Sonntag Nachmittag in Deutschand. Das Wetter ist grau und immer noch saukalt, der Frühling will einfach nicht kommen. Trotzdem brauch ich nur die Augen zu schliessen und schon zaubert sich ein fettes Grinsen auf mein Gesicht. Ein epischer Surftrip liegt hinter mir, perfekte Wellen, nette Menschen und sommerliche Temperaturen sorgten für unvergessliche 2 Wochen.
Dienstag, 7.März
Mitten in der Nacht gehts los. Schon um 6 soll der Flieger starten. Das bedeutet um halb 3 aufstehen. Übermüdet steh ich am Check-in, der geht problemlos von der Bühne, allerdings darf ich wiedermal 50 Eur für mein Surfboard berappen. Wann erfindet endlich mal jemand ein Boardbag in Form eines Golfbags, die gehen nämlich immer kostenlos mit ? Eine Ungerechtigkeit die ich noch nie verstanden habe. Im Warteraum schaue ich mich nach Jan aus HH um. Der sollte eigentlich im gleichen Flieger mitkommen. Ich kann ihn nirgends entdecken. Na, wird schon noch kommen denk ich mir. 'Ne gute Stunde später sitz ich in der Maschine, die zunächst nach München gehen soll. Jan ist immer noch nicht aufgetaucht. "Letzter Aufruf für Jan K." ...hmmm...der kommt wohl nicht mehr. Aus München ruf ich ihn an: "Scheisse Mann, in Hamburg ist Nachts der Strom ausgefallen, deswegen ging mein Wecker nicht...ich werd mal schauen ob ich irgendwie nachkommen kann...im Moment siehts nicht gut aus...". Ich möchte in diesem Moment nicht in seiner Haut stecken, draussen schneits schon wieder wie blöd und es wird dringend Zeit für ein paar wärmende Sonnenstrahlen und ordentliche Wellen, die Aussicht den lang ersehnten Urlaub im verschneiten Hamburg zu verbringen ist nicht sonderlich verlockend. Für mich gehts wie geplant weiter nach Agadir. Nach einem kurzen 4 Stunden Flug bin ich da. Auch die Passkontrolle klappt und bei der Gepäckausgabe treff ich gleich noch ein paar weitere Surfer die das gleiche Ziel haben wie ich: Taghazout, das Surfmekka Marokkos. Schnell wird ein Taxi geteilt und kurz später steh ich auf dem Balkon unseres Appartements in dem Hansi schon seit einigen Wochen wohnt. Kleine Lines sind auf dem Meer zu sehen, es wird also gleich noch eine Surfsession geben. Nach einem Whiskey Marrocaine (einheimischer Minztee mit vieeel Zucker) schäle ich mich gleich in meinen Neo für eine erste Session am berühmten Anchor Point. Die Wellen sind klein und haben nicht besonders viel Druck, so ist aber auch kaum was los auf dem Wasser. Genau richtig um sich erstmal ein bischen warm zu surfen. Den Abend lassen wir mit einer leckeren Gemüse-Tajine ausklingen. Dazu wird ein Tontopf mit kleingeschnittenem Gemüse ca 1 Stunde auf einer Kohleschale weichgekocht. Das Rezept der Tajine "German Style" kenn ich noch von früheren Trips, ich sag nur Kiri-Frischkäse ist das Geheimnis ! Jan hat sich inzwischen einen Ersatz-Flug besorgt und wird am Freitag eintreffen.
Mittwoch, 8.März
Erstmal Enttäuschung. Der kleine Swell vom Vortag ist noch kleiner geworden und in Taghazout läuft keine lohnenswerte Welle mehr. Wir hatten allerdings von einem Spot im Norden gehört, der auch dann noch funktioniert, wenn Taghazout beinahe flat ist. Also Sachen gepackt und ab zur Bushaltestelle. Haltestellenpläne gibt es nicht,der Bus kommt früher oder später, Incha Allah ("so Gott will", oder frei übersetzt, "nichts genaues weiss man nicht"). Hansi will nur mal eben das Angebot der örtlichen Apotheke checken, natürlich kommt der Bus genau in diesem Moment und ist genau so schnell wieder weg. Der nächste Bus kommt frühestens in 'ner Stunde. Zum Glück treffen wir Stefan und Jamal, die Beiden haben sich ein Auto gemietet und bieten uns an mitzukommen. Sie wollen an einen Spot noch weiter im Norden fahren. Also wird das Spritgeld geteilt. Albert "the Spongie" ist auch noch an Board und so gehts zu 5. los. Nach einer guten Stunde erreichen wir den Spot. Hinter einer Hafenmole läuft eine lange Rechtswelle ewig bis in einen tiefen Channel. Als wir ankommen wirkt die Welle noch etwas drucklos, also warten wir nch ein wenig, Lowtide ist erst in ein paar Stunden, dann soll die Welle besser laufen. Und tatsächlich, die Bedingungen werden immer besser. Irgendwann halten wir die Warterei nicht mehr aus und los gehts. Die Wellen sind etwa Schulterhoch und laufen tatsächlich ewig lang. Schnellere druckvolle Sections wechseln sich ab mit langsameren Sections, insgesamt eine recht gemütliche Welle. Ein paar mal spuckt mich die Welle erst nach ewig langen Rides in Strandnähe wieder aus, ich wähle den Landweg zurück zur Mole, anstatt den langen Weg mühselig zurückzupaddeln. Abends fahren wir gestoked zurück und nach einer weiteren Tajine begeben wir uns ins Land der Träume.

