Vercheckt – Oder: das Leben ist eine Baustelle
Alle drei Forecaster meines Vertrauens sagten für Dienstag Nordswell um die 3 Meter bei 10 Sekunden für die Gegend zwischen Norwegen und Schottland voraus. Alle drei Forecaster versprachen für Dienstag leichten Wind aus östlichen Richtungen. Alle drei Forecaster behaupteten, dass von dem Nordswell so gut wie nix an Däniens Küste ankommen würde.
Ich beschloss, die letzte Aussage der Gurus zu ignorieren und darauf zu bauen, dass Norwegens Küste den Swell schon in die richtige Richtung beugen würde.
Dienstagmorgen dann Schneeregen in Hamburg. Auch den ignorierte ich und machte mich auf den Weg gen Norden. Bis zur dänischen Grenze kam ich ohne irgendwelche Behinderungen. Nur am ersten kostenfreien Scheißhaus gleich nach der Grenze wurde ich dann von ein paar dänischen Truckern eingebremst. Alle Toiletten waren besetzt, auch die auf dem Damen Klo, und die Jungs brauchten ewig um ihre Pölser abzuseilen. Denen würde mal ein Roots Trip nach Marokko und die Erledigung von größeren Geschäften im Freien bei ordentlicher Sandstrahlung durch den Nordost Passat gut tun.
Irgendwo auf halbem Weg nach Ribe war dann Delda RRadioo nicht mehr verständlich und ich switchte auf CD. „Morrison Hotel“ von den Doors brachte mir schlagartig in Erinnerung, was richtige Musik ist. Dänische Landstraßen bei Tageslicht in Verbindung mit deutschen Osterferien sind nicht geeignet, wellenhungrige Menschen ruhig bleiben zu lassen. In diesem Fall sparte mir das aber eine ordentliche Stange Geld, denn kurz vor Varde stand rechts auf dem Parkstreifen ein silberner T5 mit satinierter Heckscheibe und drei rechteckigen Aussparungen in der Folie. Kurz vorher hatte mich noch ein entgegenkommender Däne mit der Lichthupe angeblinzelt, nun wusste ich warum. Durch die verbleibenden klaren Bereiche an der Heckscheibe des Vans lugten Kameras und Blitzgeräte. Glück gehabt, denn normalerweise bin ich hier mit etwas mehr als 80 kmh unterwegs.
Bei dem Bummeltempo blieb Zeit für eine zweite CD, die Hendrix Compilation bestätigte meine Einschätzung über moderne Musik von vorhin. Inzwischen war die Sonne raus gekommen, der Wind fächelte von Osten und ich rollte voller Erwartung auf den Parkplatz bei der Großbaustelle. Ich sah noch zwei Typen im Ganzkörpergummi über die Dünen verschwinden und hetzte hinterher. Oben auf der Düne schlug mir der Lärm von Abbruchbaggern und großen Lastwagen entgegen. Die Jungs bastelten fleißig an ihrer neuen Mole. Die See hinter der Baustelle war glatt. Leider zu glatt. Im Hafenbecken gondolierten zwei Jungs in knöchelhohen Brechern. Links von der neuen Mole war draußen ein kleiner Peak erkennbar, die Welle brach hier sauber aber in den seltenen Sets höchstens Bauchnabelhoch. Da hatte ich mir doch mehr erwartet. Aber im Norden blüht die Hoffnung und so machte ich mich wieder auf den Weg, strapazierte meine Nerven beim Kampf durch die Urlauberkohorten auf dem Wegstück bis Sondervig und gab danach ordentlich Gas.
Wenigstens schien die Sonne und die Windräder kuckten regungslos nach Osten und als ich zur Kuh rollte war ich wieder guter Dinge. Doch der erste Blick auf den Teich brachte wieder eine Enttäuschung. Knie- bis hüfthohe Linien rollten zwar ab und zu in Richtung Strand, aber leider in viel zu spitzem Winkel und so verloren sie sich am Ufer in unbrauchbarem Schwabbel. Scheiß Nordswells, es ist sauschwierig für deren Winkel an der Westküste passende Bänke zu finden. Da ich auch bereits die Tagestrip Grenze erreicht hatte, stand eine Weiterfahrt noch höher in den Norden nicht zur Debatte. Außerdem konnte es doch nicht sein, dass die 3 Meter vor Shetland – selbst für den Bereich rund 50km westlich von Blavand waren noch 2 Meter angesagt – gar nicht die Kurve kriegen würden. Ist das Wasser vor Norwegen zu tief, um die Swells zu beugen? Verhindert die Erdrotation, dass da was nach Osten hin rüber zieht? Haben die Briten einen Magneten am Laufen, der die Nordswells von uns weg hält?
Die ein oder andere weiter draußen brechend Line ließ mich noch etwas hoffen und so hing ich noch 1 Stunde an der Kuh rum, checkte noch mal die Transen – Küste, fuhr wieder zurück zur Kuh. Dort planschten nun zwei Dänen mit Lang und Kurzbrett in den „Brechern“ rund 4 Meter vor den Steinen. Ich schaute mir das zwei Kaffeetassen lang an und brach dann wieder auf.
