„Ich bin dann mal surfen – mit dem Surfboard nach Santiago“
Surfing Pilgrim
Für meinen Bruder
† 07.03.2009
Fakten:
6200 km gefahren
20 Etappen
7 Wochen
3 x Hotel
10 Toilettenrollen
50 x Jose Gonzales gehört
5 Chipstüten geleert
1 Petermännchen
5 Delphine
20 mal den Autoschlüssel gesucht
15 mal den Schädel an der Markise des Autos verbeult
7 Flaschen Sherry
15 Packungen Spaghetti
3 Lachsteaks
5 Pulpos
3 Pizzas
1 Tütensuppe
35 Dosen Oliven (die kleinen Dosen)
1 Flasche Olivenöl
3 mal eine Autowerkstatt aufgesucht
7 mal Taxi gefahren
4 Museen besucht
2600 € für Reparaturen ausgegeben
20 mal das Auto verflucht
2 Nervenzusammenbrüche
2 mal abgeschleppt
15 mal den Adac angerufen
120 € Telefonkosten
Millionen von Eukalyptusbäumen gesehen
8 Surfer aus Hannover getroffen
mit 6 Pilgern Mojito bis zum Abwinken
2 Surfshops besucht ohne was zu kaufen
1 Surfshop aufgesucht und einen völlig überflüssigen Hut gekauft
12 Zwischenhochs gezählt
24 Fronten gezählt
900 Fotos gemacht
mit 3i Fischen gesurft
1 Riesen - Hortensie geflückt
348 Getreidespeicher waren das mindestens, die ich gesehen habe
20 mal rote Flagge
1 mal grüne Flagge
1 Tag Cap de L´Homy reicht
45 mal Pane zum Frühstück
2 Gaskartuschen leer gekocht
10 Worte Spanisch gelernt, u.a. mañana
45 Kochzelte bei Dauercampern gesehen
5 Bücher gelesen, u.a. Hapes „Ich bin dann mal weg...“
1 Flasche Sonnencreme
1 Nutella, der Gewohnheit wegen
.......
Sieben Wochen.
Wer hat schon so lange Urlaub. Nicht viele, ich weiß. Ich schon.
Mein Job ist eben nicht wie jeder.
Zwischen zwei großen Projekten hatte ich mir die Zeit frei geschaufelt. Ich bin dann mal surfen – hatte ich so gedacht.
Mal wieder so richtig durch die Gegend reisen. Mit einem guten Reiseführer und detaillierten Karten von Kantabrien, Asturien und Galicien. Immer an der Küste lang, so der Plan. Einige Spots hatte ich mir schon ausgeguckt.
Der Stormrider ist natürlich auch mit im Gepäck.
Vorher noch ein neues Autoradio mit allem Schnickschnack eingebaut, damit der Soundtrack unterwegs auch stimmt. Einfach nur USB Stick einstöpseln und dann gehts los.
Außerdem noch ein neues Schränkchen, damit es noch komfortabler in meinem Bus wird.
Ina eine Freundin aus Köln würde mich die ersten vier Wochen begleiten, dann sollte Udo nach Santiago fliegen, um die letzten 3 Wochen mit mir zu verbringen. Also alles ganz gut geplant. Im Organisieren bin ich eigentlich immer ganz gut ....
Aber auf dieser Reise kam so einiges anders als geplant. Es war irgendwie ein bisschen wie eine Pilgerreise. Nachdem ich Hapes[1] Buch gelesen habe, war es mir dann klar. Natürlich, das war meine ganz persönliche Pilgertour.
Und wie es sich auf so einer Reise gehört, läuft alles anders als voraus gesehen, man trifft eine Menge interessante und schräge Typen, es passieren merkwürdige Zufälle, man bekommt eine Menge Hilfe wenn man sie wirklich braucht und manchmal bekommt man auch keine Hilfe und merkt, dass man es auch alleine hin bekommt. Das mit dem Wunsch ans Universum habe ich auch probiert, war aber nicht so erfolgreich, .....
Nach Pfingsten geht es los.
Noch die Fahrräder hinten drauf. Drei Surfboards, ein 9,2er, ein 8,0er und ein 7,4er gut im Bus verstaut.
