Surfing Pilgrim

Teil II

 

immer den Muscheln folgen, hier nach rechts

28.06. Santiago de Compostela

Außer für ein paar Bestellungen in Cafes habe ich kein Wort gesprochen. Ich wandere durch Santiago. Es regnet. Santiago soll ja die regenreichste Stadt Spaniens sein, was ja im Vergleich zu Deutschland noch nicht viel heißen muss. Ich gehe noch mal in die Kathedrale, will unbedingt den schwingenden Weihrauch sehen. Das ist eine alte Tradition, um den Geruch der ungewaschenen Pilger zu übertünchen.

29.06. Santiago de Compostela

Eigentlich habe ich nun genug gesehen und will wieder ans Meer. Aber heute kommt Udo, der will bestimmt noch in Santiago bleiben.

Kaum ist er da, hat seine Siebensachen im Bus verstaut, zeigt er mir seinen alten Merian Reiseführer von 1970 oder so. Den hat er während des Fluges gelesen und ist nun hoch motiviert. Voller Tatendrang erzählt er mir von der tollen Baukunst, die es in Galicien zu entdecken gilt. Sind wir zum Surfen hier oder zum Sightseeing? Ich zügle meine Ungeduld und weise Udo nur diplomatisch darauf hin, dass seine Zeit hier in Nordspanien begrenzt ist und man da vielleicht doch Prioritäten setzen muss.

Als er auch noch das Stichwort Coruña erwähnt, bin ich doch etwas ungehalten. Da will ich nun erst einmal nicht wieder hin, da kenne ich wirklich jeden Bordstein und jeden Surfshop. Udo merkt recht schnell, dass es da so einige wunde Punkte in meiner aktuellen Biographie gibt, die er noch nicht kennt und wir belassen es erst einmal dabei, dass ich mich damit einverstanden erkläre, den nächsten Tag auch noch in Santiago zu verbringen. Nachmittags soll es dann an die Küste gehen.

Meine Taktik für den nächsten Tag ist klar: ich erzähle ihm gar nicht erst, was ich schon alles tolles in der Stadt gesehen habe, dann will er das womöglich auch noch sehen ....

Erkenntnisse der Tage: Manchmal ist es gut, seine Klappe zu halten.

 

über den Dächern von Santiago

13. Etappe südlich von Porto do Son

Yeah, endlich wieder das Meer schnüffeln. Am Abend trudeln wir an unserem nächsten Standort ein. Den Bus ordentlich mit Lebensmitteln voll geladen geht es nun wieder an die Selbstversorgung.

Wir nehmen uns einen fast leeren Campingplatz. Hier gibt es sogar Pinien für Hängematten. Udo hat seine sofort aufgehängt. Ein gutes Zeichen, das deutet daraufhin, dass wir hier wohl länger Station machen werden. Vergessen sind die kulturhistorischen Städte. Und endlich Wellen! Nix dolles, aber man wird ja so dankbar. Von hier haben wir einen perfekten Blick bis nach Louro. Ob jetzt wohl der Sohn vom Campingplatzbesitzer dort auch surfen geht?

Hier ist kaum etwas los, wir teilen uns die Wellen mit einem Spanier und einem österreichischen Pärchen. Dafür müssen wir allerdings auch einen 10 minütigen Weg auf uns nehmen. Belohnung sind herrlich weiße Sandstrände, mit Dünen und Bohlenwegen. Das Wasser ist ungewöhnlich warm.

Das soll hier übrigens einer der Umschlagplätze für Drogen aller Art sein. Laut meines Reiseführers.

