Nordwest an der Südmole in frauer Vorzeit
Dass ich sowas noch erleben muss. Eine unglaublich große Zahl an Menschen lässt sich einreden, dass man mit dem Schließen von Grenzen Probleme löst (die möglicherweise gar nicht unsere dringendsten Probleme sind). Eine unfassbar große Zahl von Europäern meint, dass sie besser zurechtkommt, wenn sie sich gegenüber ihren Nachbarn abschotten. Und den Euro wollen sie auch gleich noch abschaffen.
Ich mein, ich hab das noch live und in Farbe erlebt, den eisernen Vorhang und das mit den Grenzen. Klar, man konnte mit seinem Reisepass angeben und den vielen Stempeln in fremder Sprache da drin. Und ich war ziemlich gut im Kopfrechnen beim Umrechnen von Lira, Francs, Peseten, Schilling, Escudos, Slotis und anderen in DM. Ich hab da auch noch irgendwo einen Haufen Münzen und ein paar Scheine zusammen mit ein paar Traveller Schecks rumliegen. Will die jemand haben?
Nordwest zu Zeiten deutsch-dänischer Grenzkontrollen und bevor surfen Massensport wurde
Die Grenzkontrollen waren auch immer recht spannend, da schon damals „anlassorientiert“ kontrolliert wurde. Langhaariger Bombenleger in rottigem VW Bus? Drogenschmuggler! Und die Staus an so einer Grenze, LEGENDÄR! Übrigens musste man damals zum Beispiel im Baskenland, aber auch in Südtirol schon ein bisschen vorsichtig sein. Denn die durch die Grenze getrennten Völker / Stämme fanden das nicht so lustig und haben deshalb hin und wieder mit Sprengstoff hantiert. Bei den Korsen ging es auch gut ab und bei den Iren sowieso. Das organisierte illegale (Mafia) und legale (Banken) Verbrechen hat sich übrigens damals schon von den Grenzen nicht weiter stören lassen und lieber den Wust an nationalen Gesetzen und Regeln kreativ genutzt um die Kohle zu waschen.
Nordwest vor Kurzem an der Ostsee (Bild gefaked vom Foto-Illusionisten Christoph)
Aber wahrscheinlich interessiert das hier eh keinen. Warum ich überhaupt damit angefangen habe? Grenzen und die Vielfalt der Währungen sind soooo Achtziger und Neunziger! Genauso ist regelmäßiger Nordwestwind hier im Norden gefühlt mindestens Achtziger, wenn nicht sogar vorletztes Jahrhundert. Die jüngeren von euch werden das kaum glauben, aber es gab tatsächlich einmal eine Zeit, in der wir an Nord- und Ostsee überwiegend bei Wind aus Nordwest auf´s Wasser gegangen sind. Nochmal: NORDWEST!
Aber das ist lange her und es gab noch die richtige Südmole, am weißen Haus waren mehr als 10 Surfer im Wasser bereits eine dicke Crowd und Kites hießen Drachen und wurden von Kindern am Strand oder auf der Wiese geflogen.
Nordwest an der ostsee an einem Freitagabend vor rund 2 Wochen.
Nun begab es sich vor etwas mehr als zwei Wochen, dass tatsächlich Nordwestwind blasen sollte. Und das sogar an Nord- UND Ostsee. Donnerstag klapperte ich dann die üblichen Spots östlich von Kiel ab. Natürlich war der Wind am einzigen Spot in der Gegend, an dem ich gerne surfen gehe, nicht nördlich genug. Also musste ich zum weißen Haus. Aber dort war ich dann – eigentlich wie immer – nur Stehsegeln. War nett, mit Sonne und warmem Wasser. Und spät am Abend begann da doch tatsächlich so etwas wie eine surfbare Welle zu laufen. (Die Bilder davon habt ihr ja hier bereits von Christoph präsentiert bekommen).
Nordwest an der Nordsee an einem Ort an dem er offshore bläst und ein dämlicher Steg im Weg liegt.
Für Freitag war dann schon wieder Nordwestwind angesagt. Leider kam ich erst spät los aber es reichte für einen kurzen Abstecher an besagten favorisierten Ostsee Surfspot. Hier bin ich gefühlt vor einem Jahrzehnt das letzte Mal raus gepaddelt und es war natürlich wieder viel kleiner als erhofft. Aber es reichte zum Rutschen mit dem Longboard zusammen mit Zwanni und zwei weiteren geduldigen Kollegen. Das war eine entspannte Session und genau richtig für einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Norden. Denn es sollte auch für die nächsten beiden Tage Nordwestwind geben und so eine seltene Chance konnte ich nicht einfach liegen lassen. Meine Route in Dänemark würde dabei lange nicht mehr betretenen, früher aber sehr ausgetretenen Pfaden folgen.
Südmolen Multisportarena bei Nordwest vor zwei Wochen
Samstagvormittag schlug ich dann in Blavand auf. Der Wind war hier zu nördlich bzw. der Swell zu klein für die geplante Windsurf Session. Aber hey, fast wäre ich hier zum Surfen rausgepaddelt. Leider aber hatte irgendwer links neben der Mole einen Steg ins Wasser gebaut, der die in „Sets“ hüfthohe Welle an entscheidender Stelle unterbrach. Aber zu offshore hier ist sideshore an der Südmole. Für´s Surfen habe ich den Ort schon seit langem angeschrieben, genauer gesagt seit dem Bau der neuen Molen. Aber zum Windsurfen würde da sicher was gehen.