Von Hannover auf die A2 Richtung Köln, Ina abholen. Ich habe mir einen USB Stick voll mit Musik geknallt, so dass ich die Musik während der Fahrt nicht wechseln muss. Kaum bin ich auf der Autobahn, schalte das Radio ein, läuft Rio Reiser. Den hat mein Bruder immer gehört, „der Junge am Fluß“, gut dass ich noch alleine im Auto bin. Irgendwie habe ich einen Moment das Gefühl, mein Bruder ist mit auf der Reise.
1. Etappe Köln
Ina in Köln erwartet mich schon mit einem Abendessen. Den voll gepackten Bus mit einem etwas mulmigen Gefühl an der Uni abgestellt. Abends lange gequatscht und mit ein wenig Sorge auf die zahlreichen gepackten Taschen von Ina geschaut. So, die Picknickdecke muss also auch noch mit? Achja und die Gitarre, klar. Das Lieblingskissen darf auch nicht fehlen. Was soll’s, geht schon.
Morgens um 6 Uhr ging es dann endlich richtig los, raus aus Deutschland Richtung Clermont Ferrand. Kaum stecke ich meinen USB Stick ein, ertönt auch schon wieder Rio Reiser. Hmm ich habe doch ca. 1500 Songs auf dem Stick ....
Erkenntnis des Tages:
Der Junge am Fluß, er liegt im Sand, blickt in den Himmel,
schaut in die Bäume, lauscht seinen Träumen,
fällt aus den Wolken, taucht in die Fluten,
treibt mit den Wellen, schwimmt mit dem Fisch, steigt dann ans Ufer.
2. Etappe Jeansigniere irgendwo in der französischen Auvergne, ein Bergdorf. 1200m hoch, recht frisch. Hier wohnt Christoph, bild. Künstler und ein guter Freund. Er wohnt dort 6 Monate im Jahr und genießt die Ruhe. Es ist so ruhig, dass man die Schafe fressen hört. Ina gefällt es auch und wir entscheiden uns zwei Tage auszuruhen. Es ist einfach zu schön, um gleich weiter zu fahren. Wir kochen, essen, trinken, reden bis in die Nacht, sitzen am selbst gebauten Lehmofen und gehen spazieren.
Erkenntnis der Tage: Wenn man 7 Wochen Urlaub hat, kann man einige Tage in den Bergen locker genießen!
3. Etappe Carcans Plage. Auf Wunsch von Ina machen wir hier zwei Nächte Halt. Alte Kindheitserinnerungen werden aufgefrischt. Irgendwie waren wohl eine Menge deutsche Familien mit ihren Kindern an der französischen Atlantikküste und haben dafür gesorgt, dass ihre Nachkommen immer wieder sehnsüchtig zurück kommen. Aber jetzt ist Anfang Juni und es ist wie ausgestorben. Nur am Wochenende öffnen die wenigen Cafes und Restaurants. Die Wellen sind wie so oft an der französischen Atlantikküste: groß, durcheinander, zerblasen und mit einem elenden Shorebreak Irgendwie kommt da keine so richtige Surflust auf.
Erkenntnis der Tage: Gut, dass es hinter der französischen Grenze auch noch andere Baumarten geben soll als Pinien.
4. Etappe Lafitenia
Also weiter nach Lafitenia, mit einem kurzen Abstecher bei Decathlon in Dax. Mein Longboard braucht dringend eine neue Boardsocke. Das Wetter ist übrigens weiterhin bescheiden, tief hängende Wolken, schwüle Luft, ab und an die Sonne.
Mit hübscher gestreifter Boardsocke (warum sind die eigentlich immer gestreift? Da bekommt man ja Augenflimmern), neuen Lycras (die schwarzen, mit langen Ärmeln und innen weich gefüttert, sind klasse!), neuen T-shirts und Socken geht es weiter.
Vorbei an Biarritz und Bayonne. Hier ist alles noch dich besiedelt und wir tun uns schwer den angepeilten Campingplatz zu finden.
auf dem Campingplatz mit Fernsicht
Der liegt aber perfekt. Man hat gleich zwei Spots direkt vor der Nase. Mit dem Fernglas bewaffnet lässt sich der rechte gut im Auge behalten, links kann man sozusagen draufspucken. Wir stehen genau auf der Kuppe und werden von anderen neidischen Campern belauert, die darauf hoffen, dass wir gleich am nächsten Tag weiter fahren.
