Donnerstag war mal wieder einer der Tage, an dem die geballte Ignoranz und Unfähigkeit, die in meiner Branche leider viel zu häufig anzutreffen ist, den Punkt erreichte, an dem das nicht mehr erträglich war (und ich bin da sehr robust). Zum Glück hatte ich mir bereits vorher den Freitag freigeschaufelt für ein dringend erforderliches „langes“ Wochenende mit aktiver Erholung am Meer.

Die Wind- und Wellenvorhersagen für die nordischen Randmeere waren ungewöhnlich, aber vielversprechend. Leider passte die Vorhersage nicht für den Kattegat, den ich dieses Jahr eigentlich unbedingt mal wieder besuchen wollte. Eine Zeitlang liebäugelte ich mit der englischen Nordseeküste doch die letzten Besuche auf der Webseite und den Kommentarspalten des – linksliberalen – Guardian vertieften meine im Zuge des Brexit entwickelte Aversion gegen die eigentlich so geschätzte Insel und eines Großteils deren Bewohner. Außerdem prognostierten die Wettervorhersageseiten meines Vertrauens für meinen Geschmack zu viel Ost in der Windrichtung.

Also blieb doch „nur“ wieder Dänemark als realistische Option um noch mal in der Nordsee nass zu werden. Die nördliche Swell Richtung ist zwar grundsätzlich mit Vorsicht zu betrachten, doch die Messstation meines Vertrauens versprach sehr ausreichende Swellhöhen und eine gute Periode. Die lokale Windvorhersage war für Freitag sehr gut mit einem sehr leichten, über Nord auf Ost drehenden Wind. Für Samstag und Sonntag war sehr kräftiger Nordost bis Ostwind angesagt und es bestand die Gefahr, dass damit der Nordswell weggeblasen würde. Aber ich hatte vollstes Vertrauen in meine Boje.

So machte ich mich Donnerstagabend auf den Weg und kam bis ca. 40 Kilometer südlich der Südmole, wo ich auf einem Rastplatz übernachtete. Freitag früh hielt ich dann nach kurzer Fahrt an der Südmole für einen ersten Check. Chaotischer Windswell und kräftiger Südwestwind wurde mir hier geboten, was nicht so ganz meinen Vorstellungen entsprach. Ein erneuter Check der Wettervorhersagen zeigte, dass sich mal eben über Nacht die vorhergesagte Windrichtung um 180 Grad geändert hatte, was in der heutigen Zeit sehr ungewöhnlich ist. Erst mit Sonnenuntergang sollte endlich die Winddrehung über Nord auf Ost kommen.

Ich fuhr dann weiter Richtung Norden in eine der Ecken der Westküste, die ich am liebsten mochte. Der Wind war dort auch onshore aber wenigstens schien öfters die Sonne. Da ich keine Lust auf noch mehr Fahrerei hatte, blieb ich hier und machte einen ausgiebigen Strandspaziergang. Bald fiel mir dabei (wieder) auf, wieviel Plastikmüll hier angeschwemmt wurde. Bei genauerem Hinschauen fand sich rund alle fünf Meter ein kaum verrottbares Relikt unserer kurzsichtigen Gesellschaft. Als ich dann einen Eimer fand lud ich diesen voll mit an der Oberfläche herumliegendem Müll.

Der Eimer war nach zwei Minuten voll und ich stellte ihn an eine der Strandmüllsammelstellen, die es hier sporadisch gibt. Ein gutes Gefühl gab mir das nicht, denn allein schon an der Oberfläche liegt hier so viel Plastik herum, dass mein gefüllter Eimer nicht einmal einen Tropfen auf einen rotglühenden Stein darstellte. Auf dem Rückweg spezialisierte ich mich dann auf Kunststoffschnüre. Eine davon ragte nur leicht aus dem Sand heraus und als ich daran zog hatte ich das gut zwei Meter lange Stück eines ehemaligen Fischernetzes an der Hand, das ich dann gut einen Kilometer über den Sand schleifte bis ich den Parkplatz und die dort stehenden Müllcontainer erreichte.

Mein früher sehr hoher Respekt vor Fischern ist ja längst im (Plastik) Eimer und meine wiederum in lediglich 5 Minuten zusammengestellte Sammlung an Netzresten – mehr konnte ich nicht tragen – trug nicht zu einer besseren Bewertung bei. Es gibt wohl kaum einen Berufsstand, der sich so gerne in den eigenen Garten schei$%t, sei es beim Umgang mit Fanquoten oder bei der „günstigen“ Entsorgung von kaputten Netzen und ähnlichem Abfall in den großen Mülleimer namens Meer.

