Vielleicht kennt ihr Timmerbergs Reise ABC? Noch besser allerdings ist das Buch „Tiger fressen keine Yogis“ von ihm. Ein Buch mit guten Tipps für jeden Reisenden, der in Krisengebieten unterwegs sein wird. Und da man heutzutage nicht genau weiß, welches Land, aus welchen Gründen auch immer, als nächstes zum Krisengebiet wird, lohnt es sich also eigentlich für jeden, da mal einen Blick rein zu werfen. Zitat aus dem Buch: „Ein Tiger raubte ihm die Hände, die Zunge biss er sich während eines Malariaanfalls selbst ab, und sein linkes Auge verlor er bei einem Streit mit einem afghanischen Widerstandskämpfer, den er um zwei Kilo Haschisch erleichtern wollte.“ Ob Hamburg, Kalkutta oder Tel Aviv, er hat zu allen Orten eine Geschichte zu erzählen.

 

Vielleicht sollte ich mit K anfangen, da wir ja schon mal bei Krisengebieten sind?

Nein, ich werde Chronologisch vorgehen. Habe ich mir jedenfalls vorgenommen. Also das A. A wie Angeboren, Abnehmen, Ausnehmen, Anfänger, Aufhänger. Aber auch A wie Arbeit und Auto.

 

 

Die Bedingungen für Surfer in Deutschland sind schon immer mit vielen Hindernissen bespickt. Ohne Auto ist es fast unzumutbar. Surfer sind Individualisten und nehmen nur ungern andere mit und wenn, dann musst du dafür zahlen: putzen, kochen (aber nicht Konservenfraß), dir das freudlose Gesülze anhören, stundenlang laute Musik von Metallica ertragen, du darfst nur eine Tasche mitnehmen und dein Surfboard muss extrem kurz sein, weil der Fahrer je schon drei eigene Boards mitnimmt. Okay, du könntest vielleicht fliegen. Aber nach Dänemark oder in die Bretagne? Und wo bleibt das naturnahe Erlebnis direkt am Meer zu campen?

Also doch ein eigenes Auto, am besten mit Übernachtungsgarantie: der Bus.

 

 

Lebt man an einem Ort wie zum Beispiel ich, sind es ca. 12 Stunden bis zur Bretagne, 9 Stunden zur Normandie, 5 Stunden bis zur Holländischen Küste, 7 - 9 Stunden bis zur Dänischen Küste, 3 Stunden bis zur Ostsee. Da sind die ganzen Staus noch nicht mitgerechnet und schon gar nicht irgendwelche Autopannen. Dann die Spritkosten, die ins unermessliche steigen und dafür sorgen, dass man sich mit Mitfahrern das Cockpit teilt und den damit verbundenen Komplikationen (siehe Blog 2). Interessant ist aber auch, welche Metamorphose so ein Bus durchmachen muss: SonderKFZ, Campingwagen, PKW, und als nächstes wahrscheinlich dann Luxuskarosse. Ich habe in einem Zeitraum von drei Jahren für den gleichen Wagen fünfmal unterschiedliche Steuern gezahlt.

Dann noch diese verdammte Umweltplakette. Ganz Hannover-Linden stand Kopf, der Stadtteil mit den vermutlich meisten Dieselfahrzeugen und Campingbussen. Die sollen jetzt alle draußen bleiben. In der Stadt nicht mehr gewollt, das Meer weit weg. Eine scheiß Situation. 

Kommt man dann endlich dort an, wo man surfen möchte, freut sich auf die Wellen, steht man entweder vor einem überfüllten Parkplatz, einem für Camper gesperrten Parkplatz oder vor einem Parkplatz, bei dem mit nicht zu übersehenden Schildern davor gewarnt wird, Wertgegenstände jeglicher Art im Wagen zu lassen. Sind wir im feindlichen Gebiet? Nein eigentlich nur in Dänemark, Damp oder Domburg. Okay, vielleicht ein bisschen übertrieben, aber ihr müsst zugeben, der Ton da draußen an den Spots ist rauer geworden, nicht nur auf dem Wasser.

 volle Parkplätze

Also gut, dann eben weiterfahren, einen Spot für mich ganz alleine. Und so fahre ich und fahre, die Uhr tickt und ehe ich mich versehe, ist es dunkel, die Wellen sind weg oder ich muss zurück, die Arbeit wartet.

 da kann man schon mal ins Grübeln kommen ...