Wir bleiben aber zwei Nächte. Ina ist nicht gut drauf. Ich versuche sie mit gutem Essen und lecker Wein wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Am zweiten Abend werden wir von guten Wellen in der rechten Bucht überrascht. Herrliche sanfte Longboardwellen.
Aus Spanien sind einige Autos auf dem Parkplatz. Das macht mich skeptisch, gibt es in Spanien nicht auch Wellen? Auf jeden Fall trifft man hier fast nur Franzosen und Spanier an. Ein geparkter Bus mit völlig abgekämpften Deutschen steht da auch rum. Hmmm, die übernachten alle in dem Bus? Die Boards auch? Könnte eng werden. Na, die scheinen alle unter dreißig zu sein, da macht man das. Alleine schon, um Geld zu sparen.
Aber die Sehnsucht treibt mich weiter. Von der Kuppe aus zeichnet sich am Horizont schon die spanische Küste ab. Da will ich hin.
Erkenntnis der Tage:
Ina mag keinen Wein, ihr gefällt nur die Farbe. Eigentlich steht sie auf Gin Tonic, vor allem wenn sie schlecht drauf ist.
5. Etappe Playa de Riz
Hupps, das geht ja schnell. Eigentlich war da doch der Plan in Zarrautz zu bleiben, und Mundaka hatten wir uns auch vorgenommen. Von dort wollten wir eigentlich auch mal mit der Bahn nach Bilbao rein zum Guggenheim Museum. Karten lesen sage ich nur!
Morgens um 10:00 Uhr kommen wir in Zarrautz an. Regen. Die See völlig platt. Nee, Zarrautz ist auch bei schönem Wetter nicht wirklich schön, hat nur ganz gute Wellen. Also weiter Richtung Bilbao. Ina mit der Michelin Karte bewaffnet, verpasst eine Abfahrt nach der anderen. „Huch, sind wir schon in Bilbao?“ „Ja sieht ganz so aus.“
Bilbao mit dem Auto, auch wenn man nur auf den Autobahnen fährt, ist anstrengend. Überall Baustellen und Suizid gefährdete LKW Fahrer aus Portugal und Spanien. Wenn man mit 130 kmh von rechts in einer Kurve überholt wird, wird einem schon etwas mulmig. Als wir Raffinerien, Fabriken, Plattenbauten hinter uns gelassen hatten, kommt wieder Entspannung auf. „Zurück?“ „Willst du?“ „Nicht unbedingt“ „Ich auch nicht“ „Gut, dann weiter“
In einer kleinen Bar kurzer Halt um die neue Route abzustecken. Playa de Riz, hört sich ganz gut an, da ist ja einiges um die Ecke, was gehen kann und es ist schon weit genug von Bilbao weg.
Jetzt sitzen wir auf einem Campingplatz umgeben von durch geknallten spanischen Dauercampern mit Kochzelten (gibt es die in Deutschland auch?) und von Engländern mit tausend Kindern und Barbiepuppen und Barbierädern. Nachts steigen Schwaden von Schweinefett in die schwüle Luft. Es stinkt nach Spiritus und Grillanzünder. Der englische Camper neben uns wackelt im Rhythmus des Schnarchers. Ina bekommt Platzangst. Ich will noch einen Tag bleiben. Bin irgendwie noch ziemlich kaputt und brauche ein bisschen Zeit zum Abhängen. Gehe an dem wunderschönen Strand mit bizarren Felsen spazieren. Wellen wollen sich einfach nicht zeigen und ich hege den Verdacht, dass die gesamte Nordküste ein Wellenproblem haben könnte. Das sage ich Ina lieber nicht. Ich nehme das Rad und fahre die Gegend ein bisschen ab. Eigentlich ganz schön, hätten die nicht so viele Bettenburgen in die Bucht gebaut. Ohne Touristen wirkt es noch trostloser als es sowieso schon ist. Das Land ist schön hier. Viele sumpfige Feuchtgebiete, es ist Hügelig, Eukalyptusbäume und weit hinten, wenn man sich mal vom Meer weg dreht, sieht man auch die hohen Berge, die immerhin fast auf 3000 m ansteigen.
Barria schauten wir uns natürlich auch an, steht ja auch im Stormrider drin. Ganz schön runter gekommen der Ort. Der Strand ist aber klasse. Aber auch hier keine Wellen.
