Cornish Quickie

Der Oktober war ja ein goldener Monat für den europäischen nördlichen Atlantik mit diversen Hurricanes und ganz viel östlichen Winden. Mitte Oktober konnte ich mir das Ganze nicht mehr nur von der Ferne anschauen und musste dringend los. Hurricane Rafael hatte seine Grundschwellungen los geschickt und für die keltischen Gebiete rund um den Kanal waren östliche Windrichtungen angesagt. Problem dabei: ich hatte nur 6 Tage Zeit und für die in Frage kommenden Zielgebiete in der Bretagne und in Cornwall musste ich netto 3 Tage Fahrzeit für An- und Abreise rechnen. Blieben 3 Tage am Strand. Um da das Maximum an Wasserzeit rauszuholen war präzises Timing gefragt.

Der Peak des Grundschwells war für Sonntag angesagt, mit 7 Füßen bei 17 Sekunden Periode. Samstag sollte der Schwell das erste Mal mit 2 Füßen bei 20 Sekunden spürbar werden und noch bis Dienstag mit dann immer noch 3 Füßen bei 14 Sekunden nach laufen. Der Wind sollte in diesem Zeitraum zwischen Südost, Nordost und Ost pendeln. Die Windprognose war für Cornwall etwas günstiger und ich war lange nicht mehr dort gewesen, also entschied ich mich am Mittwoch für diese Region. Mittwoch war dann auch der letzte Zeitpunkt, um die Überfahrt mit der Fähre von Calais nach Dover noch halbwegs günstig zu buchen. Danach wird das täglich teurer und eine Buchung am Reisetag kostet schon locker das Doppelte. Um ausreichend zeitlichen Puffer für die Anreise zu haben, buchte ich die letzte Fähre mit Abfahrt um 23:00 Uhr.

Donnerstag Abend startete ich den Lastwagen und schaffte mein erstes Etappenziel kurz vor Amsterdam. Auf die Art konnte ich die stauanfällige Strecke dahin ohne Behinderung hinter mich bringen. Freitag kam ich auch gut voran und in der Gegend von Antwerpen ergaben meine Hochrechnungen eine Ankunft in Calais rund 3 Stunden vor der Abfahrtszeit. Ich begann zu grübeln. Es wäre ja gut, in der Nacht noch um London rum zu fahren um hier nicht unnötig Zeit im Berufsverkehr zu verlieren. Ziel war es ja, möglichst noch Samstag Nachmittag die 2 fuß @ 20 Sekunden des frischen Swells abzugreifen. Sollte ich mich in Calais noch 3 Stunden auf´s Ohr hauen, um nach der Überfahrt noch lange genug fahren zu können und London zu passieren? Mit Pech würde ich aber verpennen und damit erst am nächsten Morgen übersetzen zu können.

Ich kam dann so früh in Calais an, dass ich noch ausreichend Zeit hatte, beim Supermarkt meiner Wahl die Vorräte aufzufüllen und schon mal die Bestellungen von zu Hause abzuarbeiten und noch rechtzeitig für die 20:00 Uhr Fähre im Hafen anzukommen. Ich beschloss mich dumm zu stellen und einfach zu früh an den check in Schalter zu fahren. Dort traf ich auf eine nette Dame, die sich tierisch freute, dass sie mich ohne Aufpreis auf die frühere Fähre buchen konnte. Kurz in´s Stocken kam ich dann aber, als die britische Polizei feststellte, dass mein Personalausweis bereits seit ein paar Monaten abgelaufen war. Gedanklich ging ich schon Plan B durch, aber nach etwas bangem Warten auf der Polizeistation ließen sie mich ohne weitere Probleme einreisen.

So schaffte ich es, gegen 23:00 Uhr Festlandzeit in Dover von der Fähre zu rollen und noch halbwegs wach um London rum zu fahren. In ausreichender Entfernung von diesem Moloch übernachtete ich dann auf einer Raststätte kurz vor dem Abzweig der Landstraße von der M3. Die britische Zeit, die 1 Stunde hinter der Festlandzeit liegt, ignorierte ich bewusst und machte mich so weit vor dem lokalen Sonnenaufgang wieder auf den Weg. Als sich im dichten Nebel abzeichnete, dass gerade so etwas wie ein Sonnenaufgang stattfand, erreichte ich Stonehenge. Vorsichtshalber hielt ich an und bat die alten Götter um gute Wellen.