Donnerstag, 9.März
Wieder keine ordentliche Welle in Taghazout, also gehts wieder los zur Bushaltestelle. Hansi will nur mal eben noch ein paar Brote einkaufen und zack ist der Bus weg. Zum Glück treffen wir Stefan und Jamal wieder, die uns einsammeln. Wir fahren an den Spot der nach einem alten Schiffsboiler benannt ist, der dort aus dem Wasser ragt. Der Ein- und Ausstieg ist recht tricky, da es keinen Channel zum Rauspaddeln gibt und die Wellen über einem teilweise zackigen Steinriff bricht. So heisst es Setpause abwarten und dann neben dem Boiler schnell rauspaddeln. Caught inside am Boiler ist keine besonders gute Idee. Dafür sind die Wellen perfekt. Sauber kraftvoll und kopfhoch gehts nach rechts. Der Lineup ist recht voll, aber die Wellen sind es wert zu warten. Nach einer ausgiebigen Session verlassen wir gestoked das Wasser. Abends verpassen wir uns noch eine Fun-Session an einem uncrowded Beachbreak


Freitag, 10.März
Und wieder das gleiche Spiel, ab zum Bus, Bus verpassen, 1 Stunde später schaffen wir es tatsächlich ihn zu erwischen. Busfahren in Marokko ist ein bischen anders. Die Fahrer haben einen ziemlichen Rennfahrer-Stil drauf. Alles was zu langsam ist wird überholt oder langsame Wohnmobile auch mal von der Strasse gehupt. Die Wellen sind kleiner als am Vortag, dafür ist aber auch nichts los auf dem Wasser und die Wellen machen ordentlich Spass. Mittags kommt dann Jan auch endlich an. Wir begrüssen ihn mit Whiskey Marrocaine und machen uns auf zu einer 2. Session am Boiler. Die Bedingungen sind ähnlich wie am Vormittag und auch die Crowds bleiben fern. Wir bleiben bis zum Sonnenuntergang. Dann wirds spannend. Kommt noch ein Bus der uns mit zurücknimmt oder nicht ? Wir warten eine gute Stunde aber kein Bus kommt. Uns kommen langsam Zweifel. Da biegt er plötzlich doch um die Ecke. 500 m vorher bleibt er allerdings stehen. Panne, anscheinend geht das Licht nicht mehr. Eine halbe Stunde später kommt zum Glück noch ein weiterer Bus der uns einsammelt. Wir sind glücklich dass wir den langen Weg nicht zu Fuss laufen müssen und lassen den Tag wiedermal mit einer Tajine ausklingen.
 