Erkenntnis der Tage: Man muss nur fertig genug sein, dann stören einen auch Dauercamper und Dauerschnarcher nicht. Ab und an lohnt es sich aber auch mal, auf den Campingplatz zu verzichten.
6. Etappe Oyambre
Im Stormrider hat mich das Foto schon so angelacht. Grün und irgendwie schottisch. Da will ich hin.
Morgens mit Kopfschmerzen aufgewacht. Die Sonne knallt gnadenlos aufs Autodach. Es ist extrem schwül, morgens schon. „Morgens?“ „Wieso, wie spät ist es denn?“ „10:30 Uhr!“ „Verdammt, bloss raus aus dem Toaster.“
Sachen gepackt, inzwischen schaffen wir es in einer halben Stunde und dann gehts wieder auf die Piste.
Eine kurze Stippvisite in Santanilla. Ein altes Städtchen mit einem schönen romanischen Kloster. Aber es ist zu heiß, um lange auszuharren.
Bis Oyambre ist es nicht weit, doch eine Straßensperrung veranlasst uns dazu, eine ganze weitere Stunde unterwegs zu sein. Wir treffen die ersten Pilger, die uns freundlich zuwinken. Wahrscheinlich Deutsche, die das Kennzeichen gesehen haben. Mir tun sie ein bisschen leid, so auf der Straße wandern ist in Spanien nicht ganz ungefährlich.
Angekommen in Oyambre zeichnet sich auch hier ab, dass es keinen Swell gibt. So langsam kippt die Stimmung. Meine Kopfschmerzen werden auch nicht besser. Wir trösten uns mit Sherry und gehen früh schlafen.
Am nächsten Tag fahre ich morgens mit dem Rad zur nächsten Bergkuppe, da ist doch noch ein Spot. Kaum oben angekommen, sehe ich ihn auch schon, und was sehen meine müden Augen noch? Wellen!
Gleich zurück zum Auto, Sachen gepackt, ab zur nächsten Bucht. Endlich wieder surfen. Es ist Sonntag und kaum noch ein freier Parkplatz zu bekommen. Normalerweise schaue ich mir einen Spot länger an, bevor ich ins Wasser gehe. Heute nicht. Auf dem Weg zum Wasser kurz eine spanische Surferin angequatscht, sie brieft mich bereitwillig.
Mit dem Longboard habe ich gleich viel Spaß im Wasser. Die Bucht ist wirklich schön.
Wenn es hier mal zu dick ist, wird mir gesagt, dann ist Oyambre eine Alternative.
Okay. Wenn zwei Spots so dicht beieinander liegen und nur anders ausgerichtet sind ist das ja perfekt.
Erkenntnis: Es ist nicht immer alles so wie es scheint, manchmal lohnt sich der Blick über den Tellerrand.
7. Etappe Reinante
Nach zwei Tagen dann packt uns wieder die Unruhe und wir fahren weiter gen Westen. Nächste Station Reinante. Unterwegs sehen wir nichts. Alles ist eingehüllt in Nebel und Regen. Gutes Fahrwetter. Außerdem soll das Wetter in Galicien besser sein.
Wir halten in einer für nordspanische Verhältnisse flache Gegend, jedenfalls direkt an der Küste. Auch hier weiße Sandstrände und tolle bizarre Felsformationen. Überall wunderschöne Bohlenwege durch die Dünenlandschaft.
Wir campen nicht wild. Das Wetter ist schlecht. Wir wollen warmes Wasser und eine Dusche. Ein süßer kleiner Campingplatz direkt am Strand lädt zum Verweilen ein. Hier treffen wir eine Menge Camper aus unterschiedlichsten Ländern. Viele im Rentenalter, unterwegs mit ihren VW Bussen oder dem Campingwagen. Manche von ihnen seit April unterwegs, waren schon in Portugal und Andalusien. Sehr cool. Ein altes schwäbisches Pärchen zeigt mir ihr Abendessen: Muscheln. Natürlich selbst gesammelt. Der Ort ist sonst ausgestorben, obwohl alles darauf hindeutet, dass es im August richtig voll wird.
Voller Erwartung gehe ich an den Strand und finde Mikrowellen vor. Tja, also wird das hier auch wieder nur eine Kurzstation. Schade eigentlich. Wären hier Wellen, wäre ich gerne noch ein wenig geblieben.
