Interview Jens Steffenhagen

Anlässlich des anstehenden 2. Nord Nordwest Surf Film Festivals haben wir den Blue Autor, Filmmogul und Nordsurf Buddy Jens befragt zum Festival und seinem neuen Leben in Fronkreisch.

The Audience, NNW-Festival 2012

Das Syndikat: Veranstalter ist dieses Mal ja „NOUVAGE“. Ist das eine Reminiszenz an Deine neue Heimat? Bist Du schon dabei, Deinen „Nordsurfer“ Minderheitenstatus abzulegen und fängst an bei Wassertemperaturen unter 15 Grad von „Coldwater Surfing“ zu reden?

Jens: Immerhin surfen wir hier seit Wochen mit Blick auf komplett zugeschneite Berge und um mich herum tragen alle Hoods und Handschuhe! Aber bei 12 Grad Wasser ist das natürlich eher schöne Kulisse als harte Realität.

NOUVAGUE ist eine Reminiszenz an sehr viele Einflüsse. Wir haben die Firma gegründet, um Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, die der neuen Welle in unserer europäischen Surf Kultur gerecht werden: Qualität und Leidenschaft, aus der Szene für die Szene. Wir versuchen,   den State of the Art abzubilden: Lokal und international. Mit diesem Anspruch haben wir das Filmprogramm gestaltet, genauso wie die Photoshows mit Live-Musik, die Kunst-Ausstellungen und die Shape-Expos: In allen Bereichen gibt es lokale und internationale Surfculture zu sehen.

Und für den internationalen Teil hilft es sehr, in Biarritz zu leben.

Umstellen musste ich mich dafür kaum, denn unsere Nordsurf-Gemeinde inklusive Dänemark und Schweden und die südwest-französische Szene haben viele Gemeinsamkeiten: In beiden Gegenden ist das Wetter rau und die meisten Leute im Wasser kennen sich (außer im Sommer), lieben ihre Spots und sind glücklich mit dem was sie haben. In beiden Regionen gibt es diesen DIY-Gedanken: Man will sich nicht von außen erzählen lassen, was in ist, schon gar nicht von irgendwelchen Marketing-Heinis, sondern einfach Spaß haben. Daher gibt es viele Sympathien hier für unsere Nordsurf-Gang. Gleichzeitig haben die Leute, die was bewegen wollen, die Shaper, Künstler, Fotografen und Filmemacher hier natürlich mehr Möglichkeiten. Mehr Wellen, mehr gute Surfer und eine SurfKultur in der dritten Generation.

Jens "Jean" Steffenhagen an der heimischen Nordsee

Das Syndikat: Jens, Du hast den Filmern Welt- und Europaprämieren aus den Rippen geleiert. Und dabei sprechen wir ja sogar von Szene Schwergewichten wie Cyrus Sutton, Taylor Steele und Kai Neville. Wundern die Jungs sich immer noch, wieso sie Ihre Premieren in einer Landlocked Nation wie Deutschland feiern sollen oder ist das inzwischen Allgemeinwissen in der Szene, dass es in Deutschland mehr als 10 Surfer gibt?

Jens: Die wissen mittlerweile, dass hier gesurft wird, klar. Kai hatte sogar angedacht, Szenen für ‚Lost Atlas’ in der Nordsee zu drehen. Das ist aber an der Kurzfristigkeit verlässlicher Forecasts gescheitert.... Ich denke, mit Masse können wir nicht beeindrucken, aber mit Klasse. Das NORD NORDWEST ist eine Veranstaltung in einer der coolsten Großstädte der Welt. Unsere Location, die Hamburger Botschaft, ist etwas sehr besonderes, eingebettet in St. Paulis Dichte an Gallerien, Bars und dem Kiez – wenn ein Ami oder Australier das miterlebt, ist er geflasht, wie urban die Surfszene hier lebt. Das gibt es bei ihm so nicht, New York, Sydney und L.A. ausgenommen.

 

 

Und kommt erst mal ein Stein ins Rollen, geht alles leichter, im zweiten Jahr sowieso. Gato Heroi zB ist der meist gehypte Underground Shaper im Moment. Dass er bei uns ausstellt, beeindruckt vielleicht Cyrus, dessen Teilnahme wiederum andere Türen öffnet. Heutzutage checken doch alle erst mal schnell, für welche Projekte du stehst und mit wem du verknüpft bist. Und da sind wir mit den Surf Film Nächten, die wir in ganz Nordeuropa veranstalten und unseren Media-Partnern BLUE, Nordic Surfers Mag, der englischen HUCK und dem französischen Beachbrother Mag gut aufgestellt.