Das soll allerdings nicht von unserer eigenen Verantwortung am Ende der Nahrungskette ablenken. Wenn du nicht willst, dass Mikroplastik Hauptbestandteil deiner Ernährung und der deiner Kinder wird, solltest du gegensteuern, wo es nur geht. Beim Einkauf zweimal darüber nachdenken, ob es zum Beispiel die Kunststofftrennscheiben zwischen den Wurstscheiben in überdimensionierter Klarsichtkunststoffverpackung wirklich braucht. Außerdem beim Wählen bedenken, wer wirklich bereit ist, gegen die kurzsichtigen Interessen der Kunststoffindustrie zu handeln oder wenigstens deinem Abgeordneten ein bisschen zu erzählen, was er zu tun hat. Müll am Strand kann man natürlich auch einsammeln, aber aus meiner Sicht ist das nur ein Placebo fürs Gewissen.

Mit Einbruch der Dunkelheit begann sich dann der Parkplatz zu füllen mit Fahrzeugen voller Menschen, die auch einen Forecast lesen konnten. Der Wind war inzwischen fast eingeschlafen und begann auf Nord zu drehen. In der Folge wurde es eiskalt. Das traf besonders ein Trio aus Flensburg hart, dass mit dem PKW gekommen war und nun die eisige Nacht irgendwie überstehen musste. Ich schmiss zum ersten Mal seit Februar die Gasheizung in meinem Van an und konnte nach einer Stunde wenigstens die erste meiner vier Schichten an Pullovern und Jacken ablegen. Es war wirklich ziemlich kalt.

Gegen 23 Uhr kam dann der Don an und wir hielten noch einen Schnack bei einem Bierchen und einer Cigarette. Gegen halb eins gings dann ins Bett. Gegen fünf bretterte ein lokaler Held wild hupend über den Parkplatz (sowas scheint hier lokale Sitte zu sein, auf jeden Fall kommt das seit Jahren hin und wieder vor). Kurz nach Sonnenaufgang am Samstagmorgen kroch ich dann aus dem warmen Schlafsack um zu sehen, was auf dem Wasser los war. Meine Augen waren noch ziemlich verklebt, die Synapsen noch nicht wirklich am arbeiten und einen Kaffee hatte ich auch noch nicht gehabt. Insgesamt kein guter Zustand um mich anzusprechen. Ich war noch keine 10 Meter vom Bus entfernt als aber genau das geschah. Einer der Frischlinge aus dem PKW bombardierte mich gleich mit Fragen ob das jetzt hier der richtige Spot zum surfen wäre. Ich war wie gesagt gerade aus dem Bus gekommen, hatte somit bisher nur feststellen können, dass der Wind offshore (und saukalt) war und hatte nur die Sandbank genau vor meinem Bus im Blick. Außerdem verarbeitete mein Schädel das eine Bier und die eine Cigarette von gestern mit größerem Dröhnen.

Ich hätte dem Jungen dann erklären können, dass ich ja noch nicht mal in der Lage war, die Swellrichtung genauer zu beurteilen und darüber hinaus noch nix außer der Sandbank vor mir gesehen hatte und außerdem eh noch nicht ansprechbar war. Aber dazu hätte ich voll funktionsfähige Synapsen gebraucht und so konnte ich nur was nuscheln von „muss man erst mal sehen“ und „ja, hier ist schon der richtige Ort“.

Nach dem Kaffee konnte ich klarer denken und stellte fest, dass der Swell wohl noch nicht richtig angekommen war und dass das, was lief weitestgehend am Strand vorbeilief. So machte ich mich mit dem Don erst einmal auf die Checkerrunde mit Zwischenstopp am Köbmand. Weiter südlich sahen die Wellen etwas besser aus, brachen aber sehr nah vor den Molen. Wir gönnten uns erst einmal ein Frühstück mit Ausblick. Danach ging es zurück an den – wie so oft – Ausgangspunkt. Dort war inzwischen der Swell angekommen und begann verschiedene Sandbänke zum Leben zu erwecken. Der Wind wurde auch kräftiger, blieb aber sideoffshore (und weiterhin sehr kalt) und es feuerte den ganzen Tag über. Durch den Wind und den quer laufenden Windchop war es zwar nicht wirklich clean und damit jetzt auch nicht episch aber die Wellen hatten Wucht und man konnte schon ganz gut surfen.