Das regt meine Phantasie an:

Die Drugs könnten hier sozusagen per Schiff praktischerweise direkt nachts am Strand angeliefert werden. Würde ja kaum jemand mitkriegen.  Könnten ja auch Fischer oder muschelsucher sein. Das ganze Dorf ist also von der Drogenmafia unterwandert. Denn ohne die geht es hier nicht voran. Der Bauer auf seinem Trecker transportiert die Ware von den Dünen zum Campingplatz, dort wird sie in den Wohnwagen der Dauercamper im Kochzelt aufbewahrt, vielleicht auch verschnitten, jetzt weiss ich endlich warum die Kochzelte in Spanien so beliebt sind. Die harmlos drein blickende Fleischereiverkäuferin im del dia Laden verkauft dann die Ware unterm Ladentisch, das Fleisch ist nicht die wirkliche Einnahmequelle. Habe mich auch schon gewundert, warum zwei super Rinderfilets nur 3,40 € zusammen kosten. Der dicke nach Pulpo riechenden Kneipenbesitzer informiert die Mafia über die neuen Lieferungen macht das Catering für die Lieferanten. Also alles prima organisiert.

Wir haben von der Sache aber nichts mitbekommen. Außer Hundegebell und ständigem Hähne krähen war hier alles scheinbar ganz friedlich. 

Von dem Schiffsunglück der Prestige vor einigen Jahren ist hier auch nichts zu spüren. Die sehr gute Wasserqualität ist prämiert worden. Wie schnell doch so etwas in Vergessenheit gerät. Draußen vor der Küste sieht man weiterhin am Horizont so einige Tanker entlang ziehen.

Wir bleiben ganze 5 Tage hier, surfen regelmäßig, endlich mal. Nach den vielen Unwegsamkeiten ist das die Belohnung.

Als dann das Wetter wechselt und es stürmt und regnet, entscheiden wir uns für die Weiterfahrt. Vorher noch einige Postkarten in einen verrosteten Briefkasten im Dorf geschmissen. Sie sind bis heute nicht angekommen!

Erkenntnisse der Tage:

Ein Dorf mit verrostetem Briefkasten könnte ein Indikator für einen leeren Surfstrand sein. Aber die Mafia hat das eigentlich nicht nötig.

 

14. Etappe O Grove

Die spanischen Prospekte preisen überall Playa de Lanzada an. Surfen soll man ja da auch können. Kann man auch, wenn man das Wasser noch sieht, zwischen all den 70 Surfern, die da neben einander dümpeln. Es ist schon verwunderlich. Nicht weit weg von Porto do Son, verändert sich das Bild Galiciens extrem. Es ist überall sehr touristisch. Cambados erinnert an ein französisches Mittelmeerörtchen. Die Insel O Grove ist völlig zugebaut. Schade um die kleine Halbinsel, denn eigentlich war sie wohl mal ganz beschaulich mit ihren weißen Stränden und tollen Felsbuchten.

Udo findet es gar nicht so schlimm. Und sein Stimmungsbarometer singt, als ich mich über die spanische Bauwut ereifere. Noch schlimmer finde ich, dass er es gar nicht so schlimm findet. Sorry Udo :o). 

Wir bleiben eine Nacht. Morgen geht es langsam wieder gen Osten.

Erkenntnis des Tages: Man muss nicht alles was man scheiße findet laut sagen und ständig wiederholen, dass macht schlechte Laune.

 

 

15. Etappe Valdoviño

Vorbei an Santiago und Coruña geht es in den Norden Galiciens. Schon am ersten Abend erwarten uns Wellen in der Bucht von Valdoviño. Hier haben sich insbesondere die Bodyboarder etabliert. Ein fantastischer Shorebreak lockt die verrückten Shark-bisquits in die Wellen und ich mache viele Fotos. Hier treffen wir auch ein paar sympathische Surfer aus Essen, Hannover und Göttingen. Bis spät in die Nacht tauschen wir unsere Reiseerfahrungen aus.

Den nächsten Tag gehen wir daraufhin etwas langsamer an.

In Galicien wachsen die Hortensien wie Unkraut und sehen aus wie überdimensionale Badekappen der älteren Generation. Wir pflücken eine von den Badekappen und stellen sie in eine improvisierte Vase. Mehr passt dann auch nicht mehr auf unseren kleinen Campingtisch.