Letzten Endes geht es um ein Netzwerk gleichgesinnter Menschen - egal ob sie aus Hamburg, Kopenhagen, Sydney, Kiel oder Biarritz kommen.

Das Syndikat: Mit Spannung erwarten wir ja wieder die Homegrown Shorties. Aus gut informierten Quellen wissen wir dass wir da Clips aus UK, Gotland, Dänemark, DER deutschen Seebrücke und dem Eisbach zu sehen kriegen. Was ist eigentlich mit den Holländern? Filmen die nicht mehr?

Und sollte nicht auch das Mittelmeer hier mit dabei sein? Ist ja auch ein Randmeer mit eher untypischen Surfbedingungen und für die Süddeutschen auch nicht weiter weg als für uns DK und somit ebenfalls „Home“.

Jens: Tja, die Holländer... Letztes Jahr hatten wir Yannick de Jager aus Scheveningen mit einem exklusiven Clip am Start, diesmal hat er einen Film bei den ‚International Shorties’ eingereicht. Die Teilnahmebedingungen für die ‚Homegrown Shorties’ sind halt sehr hart: Der Clip muss bei uns seine Weltpremiere feiern. Das bekommen viele nicht jedes Jahr hin. Trotzdem haben wir deutlich mehr Teilnehmer und ganz neue Regionen am Start.

Und das Mittelmeer? Wir haben lange überlegt und uns letzten Endes dazu entschlossen, einen Mittelmeer Clip der Onde Nostre Crew anzunehmen. Die Italiener haben eine ähnliche Surfidentität wie wir: Sie leben meist in Städten und müssen die ganze Zeit den Forecast checken und bereit sein, alles liegen zu lassen, um ein paar Wellen abzugreifen. International werden sie belächelt, doch sie lieben ihre kleine Szene, in der jeder jeden kennt. Gesurft wird meist im Winter und der DIY-Spirit wird auch bei ihnen hochgehalten. Und für die Münchener (die zum ersten Mal mit einem Fluss-Clip an den Start gehen) ist Italien in der Tat unser Dänemark. Also sind sie dabei!

Das Syndikat: Wir nehmen mal an, dass Du die Filme schon vorab gesehen hast. Hast Du schon einen persönlichen Favoriten, auf den Du Dich besonders freust?

Jens: Ha, ich habe längst nicht alle Filme gesehen, denn es gibt bestimmt kein so kurzfristiges Business wie die Surffilm-Welt. Zwei Drittel der Homegrown Shorties sind noch in Arbeit, Kai Nevilles ‚Anything Sing’ bekommen wir (wie es sich für eine Weltpremiere gehört) wahrscheinlich eine Stunde vor Aufführung direkt aus dem Schneideraum geschickt und mit der Photoshow von ‚The Old, the Young and the Sea’ reist der Regisseur persönlich aus Österreich an. ‚Bones Brigade – an Autobiography’ habe ich mir extra noch nicht angeschaut, weil ich mich seit einem Jahr auf den Film freue und ihn am Donnerstag auf der großen Leinwand sehen will. Der wahrscheinlich ungewöhnlichste Surfilm ist für mich ‚North of the Sun’, der am Samstag läuft: Zwei junge Norweger ziehen mit ihren Boards in eine  einsame Bucht auf den Lofoten und wollen dort ein Jahr lang mit dem überleben, was das Meer anspült. Bei den Verhandlungen über diesen Film hat es übrigens sogar sehr geholfen, dass wir vom gleichen Coldwater-Tribe sind!

Jean in seiner ganzen Altersweisheit

Das Syndikat: Letzte Frage: Jens, man sieht Dich jetzt ja öfters auf einem Longboard. Ist das eine Alterserscheinung oder ein Gesinnungswandel?

Jens: Das ist Altersweisheit. Es gibt für jede Welle das richtige Brett. Longboard/ Shortboard/ Alaia - alles macht Spaß, was funktioniert.Alleine  die Länge sagt ja oft gar nicht so viel darüber aus, ob das Teil schwer zu surfen ist. Ich habe mir gerade ein 9' 4" Gato Heroi geholt - schmale Nose, dünne Rails - eine Rakete in Beachbreaks, aber nix für Timmendorf.

Meinen Homespot Grande Plage surfe ich aber meistens auf einem 6' 0 Single Fin oder 5'11 Thruster.

 

Das Syndikat: Jens, Danke für das Interview, wir freuen uns auf das Festival!