In der Nacht einen merkwürdigen Traum. Mein alter gelber Bus (ein T3 den ich mal hatte) ist zur Reparatur und der Typ in der Werkstatt redet immer von Wasserpumpe und Totalschaden. Gut, dass ich den gelben Bus nicht mehr habe.
Vor einem merkwürdigen Engländer bekomme ich eine DVD geschenkt. Er schläft in seinem Auto und wirkt wie ein abgebrannter Banker aus der letzten Finanzkrise. Ich traue dieser DVD nicht und werfe sie in den nächsten Mülleimer.
Erkenntnis: Nimm nichts von fremden Männern an, die wie abgebrannte Banker aussehen.
8. Etappe Coruña
Ja und jetzt wird es eigentlich spannend. Ab nun änderte sich so einiges auf unserer Reise. Vielleicht war doch die DVD Schuld?
Nächster Halt soll San Xorxe sein, in Galicien. Dort soll das Wetter besser sein und der Swell kommt bestimmt aus Westen!
Wir entscheiden uns für den Küstenweg oben, vorbei an Viveiro, Ortigueira, Valdovino.
Der Junge am Fluß begleitet uns auch weiterhin und bereue es ein wenig, dass ich nicht noch mehr Songs von Rio Reiser mitgenommen habe, dann hätte mein Bruder ein bisschen mehr Auswahl.
In Cedeira machen wir das letzte Mal halt. Da ist die Welt noch in Ordnung.
In Pantin kurzer Blick auf die Wellen. Jaaa, da geht doch was!
Kurz vor Ferrol dann das Desaster. Zahnriehmen, Wasserpumpe ...., das volle Programm.
Ja, ich war zur Inspektion. Der Zahnriemen war okay! Und doch ärgert man sich hinterher, hätte ich ihn doch einfach auf Verdacht noch ausgewechselt.
Der ADAC ist nun mein täglicher Begleiter in der Not. Sie organisieren das Abschleppen, finden eine Werkstatt in Corunja, organisieren ein Hotel am Strand bei Corunja.
Familie Monterrey nimmt sich meines Auto an. Vor 30 Jahren in Wunstorf als Gastarbeiter gelebt, freuen sie sich über das hannoversche Kennzeichen und die zwei Chickas. Seine Söhne kommen bei jedem Werkstattbesuch sofort angerannt und lächeln mitleidig. Ich ertrage jede neue schlechte Botschaft mit Fassung. Es sieht schlecht aus. 5 Tage mindestens. 2500 €! Wer hat schon so viel, einfach mal so auf seinem Konto? Naja, ich jedenfalls nicht.
Zwei Tage schleppen wir uns durch Corunja, besuchen alles Museen, die einigermaßen interessant zu sein scheinen. Das Aquarium ist übrigens empfehlenswert. Der Hausstrand lockt auch nicht. Keine Wellen und ne Menge los. Ich bin völlig genervt. Da hilft auch nicht, dass die in der Werkstatt total nett sind. Ein Telefonat mit dem ADAC und die Welt wird wieder bunter. Ich frage vorsichtig an, ob wir einen Leihwagen bekommen könnten.
Yeah. Leihwagen und sogar ein nettes kleines Hotel in Laxe ist noch im Budget. Wir packen unsere Sachen. Mit Hilfe der Montereys bekommen wir auch die beiden kleineren Surfboards in den Polo. Es geht wieder los. Der Bus bleibt in Corunja. Wir fahren in den Westen.
Erkenntnis: Mit der Schwerkraft kann man nicht verhandeln.
9. Etappe Laxe
Abends in Laxe angekommen, nachdem wir mit Hilfe der Montereys den Weg aus Corunja gefunden haben. Das Hotel ist super, alles neu. Mit Badewanne! Das ist jetzt genau das richtig. Danach einen Spaziergang am Strand, der direkt vor der Tür ist.