Sandmarathon laufen kann man natürlich auch bei Nordwest
So war´s dann auch. Stehsegeln war nicht die schlechteste Wahl und zu einem bestimmten Tidenstand gab es hier tatsächlich eine Sandbank, die eine ziemlich brauchbare Rechte produzierte. Zwei bis drei Frontside Turns waren da mit dem Windsurfer schon drin. Man musste nur aufpassen, dass man dabei den vielen Surfern im Wasser nicht in die quere kam, die mit der welle auch was anfangen konnten.
Ehrlich: DIE Sandbank kann bei Nordwest locker mit der aus der glorreichen Frühzeit des Surfens an der ersten Mole mithalten.
Es hatte dann tatsächlich Samstag und Sonntag Nordwestwind und Welle. Dazu schien die Sonne und im Windschatten reichte ein T-Shirt. Die Südmole mutiert bei solchen Bedingungen zur Multisport Arena und Surfer, vereinzelte SUP-ler, Windsurfer, Kitesurfer, Boogie Boarder sowie ein Kayaker und ein Foil-Kitesurfer addierten sich zu einer Crowd, die Richtung dreistellig tendierte. Dazu kamen am Samstag noch ein paar dutzend masochistische Strandmarathonläufer und die üblichen Sommerbadegäste. War trotzdem sehr spaßig und ich kostete die rare Nordwestwind Gelegenheit bis spät am Sonntagabend aus. Ich war mir recht sicher, dass ich die nächste Nordwestwindphase wohl erst wieder im tiefsten Winter erleben würde.
Kite-SURFER haben nicht nur bei Nordwest einen unfairen Wettbewerbsvorteil
Doch dann ging das letzten Freitag tatsächlich schon wieder los. Dieses Mal war ich schon Donnerstagnacht an der ersten Mole und musste tatsächlich meine eingerosteten Wavesailing Skills hervorkramen um mit kleinem Segel die sehr ordentlichen Wellen bearbeiten zu können. Wieder lief die Rechte an der Sandbank für eine Zeitlang sehr nett. So nett sogar, dass ich zwischenzeitlich ins Grübeln kam, ob ich nicht doch besser ohne Segel raus gehen sollte. Aber da war ich schon zu platt vom Stehsegeln (und es hatte ehrlich gesagt auch zu viel Spaß gemacht).
Aber Surfer bekommen nicht nur durch den Rückenwind Speed auf dieser Welle.
Samstag dann erst einmal das gleiche Bild. Kräftiger Nordwest und kleinere, aber immer noch brauchbare Welle. Stehsegeln war für mich wieder die beste Wahl. Schlepplift-Surfen wäre wohl noch besser geworden, aber ich bin zu alt, um noch einmal die Zeit aufzuwenden, die es braucht, bis man den Kite ausreichend beherrscht. Abends ging der Wind dann runter und in der Hoffnung auf Restswell bei weniger Wind fuhren wir ein paar Molen weiter Richtung Norden. Am T-Bones liefen dann tatsächlich noch ein paar knackige Wellen, aber das Stehsegeln hatte zu viel Energie verbraucht um nochmal raus zu paddeln. Ich konnte ja kaum mehr mein Telefon halten ohne Krämpfe in den Unterarmen zu bekommen.
Ja, bei Nordwest gibt es auch kurze aber feine Linkswellen. Ganz so wie früher.
So verbrachten wir die Nacht bei der (immer noch schlafenden) Königin der Küste in der Hoffnung, am Sonntag noch einmal die kurze Phase mit einschlafendem Wind und nachlaufendem Windswell ausnutzen zu können. Die besagte Phase trat dann tatsächlich am frühen Vormittag ein. Vom Ufer sah das zwar sehr schwabbelig aus, mit hüfthohen Wellen bei noch deutlich störendem Onshore, aber die Bank hier ist eine Bank und transformierte den Windschwabbel in erstaunlich kräftige und schnelle, nicht allzu lange aber durchaus spaßige Rechtswellen. Trotz knarzender Gelenke und ächzender Muskeln paddelte ich hier mit dem Longboard raus und hatte ein paar gute Wellen, bevor mir der Körper endgültig die rote Karte zeigte.
Nordwestwellen weiter nördlich haben Druck.
Nun waren das sicher keine Epic Days. Nicht einmal zum Windsurfen. Aber für so einen Retro Sommer mit einem 3 bis 4 Tage Nordwestwind Block alle 14 Tage würde ich schon einiges in Kauf nehmen. Geschlossene Grenzen würde ich aber nur akzeptieren, wenn ich dafür meinen Neunzigerjahre Körper wiederbekäme. Und die „Crowds“ aus dieser Zeit. Und wenn es keine Kitesurfer gäbe (sorry, das ist nur der Neid). Aber schaun wir mal, wie das so weiter geht……
Wen´s interessiert: hier gibt es mehr Bilder von heutzutage und von früher.
No Camping, aber Nordwestwindswell surfen ist erlaubt.
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Grenzen und Menschenmassen...
coldwaves on Sa, 07/14/2018 - 10:52...sind sche#*e. Und ganz schlimm sind Kiter und SUPpenkasper :-)
Zerstören bei jedem Foto die Harmonie des Bildes. Aber es ist wie es ist, die Zukunft ist nicht aufzuhalten.
Klasse Bericht Tom und es muß ja nicht immer episch sein, aber erleben möchte man das dennoch einmal.
Vielleicht habe ich ja irgendwann auch mal wieder die Gelegenheit über die Grenze ins "gelobte Land" zu kommen und ein wenig von früher zu träumen, aber bis danin gibt es eben "nur" photogeshopte Ostseebilder von mir ;-)
NORDWEST - FÜR ALLE !!
thilo on Mi, 07/11/2018 - 17:37da hingen noch
tripmaster on Mi, 07/11/2018 - 22:56ein paar andere Bedingungen mit dran ;=)
Hab den Preis extra hoch geschraubt.....