 

Das ist der verdammt Kreislauf: Ohne Arbeit, kein Auto. Ohne Auto, kein Surfen. Ohne Surfen, viel Arbeit. Viel Arbeit, viel Auto, Surfen. Viel Surfen, immer weniger Arbeit. Wenig Arbeit, immer weniger Auto, immer weniger Surfen. Mehr Arbeit ..... 

 im Bus das Gefühl von Freiheit, wenn auch nur geborgt ..., aber vielleicht ist es auch wie Bob Dylan gesagt hat: Das Gefühl von Freiheit vergeht wenn man etwas eine Weile tut ...

Die Leute die in diesem Kreislauf gefangen sind, könnte man vielleicht auch Aurfers nennen.

Die Aurfers sind dann die, die nach dem sie sich hastig von zuhause verabschiedet haben (womöglich damit den Wochenendeputz, den Kindergeburtstag und den Besuch der achtzigjährigen Schwiegeroma wissentlich verpassen und sich Sonntagabend für einen Beziehungsstreit schon mal wappnen können), hektisch Freitag nachts irgendwo am Spot in Dänemark eintreffen. Schnell eine Mütze Schlaf nehmen, müde eine Tasse Instant-kaffee trinken, ihr Board schnappen, um die ersten Wellen um 6:00 Uhr zu reiten. Immerhin ist das ja fast ihre Bürozeit und sie fühlen sich auch fast topfit, mal abgesehen von den kleinen Wehwehchen die bei der Schreibtischtätigkeit einfach nicht ausbleiben.

 Stau, der Alptraum eines Aurfers 

Es sind auch die, die mal schnell in einen Flieger steigen, um am Wochenende auf Lanzerote oder Madeira zu surfen. Aber auch die, die es schaffen sechs Monate fatalistisch das Surfboard im Keller einzulagern und der Freundin das Zugeständnis machen, mit nach Mallorca zu fliegen, um dann im All-Inclusive Urlaub fest zustellen, dass sie jetzt entweder gleich wahnsinnig werden, Drogenabhängig oder so wie alle anderen Typen in der Anlage: willenlose Konsumorientierte gewissensfreie Opfer des Kapitalismus. Voller Panik schwören sie sich, nach dem Urlaub noch mal ganz von vorne an zu fangen. Irgendwie muss sich der Lebenstil Surfen doch mit dem Alltag vereinbaren lassen oder nicht?

 Reicht doch?  

Sie begreifen wehmütig, dass sie nicht zu den Typen gehören werden, die am Strand von Australien mit ihrem T2 Bus campen, von der Hand in den Mund leben und jederzeit surfen. Und auch nicht zu den erfolgreichen Geschäftsleuten, die es geschafft haben, ein bisschen Stoff, auch Boardshort genannt, tatsächlich für 60 € zu verkaufen, um mit dem Geld ihren Traum auf Hawaii zu leben.

 Sieht so die Freiheit aus? Die Beiden haben andere Wege eingeschlagen ....

 

Aber immerhin, das Auto steht bereit. Sie können wenn sie wollen jederzeit  einsteigen. Aussteigen. Ankommen. Irgendwo, wo das Geld keine Rolle spielt. Die Hütte am Strand auf sie wartet. Der Name schon auf dem Türschild steht. Die Palme genügend Nüsse fürs Jahr abwirft und die Fische bereitwillig auf den Teller springen.......

Verdammt, warum hat Eva nur vom Baum der Erkenntnis genascht. Das Paradies könnte so schön sein.

 

 Ist das das Paradies? Indonesien könnte ja so schön sein, wäre es nicht Krisengebiet ...

 

Bild von boerni

Ertappt!

boerni on Mo, 09/22/2008 - 21:55

Franzl,
ich fühle mich mal wieder ertappt! ;)

Börni

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brav

Franzl on Di, 09/23/2008 - 13:21
fein, das ist der erste Schritt zur Weiterentwicklung ;-))
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ääähhm

tripmaster on Mo, 09/22/2008 - 14:09

woher weist du, dass ich mich Sonntag abends regelmäßig spätestens ab Flensburg auf die montägliche Beziehungskrise einstelle?

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öhhh

Franzl on Di, 09/23/2008 - 13:20
Emphatie womöglich? Eigenerfahrung? :o)