Nach einer unruhigen Nacht (VW Bus behalten oder nicht....) in einem super bequemen Bett erst einmal einen Blick aus dem Fenster gewagt. Es stürmt. Mindestens Windstärke 8! Was soll das denn jetzt. Wir wollen surfen! Nach Traba gefahren. Hier geht gar nichts. Völlig zerblasen. Ein fieser Sandstrahl lässt uns gleich wieder flüchten. Okay, also weiter fahren. In Camarinas treffen wir gestrandete Yachtbesitzer in einer Tapasbar. Sie kommen bei dem Sturm nicht raus aus der Mole. Prima dann essen wir halt gemeinsam und trinken von dem Weißwein den der Engländer, der eigentlich Holländer ist, immer wieder auftischen lässt. Hey, die sind echt gut drauf, naja, sind auch schon seit zwei Jahren unterwegs, im Winter immer kurz zuhause um nach dem Rechten zu sehen. Lieblingsaufenthalt: Karibik. Der eine baut Yachten für Princessin Anne und ist Thatcherianer der andere ist Banker und liberal. Beide halten überhaupt nichts von dem Euro. Zeigen auf das kleine niedliche gut sanierte Örtchen und sagen: „Das habt alles ihr bezahlt! Ihr und die Holländer. Das ist alles euers!“ Na prima, dann bin ich ja doch nicht so arm, wie ich mich gerade fühle. Eigentlich gehören alle Bohlenwege Spaniens mir!!! Die beiden Berliner, mit ihrer Yacht ebenfalls gestrandet, sind etwas bescheidener. Ein schwules Pärchen, seit einem Jahr unterwegs. Mit so einer armen dicken Töhle (Dackel) aus dem Tierheim, dass durch den langen Aufenthalt auf dem Schiff auch nicht gerade abspeckt..
Sie erzählten von schlechtem Wetter, Kälte und immer neuen Fronten. Und das seit Wochen. Na, da kann es doch nur aufwärts gehen.
Völlig bedüdelt fahren wir noch zum Leuchtturm. Erst einmal den Alkohol vom Wind aus den Poren treiben lassen.
Am nächsten Tag sieht die Welt schon anders aus. Ich habe die 2500 € inzwischen in die letzte Ecke meines Gehirns verdrängt.
Der Wind ist immer noch da, nicht mehr ganz so stark. Das Wasser hat nur noch 13 Grad. Kleine geschützte Buchten liefern auch keine Wellen aber immerhin laden sie zum Verweilen ein. Wir schließen uns den spanischen Familien an und verbringen einen Strandtag am Meer. Abends noch mal zum Trabastrand gefahren, die VW Busse schon von weitem gesichtet. Mit freudiger Erwartung zum Wasser gestürmt. Windsurfer! Kitesurfer! So ein Elend! Naja, noch ein paar Fotos geschossen und neidisch auf die glücklichen Gesichter der herauskommenden Surfer geworfen.
Werden wir auch noch mal Wellen haben?
Ja, am nächsten Tag ist es dann endlich mal wieder so weit, ganz in der Nähe von Traba werden wir fündig, eine kleine schöne Bucht. Hier laufen die Wellen sauber rein. Arschkalt aber gut. Gegen Abend wagen wir uns dann zwischen die Locals, die uns erstaunt ansehen.
Völlig stoked fahren wir spät nach Laxe zurück, mit einem Bärenhunger.
Ja, das hat uns die letzten Tage ganz schön gefehlt!
Erkenntnis der Tage:
Auf ein Wellental folgt auch wieder eine Welle die nach oben geht.
10. Etappe Coruña/Noicela
Der letzte Werkstattbesuch in Coruña. Vorher noch ein Frustkauf bei Billabong, bevor mein Konto dann wohl endgültig gesperrt wird.
Spät am Abend geht es mit meinem Bus endlich wieder los. Etwas skeptisch muss ich zugeben. So ganz traue ich dem Wagen nicht mehr. Wird er uns heile weiter tragen? Noch so eine Reparatur und ich bin arm wie eine Kirchenmaus. Um 23 Uhr pünktlich zum Sonnenuntergang stehen wir irgendwo bei Noicela am Strand. Soll ja auch ein Spot sein. Hier ist alles platt. Aber für eine Nacht okay. Morgen früh gehts weiter in den Süden.
11. Etappe Praia de Lauro/Muros
Auch die dichte Bewölkung kann uns nicht abschrecken, das nächste Zwischenhoch kommt bestimmt. Oben vom Berg einen fantastischen Blick auf die Bucht von Muros.
