ ein letztes mal steil und schnell macht. Abwechslungsreiche Wellenritte von weit mehr als 30 Sekunden, das richtige Board natürlich vorausgesetzt, sind da keine Seltenheit. Fast unbemerkt schiebt sich gespenstisch anmutend der Nebel des Grauens mehr und mehr über die Szenerie. Von der Outside aus kann man den Strand immer schwieriger ausmachen – leider zu gefährlich! Die anschliessende Fotosession in der Nebelsuppe wird zu einer „misson impossible“.
Nach zwei Stunden lichtet sich der Nebel vorübergehend, so dass einer zweiten Session nichts mehr im Wege steht. Leider läuft die Outside nicht mehr komplett durch, dennoch ist nach wie vor „Cruisen deluxe“ angesagt. Ein paar weitere bekannte Gesichter sind aufgetaucht: Jens von der BLUE mit Photograph Tom im Schlepptau – bin schon ganz gespannt auf die Bilder – sowie Uli und Nordsurf-Jens, dessen Erscheinen an diesem Spot eigentlich ein Garant dafür ist, dass es woanders nicht ordentlich läuft. Mittlerweile sind weit über zehn Leute im Wasser, so voll hab ich es dort in diesem Jahr noch nicht erlebt. Das Wasser ist immer noch lausig kalt, aber der Frühling rückt unaufhaltsam mit Siebenmeilenstiefeln näher und der „Surferdude“ wird langsam unruhig. Spätestens ab Ostern werden wir hier wieder mit einer „normalen“ Anzahl von 30 – 50 Surfern bei im allerbesten Falle solchen Bedingungen leben dürfen.
Nachtrag: Die Erwartungshaltung bezüglich dieses Wochenendes war bei mir nicht sehr hoch – verwöhnter Schnösel ;-) … – dennoch bin ich mal wieder angenehm überrascht worden von der Wellenqualität und auch von der Wellenkonsistenz. Eigentlich hatte ich am Samstagabend schon innerlich abgeschlossen, hatte insgesamt drei überdurchschnittlich gute Sessions, und alles in allem war das das dritte Wochenende in Folge mit richtig guten Bedingungen. Alles was noch kommen sollte, konnte für mich nur noch als Zugabe fungieren, und das war in dem Fall das Muschelriff. Der frühe Vogel fängt ja bekanntlich den Wurm...
... und so war ich zusammen mit zwei weiteren Frühaufstehern zum ersten Tageslicht auf dem Wasser. Die nachlaufende Windsee war weg, dafür kam umso mehr die anfangs angesprochene Dünung zum Vorschein. Leider war die Tide ein wenig ungünstig, was dazu führte, dass die Bedingungen zwar anfangs noch sehr gut, aber im Laufe der Session mit zunehmendem Wasserstand immer schlechter wurden. Die Sets peakten immer weiter vorne, wurden subjektiv kleiner und die Pausen dazwischen immer länger. Das war einer der wenigen Momente, in denen ich mir den Sommer herbeiwünschte, denn das Gefühl machte sich in mir breit, dass es 2 – 3 Stunden zuvor wohl richtig gut gewesen sein musste. Leider war es zu der Zeit noch dunkel. Im Sommer wäre ich garantiert um 4 Uhr auf dem Wasser gewesen. Mit niedrigerem Wasserstand poppte im Laufe des Tages auch die Dünung wieder hoch. Ich hatte jedoch keine Motivation mehr, nochmal in den nassen Neoprenanzug zu steigen, war soweit durch und sehr zufrieden mit mir und dem Surf.
- Tim's blog
- Anmelden oder Registrieren um Kommentare zu schreiben
schönes Ding!
cargo on Di, 03/15/2011 - 10:28Zitat:"Bei uns in ETNW reden
Tim on Di, 03/15/2011 - 19:09Zitat:"Bei uns in ETNW reden die "Frösche" genauso!"
Dann grüß doch vor Ort den Captain Freeze mal ganz nett von mir.
logo...mach ich!
cargo on Di, 03/15/2011 - 23:55sauber!
tripmaster on Mo, 03/14/2011 - 19:05wieder ein klasse Blog, Tim! Nur die Erläuterungen zu den Wellen produzierenden Wetterkonstellationen solltest Du ein bisschen zurück fahren. Sonst weis bald jeder Bescheid, wann es sich lohnt rauf zu fahren ;=)