Samstag, 11.März
Und wieder ab zum Boiler. Wenn ich mich recht erinnere haben wir diesmal wieder den Bus verpasst, diesmal waren die Donuts schuld. Aber irgendwie haben wir's dann doch wieder an den Spot geschafft. Der Swell ist grösser geworden und der Lineup ist proppevoll, Wochenende. Dafür sind die Wellen mal wieder perfekt und werden von Stunde zu Stunde grösser. Zum Schluss kommen einige massive Sets durch. Nach den dicken Wellen am Vormittag, entscheide ich mich Nachmittags dafür, das Photo-Equipment einzupacken und die Nachmittags-Session vom Strand aus zu verfolgen um die Perfektion in Bildern festzuhalten. Auf dem Wasser ist es ziemlich leer geworden, nur noch 5-6 Leute sind draussen. Die Jungs haben 'ne Menge Spass, kriegen aber auch von dem einen- oder anderen Cleanup-Set auf den Deckel. ich bin zwiegespalten, teilweise möcht ich auch im Lineup sitzen, teilweise freue ich mich über meinen sicheren Standort hinter der Kamera. Die Photosession hat sich gelohnt, ich habe einige gute Shots im Kasten.

Sonntag, 12.März
Blick vom Balkon, Yeees, die Spots in Taghazout sind zum Leben erwacht. Der Anchor Point scheint zu laufen. Wir machen den Fehler erst noch zu frühstücken, denn als wir am Anker ankommen, ist die Tide bereits zu hoch, die Wellen laufen nicht mehr ordentlich. Um überhaupt ins Wasser zu kommen gebe ich mir eine Session an einem Mushy und ziemlich von Anfängern überlaufenen Beachbreak. Kein Ersatz für 'ne ordentliche Anchors-Session. Dafür gibts am Nachmittag epische Bedingungen. Die Wellen sind glassy und overhead und laufen sehr sauber und kraftvoll, die Sonne scheint von hinten durch die leicht hohl brechenden Wellenlippen. Ich habe eine der besten Sessions meines Lebens, wenn nicht sogar die beste. Big Stoke! Jamal und Stefan kommen abends noch auf eine Tajine vorbei und wir lassen den Tag entspannt ausklingen.

Montag, 13.März
Heute gehts gleich nach dem Aufwachen an den Anker. Keine Zeit mit langen Frühstücken verplempern, dafür ist auch später noch Zeit. Wir haben so langsam den richtigen Rhytmus gefunden. Schlafen, Essen, Surfen in variierender Reihenfolge. Abends noch eine Session am Boiler, natürlich mit dem obligatorschen verpassten Bus und die Welt ist gut.

Dienstag, 14.März
Das frühe Aufstehen lohnt sich auch heute wieder. Es gibt wieder Glassy Wellen am Anchor Point und auch die Abendsession ist zwar etwas windiger aber die Wellen laufen trotzdem gut. Hansi hat mir versprochen auch mal den Photog zu spielen und schafft es tatsächlich 'ne gute Stunde am Strand mit der Kamera zu bleiben obwohl draussen gute Wellen brechen, eigentlich eine unerträgliche Situation für ihn. Er schafft es tatsächlich einige Shots von mir machen. Danke Buddy! Den lassen wir bei Aaron, dem Kiwi und Alex aka. Stallion dem Italiener ausklingen, sie hatte uns zum Pasta essen eingeladen, wobei widerlegt werden konnte das ein Italiener nicht zwingend gute Pasta kochen muss...die netten Leute, die Vorspeise und der Nachtisch (Süsse Teilchen im Wert von ca.9 Euro, damit kriegt man locker 10 Leute zum platzen) entschädigten für alles.

Mittwoch, 15.März
Da es doch etwas später wurde und die Wellen beim Check nicht besonders einladen aussahen wurde erstmal ausgeschlafen. Nachmittags gings wieder an den Boiler. Allerdings wurde unsere Geduld gefordert, denn die Tide war noch viel zu hoch. Erst um 4 gings langsam los und die Wellen brachen in surfbarer Entfernung von den Steinen. Die beiden Frenchies waren die ersten auf dem Wasser und versuchten sich in die kleinen Barrels zu quetschen.

Donnerstag, 16.März
Gleich nach dem Aufstehen den Boiler gecheckt, allerdings lief selbst hier nichts ordentlich surfbares, so kehrten wir unverrichteter Dinge zurück. Ich hatte mich innerlich schon auf den ersten surflosen Tag eingestellt, am Nachmittag waren dann aber doch schon wieder einige kleine Wellen am Panorama Point zu entdecken. Als doch ab ins kühle Nass. Nach einer knappen Stunde und einigen kleinen mushy Wellen fängt der Swell plötzlich an zu pumpen und schickt schnelle schulter- bis kopfhohe Schönheiten an den Strand. Der Wind lässt völlig nach und so gibt es doch wieder eine ziemlich coole Session. Der neue Swell ist angekommen.