Vielleicht ging ja was in T-bones. Das erste was ich dort sah waren wieder überdimensionierte Baustellenfahrzeuge. Sie reparierten gerade die in den Winterstürmen ziemlich angefressene Düne. Draußen war ein Saugbaggerschiff am arbeiten. Das könnte wieder was werden hier und tatsächlich wurden die kleinen „Swell“ Lines hier schon deutlich besser in Form gebracht als an meinem vorherigen Standort. Allerdings hatte ich ein bisschen Schiss vor den doch recht flott rumfahrenden Großgeräten und beschloss, mein Glück an der ersten Baustelle zu suchen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Wenigstens passte der Wind, der kaum noch spürbar aus Ost fächelte. Also wieder rauf auf die Düne. Was ich dort sah, war noch enttäuschender. „Swell“ noch kleiner und brach nur noch auf einer Sandbank kurz vor dem Ufer. Nur hin und wieder stolperte weit draußen eine Falte über eine Sandbank, doch die nahm der Dünung nur noch mehr Druck auf dem Weg an den Strand. Normalerweise geh´ selbst ich in so was nicht aus. Aber nun war ich schon mal hier, die Sonne schien, kein Wind und vielleicht würde ja doch das ein oder andere Set durch kommen. Also zwängte ich mich in das Neopren, griff mir mein Longboard und latschte ins Lineup. Nach relativ kurzer Zeit kam dann tatsächlich eine hüfthohe Falte reingerollt. Take off, bottom turn, zurück gedreht zur „Pocket“, Surfen ging also noch. Wobei ich mit dem Wellen runterrutschen eh immer weniger Probleme hatte als mit der Paddelei…..
Das war´s dann aber schon. Danach kam nix mehr, ich sonnte mich noch ein Weilchen in der leicht schwabbelnden See, sah hin und wieder draußen sich eine Welle aufstellen, anbrechen und dann in Nichts auflösen. Beim untätig herum sitzen wurde mir dann bald kalt und ich ließ es sein.
Wie ging der Spruch noch? Lieber die Blinde im Bett als die Taube auf dem Dach (oder so ähnlich)? Wär ich bloß der alten Surfer Regel gefolgt und am ersten halbwegs surfbaren Break ins Wasser gegangen…….
Immerhin war all die Fahrerei und das ausgestoßene CO2 nicht ganz vergeudet und der Tag verschaffte mir ein paar Erkenntnisse:
Ich weiß nun definitiv: bei Nordswell nach Holland und nicht nach Dänemark fahren.
Die Sonne hat bereits ordentlich Kraft und so ist es bei Windstille trotz niedriger einstelliger Temperaturen im Wasser gut auszuhalten (solange man sich hin und wieder bewegt).
Die Musik der Alten ist die bessere (auf dem Rückweg hab ich durchgängig Led Zeppelin gehört, unerreicht die Kombo).
Mit all den Baustellen und der Sandsaugerei werden die Karten an Däniens Küsten neu gemischt. Fürchte nur, dass die erste Baustelle nix Gutes bringen wird für uns Surfer. Übrigens ist die alte erste Mole nun definitiv Geschichte. Bis auf einen kleinen Stummel ist das gute Teil nun vollständig abgetragen, mit dem Meißel klein gehackt und durch den Shredder gejagt. Der übrig bleibende Sand wird zum planieren der neuen Mole benutzt.
Schon bitter. Das Teil hat uns über Jahre hinweg viel Spaß gebracht und zuletzt wenigstens einen Teil der Crowds davon abgehalten, weiter zu fahren.
R.I.P Südmole.
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...ist schon hart!
boerni on Mi, 04/04/2012 - 20:22Ich hätte mehr als ne Krise bei meiner heutzutage knapp bemessenen Zeit und den Spritpreisen bekommen! :(
Aber sieh es Mal so... Wie gestoked wirst du bitte sein, wenn du das nächste Mal scorest! Dann ist dieser Trip ganz schnell wieder vergessen! Vielleicht ja, wenn wir demnächst gemeinsam unterwegs sind...
danke für die aufmunternden Worte
tripmaster on Mi, 04/04/2012 - 15:35aber langsam nervt das, dass ich von meinen Expeditionen an die Nordsee in letzter Zeit immer nur mit Looser Berichten zurück komme.
Noch mehr nervt mich, dass ich diese Nordswells nicht verstehe. Atlantische Grundschwellungen ähnlicher Größe biegen doch auch um gute 30 Grad ab. Warum machen das die Nordmeerschwellungen nicht? Zu wenig Periode????
Manchmal ist es nur ein µ ...
Tim on Mi, 04/04/2012 - 17:26... das zwischen geht und geht nicht entscheidet. Gerade bei so grenzwertigen Konstellationen und derart kleinen Zeitfenstern muss halt alles passen. Zur falschen Zeit ein µ zuviel Strömung aus der falschen Richtung, oder ein µ zuviel oder zuwenig Wasser, ein µ zuviel falsche Wind- oder Swellrichtung... Was meinst du wohl wie oft ich schon hochgefahren bin, nur um 100 Liter Diesel später und eine Erfahrung reicher wieder nach Hause zu kommen? Und was meinst du wohl, warum ich bei solch grenzwertigen Konstellationen seit geraumer Zeit stets ein SUP dabei habe?
Immerhin
Tim on Mi, 04/04/2012 - 13:19etwas Seeluft geschnuppert.
Der Wille...
coldwaves on Mi, 04/04/2012 - 12:16...war jedenfalls da.