Hortensien

Meistens surfen wir abends, dann lässt der Wind nach und die vielen spanischen Badegäste geben die Bucht frei. Es ist nämlich recht voll. Eine Menge Urlauber kommen aus den umliegenden Städten wie Ferrol oder Coruña. Valdoviño ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.

Trotzdem verteilt es sich ganz gut in der langen Bucht. Ganz im Gegensatz zu Pantin. Der Spot hat zwar die besseren Wellen, ist aber sehr voll. Die Surfschule ist hier anzutreffen, eine Menge sehr guter Locals und natürlich viele reisende Surfer, so wie wir.

 Pantin

Am dritten Tag mal wieder in ein Petermännchen getreten. Das ist der Dritte in vier Jahren. Unangenehm, aber wenn man weiß, dass der Schmerz auch irgendwann wieder nachlässt, ist es aus zu halten. Heute Abend gibt es Fisch zum essen, das schwör ich. Am besten den schmackhaften Petermann.

Die Wahrscheinlichkeit, von einem Petermännchen gestochen zu werden, ist ja eigentlich gar nicht so hoch, vielleicht so wie ein Sechser im Lotto? Meinen ganzen Freunden ist das jedenfalls noch nicht passiert.

Wenn ich zuhause bin, werde ich anfangen, Lotto zu spielen.

Abends geht die Heckklappe nicht mehr auf. Udo meint, man könnte ja auch von innen alles ein- und ausräumen. Ich werde leicht ungehalten. Ich kann mich immer noch nicht gut mit den Unpässlichkeiten meines Autos abfinden. So steht mal wieder ein kurzfristiger Besuch in der Autowerkstatt an.

Am letzten Tag nette Surfbedingungen fürs Longboard. Surfe mit den Fischen, die in Schwärmen in den Wellen auf mich zuschwimmen, während  ich rauspaddel. Udo ist neidisch, er kommt längst nicht so gut in Fahrt. Das Wasser ist absolut glatt. Wir bleiben bis es dunkel wird und das ist spät, fast 23 Uhr.

Erkenntnis der Tage: Der Schmerz, verursacht durch Petermännchen, lässt sich mental ignorieren, wenn die Wellen gut sind

 

16. Etappe Tapia

Wieder in Asturien. Auf dem Weg dorthin in einer Bucht Delphine beobachtet. Wir machen halt in Tapia und suchen erst einmal die Surfspots. Die verstecken sich etwas in den engen Buchten. Der Hausstrand Tapias ist ab Siesta -time gut gefüllt. Bei Flut werden die Surfbedingungen schlechter, aber die Zahl der Badegäste und Surfer nimmt ab. Wir gehen in das warme Wasser und haben an diesem Abend noch viel Spaß. Danach geht es mit hungrigen Mägen nach Tapia rein. In der Hafenmole tobt das Leben und wir gehen sehr gut essen! Die Weine sind hier übrigens günstig und lecker! Haben alle Riojasorten ausprobiert. Im Dunkeln spazieren wir beschwingt an den wunderschönen Felsen und der beleuchteten Stadt entlang.

Erkenntnis der Tage: Manchmal ist die scheinbar schlechtere Wahl die bessere Wahl.