Wir fahren durch ein lebendiges kleines Hafenstädtchen. Sehr schön, alte Häuser, keine Bettenburgen, das macht hier einen wirklich netten Eindruck. Weiter draußen erwartet uns dann die traumhafte Bucht Lauro. Wir entscheiden uns für einen schnuckeligen Campingplatz etwas abseits, direkt an der Bucht. Der Campingplatzbesitzer ist Berliner und begrüßt uns mit einem Gläschen Rioja. Ich frage nach Wellen. „Wenn Wellen wären, wäre mein Sohn hier,“ so die Antwort. „Okay, und wann hat sich ihr Sohn angekündigt?“ „Hmm bisher weiß ich von nichts.“
Schade eigentlich. Etwas deprimiert schauen wir auf das ruhige Meer. Ina schüttelt nur den Kopf, was wohl andeuten soll, dass es jetzt auch egal ist.
Es ist ja wie verhext. Ina glaubt an einen Sinn der da hinter steht. Ich halte dass ganze für eine ausgemachte Schweinerei des Universums.
Was machen wir jetzt? Können ja nicht schon morgens anfangen zu trinken. Na gut, ein bisschen rumfahren, einen traumhaften Strand in Canota begutachten, Getreidespeicher fotografieren, Leuchttürme fotografieren, uns gegenseitig fotografieren.
Vier Tage bleiben wir hier. Habe jetzt Zeit. So entstehen erste bekloppte Ideen. Z. B. einige Filmtitel für Drehbücher, die ich nur noch schreiben muss:
- Der Gang nach Canota
- In the heart of a pulpo
- Zwei Mann, eine Yacht und ein Dackel
- Hunde auf heißem Asphalt
- Von Pilgern war nie die Rede
Ich lese aber auch. Nach Hape ein Buch über den Buddhismus. Und mir wird einiges klar. Die Tibeter sind ziemlich schlau, haben schon so einiges kapiert, das uns Westlern einfach nicht in den Kopf will.
Erkenntnis der Tage: Entspann dich – du kannst es eh nicht ändern oder bist du der Wind?
12. Etappe Santiago de Compostela
Wir kommen in Monto Gozo unter, letzte Pilgerstätte vor Santiago. Hier lässt sich der Bus gut abstellen und wir können entspannt in das heilige Städtchen einfallen.
Die Kathedrale ist natürlich erster Anlaufpunkt.
Ich muss ehrlich gestehen, als ich die ergreifenden Szenen vor der Kirche sehe, musste ich auch einige Tränen vergießen. Auch hier fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Ich bin Pilger wider Willen. Ich habe Dinge gefunden, die ich nicht gesucht habe und ich habe oft nicht das bekommen was ich wollte. Und meine zwölfte Etappe ist Santiago de Compostela.
Ina fliegt am nächsten Morgen zurück nach Köln. Ich stehe am Flughafen und irgendwie ist mir etwas merkwürdig. Good by Ina, war eine schöne Zeit!
Völlig traurig mache ich mich wieder auf in die Stadt und treffe auf Roul, Pilger vom Bodensee, der seit April unterwegs war und total entspannt und erleuchtet ein Foto von mir und der Kathedrale machen will.
Wir gehen zusammen etwas essen und er erzählt mir, dass er fast jeden Tag 60 km gegangen ist. Ich glaube ihm das, einem Pilger muss man glauben.
Wir treffen auf weitere Pilger und trinken Mojitos, gehen auf ein Straßenfest und erzählen uns unsere Abenteuer.
Die anderen machen mir Mut, ich soll auf jeden Fall auch Jacobus küssen, denn irgendwie bin ich doch auch ein Pilger. Ich finde es nett, dass sie da keine Unterschiede machen.
Erkenntnis der Tage: Sei heiter und genieße den Tag und die Nacht
2. Teil folgt
- Franzl's blog
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Unheimlich schöner
maik on So, 08/02/2009 - 03:39Unheimlich schöner Tripbericht, Franzl!
Mein alter, rostiger Bus hat auch noch ca.
4000km vor sich, im September...
Bin gespannt auf den zweiten Teil. :-)
so lange auf?
Franzl on So, 08/02/2009 - 13:07ja doch...
coldwaves on Do, 07/30/2009 - 10:46...toller Bericht Franzl, bin auf Teil 2 gespannt.
Schöner Bericht!
deegee on Mi, 07/29/2009 - 17:29sorry
Franzl on Mi, 07/29/2009 - 23:04Kein Problem! :-)
deegee on Mi, 07/29/2009 - 23:35guter Trip
Tim on Mo, 07/27/2009 - 14:58