Die Landstraße zwischen Andover und Exeter ist zu gut zwei Drittel vierspurig und das restliche Stück bis St. Ives ebenfalls Autobahnmäßig ausgebaut. So erreichte ich am frühen Nachmittag die Bucht von St. Ives und es blieb mehr als genug Zeit für eine erste Session. Der erste Surf Check enttäuschte dann etwas, es liefen gerade einmal hüfthohe Wellen, ohne viel Druck rein. Von 2 Fuß mit 20 Sekunden hatte ich mir mehr versprochen. Wegen der Wochenend Crowds mied ich Godrevy und ging letztlich am Altherren- und Longboard Strand an der sandigen Farm raus. Dort hatte ich eine Sandbank für mich alleine und konnte ein bisschen auf der langen Planke rutschen.

Am nächsten Morgen rollte ich dann im Halbdunkel in die Zufahrt zur sandigen Farm, voller Spannung, ob und in welcher Form der Swell jetzt angekommen war. Das Gatter war noch verschlossen und so marschierte ich erst einmal zu Fuß für einen ersten Surfcheck zur Dünenkante. Ein ganz leichter offshore fächelte durch den Morgennebel und versprochen waren 4 Fuß mit 17 Sekunden. Der erste Blick auf die See offenbarte dann sauberste Lines, die in einer Größe brachen, die bereits an meiner derzeitigen machbaren Grenze lagen. Es ist doch immer wieder erstaunlich, welch immensen Einfluß die Swell Periode auf die tatsächliche Wellengröße hat. Als dann endlich der Eigentümer des Grundstücks ankam und das Gatter öffnete löste ich schnell mein Park Ticket (in England kann man ein Vermögen ausgeben, nur um Zugang zu strandnahen Parkplätzen zu bekommen) und fuhr nach vorne. Dort lief ich erst einmal ein bisschen durch die Dünen um ein genaueres Bild über die diversen Sandbänke und die Wellen zu kriegen. Schnell merkte ich dabei, dass sich die 4 Füße so alle 15 Minuten als Riesenschlappen manifestierten und doppelt kopfhohe Wellenvorderseiten produzierten. Das war ein bisschen zu viel für meinen aktuellen Fitnesszustand und ich beschloss hier nur zuzuschauen.

Nach einiger Zeit fuhr ich dann nach Godrevy rüber und wollte mir die Show dort anschauen. Leider hatte ich nicht genügend Kleingeld für den Parkticketautomaten dabei und stellte die Karre erst einmal so ab, um einmal kurz die Wellen zu checken. Angesichts der Wasserberge, die in Sets gut 3 mal so hoch wie ein normaler Mensch waren – das Carve Mag hat den Tag später als „Super Sunday“ tituliert – dauerte der Check etwas länger und als ich zurück kam, hatte ich einen Strafzettel am Scheibenwischer. Ich wollte mich gerade richtig da drüber ärgern, als ein Local ankam und mir sein Parkticket überließ. Wieder einmal bestätigte sich, dass die Menschen in dieser Ecke Englands überwiegend super nett sind.

Der Wind hatte inzwischen ein bisschen mehr auf nördliche Richtung gedreht. Für mich der Anlass, die Küste zu wechseln und mir Englands zweitbeste Welle anzuschauen. Nach rund einer halben Stunde Fahrt marschierte ich auf die Hafenmole und war erst einmal verblüfft, um wie viel kleiner die Wellen hier brachen. Englands beste Rechte – die beste Welle ist eine Linke an der Nordsee – brach trotzdem, allerdings in super flaches Wasser und rund 90% der rechts brechenden Wellen tubten mit einer Geschwindigkeit über dem Fels Riff, die gerade einmal für Boogieboarder machbar war.