Abends ging dann der Wind etwas runter und es würde spannend werden, was am folgenden Tag noch an Welle laufen würde. Der Don musste leider zurück und hatte auf dem Nachhauseweg noch eine Kollision mit einem Fuchs (Wildwechsel ist auf dänischen Landstraßen durchaus ein Problem, wenn man schneller unterwegs ist und ich bin seit einem Zusammenstoß mit einem Reh vor ein paar Jahren nachts inzwischen sehr vorsichtig unterwegs in der Gegend).

Es war inzwischen noch kälter geworden und ich verzog mich in meinen Bus auf einen Topf Nudeln. Parallel lief die ebenfalls mit Gas betriebene Standheizung leider sehr stotternd, ein untrügliches Zeichen, dass die Gasflasche bald leer sein würde. Der Supergau wäre gewesen, wenn ich am nächsten Morgen mangels gas keinen Kaffee hätte machen können und somit schaltete ich lieber die Heizung aus. Der Ostwind hatte inzwischen stark zugelegt und fauchte eiskalt um den Bus mit dem ein und anderen Graupelschauer dazwischen. Es war wirklich kalt.

Am Sonntagmorgen war es dann ruhiger, kaum noch Wind, der Vollmond hing noch am Horizont und auf der Windschutzscheibe meines Vans lag eine mehrere Millimeter dicke Eisdecke. Aber ich hatte gerade noch genug Gas für den Kaffee (beim Milch warmmachen ging es dann aus) und es war kaum Wind. Ich war für die Tageszeit ungewöhnlich wach und auf dem Teich lief noch ganz netter Restswell. Also schlüpfte ich hochmotiviert in den Neo und lief den Pfad entlang der mit Raureif bedeckten Wiese zum Spot. Dort war ich dann tatsächlich erst einmal alleine draußen. Das Wasser ist eh noch ziemlich angenehm temperiert und die Sonne hatte, kaum dass sie es über den Horizont geschafft hatte, noch genug Kraft um etwas Wärme in den Lineup zu schicken. Der minimale Wind half natürlich auch und insgesamt war es da draußen deutlich wärmer als an Land.

Es blieb dann sonnig und trotz wieder zunehmendem Wind angenehmer temperiert als gestern. Der Swell hielt noch bis Mittag durch und zwischenzeitlich hatte es sogar den Anschein, als ob die legendäre Sandbank der Queen Of The Coast langsam wieder was werden könnte. Auf jeden Fall brachen über ihr ein paar nette kleine, wenn auch sauschnelle Röhren.

Am frühen Nachmittag machte ich mich dann auf den Rückweg und entschied mich für die langsamere Strecke entlang der Küste. Ohne Zeitdruck wegen dringendem Surfbedarf kann man da schön entspannt entlang cruisen und das typische dänische Winterlicht genießen. Zur Sicherheit stoppte ich noch einmal an der südlichen Mole aber der Swell war nun viel zu klein um mehr als eine Andeutung zum Potential der dortigen Sandbänke zu geben. Zeit die Küste zu verlassen und zurück nach Hamburg zu fahren, mit einem Grinsen und gut Farbe im Gesicht.

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Habt ihr fein gemacht! Wär

jens on Mi, 10/31/2018 - 23:11

Habt ihr fein gemacht! Wär gern dabei gewesen, hab mich am Wochenende mit meinem grippalen Infekt beschäftigt, war auch toll :-/

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mehr Zeit im Nordseewasser

tripmaster on Do, 11/01/2018 - 09:48

beugt grippalen Effekten vor. Musst du mal wieder aktiver vorbeugen ;=)

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Und...

coldwaves on Mi, 10/31/2018 - 22:07

...wieder einmal hast du alles richtig gemacht, Tripmaster. Wo ist hier der *daumenhochsmilie*?

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nächstes Mal

tripmaster on Do, 11/01/2018 - 09:48

kommst mit.

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mußt nur...

coldwaves on Do, 11/01/2018 - 16:34

...rechtzeitig mal bescheid sagen ;-)

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hab angenommen

tripmaster on Do, 11/01/2018 - 18:57

dass du Freitag eh keine Zeit hast.
Aber ich sag sicherheitshalber schon mal ganz vorsichtig Bescheid für kommenden Sonntag und Montag.....