Freitag, 17.März
Der Swell ist über Nacht ziemlich gross geworden. In der Entfernung sind massive Sets am Anchor Point zu sehen. Ich beschliesse mit Jan mein Glück am Panorama Point zu versuchen, wo die Wellen nicht ganz so gross aussehen. Leider ist die Strömung zu stark und es gibt keine Möglichkeit den Lineup zu halten. Nach kürzester Zeit sind wir über 500 m abgetrieben und geben auf. Ich schnappe mir mein Kamera-Equipment und laufe zum Anchor. Die Wellen sind riesig und dementsprechend sind nur wenige Leute im Wasser. Hansi ist mit draussen und versucht - mit Erfolg - sich einige Bomben zu schnappen. Besonders beeindruckend ist die Performance des erst 17jährigen marrokanischen Surfchamps Yassine Ramdani, der die Bomben zerlegt als wären es 3-Fuss Beachbreak-Wellen. Während die anderen Jungs teilweise nicht mal eine Welle erwischt haben,kommt der Junge schon das dritte mal auf dem Landweg an mir vorbeigejoggt nachdem er jeweils eine lange Welle bis in die Bucht abgeritten hat. Ich bin beeindruckt. Sponsoren holt euch den Jungen ins Team! Abends wage ich mich nochmal an Panoramas. Die Wellen sind auch hier recht gross, allerdings brechen sie etwas seltsam, nach einem steilen Takeoff, flacht die Schulter schnell ab. Bald dreht der Wind auf onshore und verbläst die Wellen volkommen. Abends kommen die Aussies noch vorbei um auch mal in den Genuss einer "German Tajine" zu kommen. Es wird wieder ein entspannter netter Abend


Samstag, 18.März
Kein Morgensurf da der Wind immer noch onshore kommt und die Points nicht ordentlich laufen, abends gibts aber doch noch eine verblasene Session im Shorebreak vom Hash Point. Die Wellen haben ganz gut Power und brechen teilweise hohl.

Sonntag, 19.März
Endlich gibts auch für mich wieder 'ne Anchor Session. Die Wellen kommen in einer ungewöhnlich kurzen Periode, so dauert es eine Weile bis ich vom Felsen ins Wasser springe. Draussen wirds wieder eine gute Session. Bei meiner letzten Welle fahre ich noch einen letzten Turn in die Welle bevor sie Closeout bricht. Ich springe vom Brett und erwarte, dass ich gleich den Zug der Leash an meinem Bein spüre aber es macht nur snip und ich merke wie die Leash sich vom Bein löst. Ich tauche auf und sehe mein Brett vor den Wellen davontänzeln und schliesslich auf den Felsen landen und liegenbleiben. Nach einer Schwimmeinlage rette ich mich auch über die Felsen an Land. Das Brett hat erstaunlich wenig abbekommen, an einer Stelle ist ein wenig Harz abgeplatzt, das wars. Epoxy rulez ! Allerdings ist eine Finne gebrochen. Da es inzwischen 5 Surfshops in Taghazout gibt komme ich recht einfach an Ersatz und so gibt es noch eine Abendsession im Hash-Point Shorebreak. Am Abend gibts mal wieder ein fettes Fressen, diesmal bei den Aussies.

Montag, 20.März
Der letzte volle Tag, die Wellen sind kaum noch vorhanden. Trotzdem reicht es am Nachmittag noch für eine letzte spassige Beachbreak-Session. Kein Tag ohne Surf. So soll es sein! Die anderen Deutschen, die sich direkt am Anchor Point eingemietet haben, hatten zu einer kleinen Abschiedsparty geladen. All die netten Leute die wir auf diesem Trip getroffen haben waren versammelt, ein perfekter Abschluss für einen perfekten Trip.

Traurig steige ich am nächsten Tag mit Jan in den Flieger zurück nach Hause, nach anfänglichem Abschiedsschmerz bleiben allerdings eine Menge guter Erinnerungen an eine verdammt gute Zeit und da ist es wieder, das fette Grinsen in meinem Gesicht.