Im Schatten der berühmten Rechten bricht allerdings eine auch nicht schlechte Linke, die mit der niedrigen Tide wesentlich besser zurechtkam. Die war allerdings durch einen Contest belegt. Also begnügte ich mich auch hier mit Zuschauen bis es dunkel wurde. Auf dem Rückweg zum Van fiel mir dann auf, dass ich an dem Tag noch nicht wirklich etwas gegessen hatte. Der Ship Inn am alten Hafen war sehr gut besucht, was auf eine gute Küche hindeutete. Hier kehrte ich ein, füllte die Speicher mit einem guten Curry und einem dunklen lokalen Bier auf und ging früh zu Bett.

Montag war ich dann wieder zum Sonnenaufgang auf der Mole und es wurde ein klassischer Montag. Wunderbarer Sonnenaufgang, solider Swell und die passende hohe Tide. Alles, was man braucht, um den 9 to 5 arbeitenden Teil der Menschheit ordentlich zu frustrieren. Trotz des verführerisch einfachen Zugangs zur Welle durch die wellenfreie Hafeneinfahrt widerstand ich der Versuchung, hier raus zu paddeln und überließ die saugende Welle den Leute, die damit etwas anfangen können. Das resultierende Barrelfest schaute ich mir dann bis in den späten Vormittag hinein an und wechselte dann wieder die Küste.

Der sandige Bauernhof war erneut mein Ziel und die Wellen brachen hier in den Sets auch noch locker kopfhoch und der Wind bließ sideoffshore und ich griff mir mein Longboard und suchte mir meine private Sandbank aus und hatte zwei schöne Sessions bei denen ich mir ungestört die Setwellen holen konnte und meine lange Planke die schnellen langen Linken entlang prügeln konnte.

Nach meiner zweiten Session stellte ich wieder einmal erstaunt fest, wie sehr Surfen in dieser Gegen doch Alltagssport ist. Viele Locals hatten offensichtlich etwas früher Feierabend gemacht und strömten nun zum Strand. Kleine Jungs mit ihrem Opa waren dabei, Frauen mittleren Alters, Männer, die sogar noch älter als ich waren, der Typ in den Zwanzigern, der noch im Business Suit mit Krawatte hektisch die Piste zum Parkplatz herunter bretterte, das Brett lag sicherlich schon den ganzen Tag im Kleinwagen herum. Wenn ich so etwas sehe, kommt mir der Aufwand an Fahrerei, den unsereins so für das Surfen betreibt, immer ziemlich absurd vor.

Der Montag war also ein guter Tag. Trotzdem war ich noch hungrig, denn am Dienstag musste ich mich ja bereits auf den Rückweg machen. Ich wollte daher wieder früh schlafen gehen. Am Parkplatz im Hafen von Penzance konnte man für 2 Pfund günstig die ganze Nacht über stehen und bisher war es hier auch immer schön ruhig gewesen. Doch an diesem Abend hatte sich die örtliche Landjugend auf dem Parkplatz versammelt und begann, kaum dass ich mich hingelegt hatte, Autorennen auf dem Parkplatz zu fahren. Noch gut zwei Stunden lang wurde ich durch heulende Motoren und quietschende Reifen vom Schlaf abgehalten.

Am nächsten Morgen schaffte ich es trotzdem relativ früh aus den Federn und wieder in die Bucht von St. Ives. Dichter Nebel hing über der Gegend und der Lineup war vom Ufer aus kaum zu erkennen. Dafür war es absolut windstill und nette 2 bis 3 Füße lieferten brusthohe Wellen ab. Im dicken Nebel war es nicht ganz einfach, die Position im Lineup zu finden und die Sets rechtzeitig zu erkennen. Trotzdem konnte ich noch einmal zwei nette Sessions, wieder auf der langen Planke, abgreifen, bevor ich mich auf den Rückweg machen musste. Ich machte dann noch einen kleinen Abstecher in das Bodmin Moor, um an den örtlichen Steinkreisen meine Danksagungen für die guten Wellen der letzten Tage abzuliefern. Hier wurde es dann etwas gruselig, als mit der Dämmerung eine dicke Nebelwand ziemlich schnell auf mich zukam und die Sicht urplötzlich auf nicht mehr als 10 Meter herunter ging. Gleichzeitig tauchten schräge Gestalten, die einer Sherlock Holmes Geschichte entlaufen schienen und riesige Hunde schemenhaft zwischen den Hinkelsteinen und Sumpflöchern auf. Ich machte mich schleunigst auf den Rückweg zum Van.