 

Viveiro

17. Etappe Playa Vega

Wohlbehalten in Playa Vega nach erneuter Autopanne angekommen. Ich gebe es zu, ich bin jetzt ganz schön angefressen und kurz davor, mein Auto sofort bei Ebay zu versteigern. Diesmal war es die Dieselleitung, die porös war. Gerade noch rechtzeitig hatten wir eine VW Werkstatt erreicht. Die wollten uns aber nicht helfen. Keine Zeit. Unten tropfte es weiter stetig aus dem Auto und stank nach Diesel. Weiter kamen wir mit dem Wagen nicht. Meine Tupperschale diente inzwischen als Auffangbecken. Der „VW Experte“ hatte ein schlechtes Gewissen, kam raus, schaute sich das Desaster an, fragte nach dem Kühlwasser. Also nach Kühlwasser sah das nun wahrlich nicht aus und es roch auch nicht so. Dann musste der  ADAC halt wieder ran. Die haben echt noch was gut bei mir!!! Wirklich ein super Service. Auch jetzt waren sie nicht ungehalten über die erneute Autopanne, ließen den Wagen von einem netten Spanier abschleppen, bezahlten unsere Taxikosten und wir landeten in Gijon in einer Boschwerkstatt.  

Nach einer Stunde ist die Sache erledigt und wir konnten weiter nach Playa Vega fahren.

 

 Playa Vega

Der Ort liegt wunderschön. Umgeben von großen Felsen, auf einer schmalen Straße durch Eukalyptuswälder erreichbar, wirkt es, als wäre man irgendwo in Südamerika. Das kleine Dorf besteht nur aus ein paar Cafes, Restaurants und Wohnhäusern. Alles sehr niedlich und noch ursprünglich.

Nur mein Auto stinkt immer noch nach ausgelaufenem Diesel.

 

Der Spot ist nicht ohne. Riesige Wellen machen es unmöglich, da raus zu paddeln. Viele Steine im Wasser. Oyambre wäre jetzt wahrscheinlich die bessere Wahl gewesen .....

Erkenntnis der Tage: Was auch immer geschieht, irgendwie geht es doch immer weiter.

 

 

18. Etappe Cap de l ´Homy

Wieder in Frankreich! Es ist ganz merkwürdig. Nach fast sieben Wochen trudel ich hier ein. Man spricht deutsch. Sind wir in Frankreich? Noch kurz Tag sagen auf dem Campingplatz. Hier herrscht eine merkwürdige Stimmung. Autoscheiben sind mit Isomatten und Pappen abgedeckt, Markisen eingezogen, alle bewegen sich hastig und schauen immer wieder gen Himmel. Ein Unwetter wird erwartet, mit Hagel, schweren Sturmböen und Gewitter. Die Deutschen haben sich gewappnet. Mirko und Christian begrüßen uns fröhlich, sie sind seit einer Woche hier. P. und Caro seit 10 Tagen. Auch Fred und Etti sind hier. Das ist ja wie nachhause kommen. Ein Blick über die Düne lässt mich zurück zucken. So sah das vor 6 Wochen in Carcans Plage auch ungefähr aus. Völlig zerblasene Wellen. Udo und ich gehen nur kurz baden, das letzte Mal in den Atlantik in diesem Jahr. Ich werde ganz wehmütig.

Erkenntnis des Tages: Auch im Ausland kann man sich wie zuhause fühlen. 

 

19. Etappe Thiers

Nur übernachtet. Irgendwo 1200 m über dem Meeresspiegel. Das Meer ist so weit weg!

Erkenntnis des Tages: Die Auvergne hat mir auf dem Rückweg nicht viel zu sagen.

 

20. Etappe Köln

Inas Picknickdecke, CD´s, Bettwäsche und andere Utensilien abgeliefert, die man bei Ryan Air lieber nicht mitnimmt.

Erkenntnis des Tages: Schön dass man zuhause wieder Freunde trifft, die es einem erleichtern, an zu kommen.

 

21. Etappe Hannover

Achja, da ist es wieder, das gute alten Linden Nord. Ich habe dich ehrlich gesagt nicht vermisst. Aber wat mut dat mut......

Erkenntnis des Tages: Schluckst du die blaue Kapsel, ist alles aus. Du wachst in deinem Bett auf und glaubst an das, was du glauben willst. Schluckst du die rote Kapsel, bleibst du im Wunderland, .....

 

 

 Llanes