Die weiteren 1300 km Rückreise verliefen wieder ohne Probleme. Kurz nach Mitternacht war ich in Dover angekommen, war am nächsten Morgen rechtzeitig für die 8:00 Fähre wach und kam auch durch Frankreich, Belgien, Holland und Niedersachsen relativ staufrei durch. Um 21:00 stellte ich den Motor in Hamburg ab. Die gewagte Fahrzeit zu Strandzeit Ratio des Kurztrips von jeweils 50% hatte sich gelohnt. Allerdings muss dazu halt vieles passen, Swell, Windrichtung, Tiden, Fährzeiten, Fahrzeiten und die Laune der steinzeitlichen Götter.

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coole story, aber was ist

Rooted Origin on Do, 11/29/2012 - 01:35
coole story, aber was ist denn deine sandige farm für ein spot? und beim nächsten mal einfach bei mir vorbeikommen, ich wohn bei www.homeblown.co.uk und arbeite da in Redruth. hier gibts strom dusche und internet und den surfguide mach ich auch gern. bis zum nächsten trip. lg Christian.
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oh, vielen Dank!

tripmaster on Do, 11/29/2012 - 10:15

oh, vielen Dank für die Einladung! Werde ich beim nächsten Mal gerne annehmen.
Die sandige Farm ist gleich wenn Du aus Hayle raus kommst (auf dem Weg nach Gwithian) über die super holprige Straße zu dem Parkplatz an der Dünenkante, unterhalb von dem Campingplatz. Ist offensichtlich Privatgrund und die Farm heißt Syndy Acres oder so ähnlich. Kostet auf jeden Fall weniger Parkgebühr und ist nicht so voll wie Gwithian am großen Parkplatz.
Cheers
Tom

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ah so... der spot wird

Rooted Origin on Do, 11/29/2012 - 13:39
ah so... der spot wird meisstens als mexicos bezeichnet... wenn es einen richtig fetten swell gibt so ab 10 fuss aufwärts solltest du in hayle am skatepark die strasse reinfahren.... bis zum ende. da kommt ein restaurant. the bluff inn oder so. da läuft bei hightide ne lange longboarder rechte. also einfach nächstes mal vorbeikommen. dann kann ich dir nach dem dann aktuellen wetter tips geben :-) von wann bis wann warst du genau da?
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meinst Du

tripmaster on Do, 11/29/2012 - 19:48

Den Bluff Inn hab ich gesehen, der ist gleich nach der alten Kirche und dem schrägen Friedhof. Meinst Du die Welle an der Flussmündung? Hab da nur ´ne Linke ausmachen können, die interessant aussah.
war vom 20. bis 23.Oktober in der Gegend.
beim nächsten Mal schau ich gerne bei Dir vorbei!

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coole story, aber was ist

Rooted Origin on Do, 11/29/2012 - 01:35
coole story, aber was ist denn deine sandige farm für ein spot? und beim nächsten mal einfach bei mir vorbeikommen, ich wohn bei www.homeblown.co.uk und arbeite da in Redruth. hier gibts strom dusche und internet und den surfguide mach ich auch gern. bis zum nächsten trip. lg Christian.
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Cornish Quickie

stoked on Mi, 11/28/2012 - 23:15
Ein herrlicher Beitrag, echt schön geschrieben... ich glaube, ich muss da auch mal hin!!!
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Tom...

boerni on Mi, 11/28/2012 - 23:13

Wahnsinns Trip und Wahnsinns Bilder! :D :D :D

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Timing ist alles

Tim on Mi, 11/28/2012 - 18:15

Der Tripmaster macht seinem Namen alle Ehre. Erinnert mich an meinen 5-Tages-Trip nach Frankreich vor einigen Jahren. Danach fühlte ich mich zwar wie ein frisch gef#?%&$tes Eichhörnchen, war aber froh, den Trip gemacht zu haben - und es waren damals "nur" 1,8m bei 14 Sekunden angesagt...