Donnerstagnachmittag hatte ich mal wieder die Schnauze voll. 40 Arbeitsstunden hatte ich in der Woche bereits locker auf der Uhr und der Forecast für das Wochenende an den nordischen Gewässern war erbärmlich. Lediglich für Freitag war eine kurze relativ lokale Nordwindphase an der Nordsee angesagt. Nachts kräftiger Wind, morgens 2 Meter Windswell, der sehr schnell abnehmen und sich gegen Mittag bereits bei einem knappen Meter mit lausigen 6 Sekunden Periode einpendeln sollte. Dazu anfangs starker, später mittelstarker sideshore Wind.
Nichts, wofür ich heutzutage noch einen 800 Kilometer Tagesausflug nach Dänemark unternehmen würde. Aber die not war groß und ich spürte ein unbändiges Bedürfnis nach Salzwasser. Also entschied ich mich donnerstagabends spontan, mich auf den Weg zu machen. Ein bisschen stehsegeln am Morgen und mit Glück noch mal ein bisschen ohne Segel rumrutschen war mein „Plan“.
Als ich dazu einen potentiellen Mitfahrer anhaute, erhielt ich zur Antwort: „Ich kann nix sehen. Versteckt sich da ein Schwell?“. Nun, viel konnte ich wie gesagt auch nicht sehen. Aber ich erinnerte mich an früher als man noch ohne präzise Wellen- und Windvorhersagen losfuhr und gerade bei Nordwind öfters mal Glück hatte. Außerdem hatte ich ja meinen Windsurfkram dabei. Vielleicht hatte ich es aber auch nur richtig nötig. Auf jeden Fall ließ ich mein großes Fotogepäck zuhause und packte nur die handliche G16 ein.
Mit der Windsurf Option im Kopf steuerte ich die erste Mole an und kam dort gegen 1:30 Uhr morgens an. Ich war hier seit dem Bau der neuen Molen und des Hafenbeckens nicht mehr auf dem Wasser gewesen. Nordwind mit gut 6 Bft. schien mir aber eine gute Gelegenheit der Sydmolen mal wieder eine Chance zu geben, und sei es nur für eine Stehsegelsession. Dazu würde ich aber wohl recht früh aufstehen müssen.
Da mein Körper derzeit mindestens 6 Stunden Schlaf einfordert ignorierten die relevanten Organe das Klingeln des Weckers am nächsten Morgen und ich schreckte erst kurz nach 8 hoch. Beim Weg zur Düne für einen ersten Check kam mir bereits der erste Windsurfer entgegen, der sein kleines Segel zurück zum Parkplatz brachte. Der Wind schien mir auch bereits ziemlich eingeschlafen zu sein und der erste Blick aufs Wasser bestätigte die Einschätzung. Der Nordwind war deutlich runtergefahren, Windsurfer mit größeren segeln kamen kaum noch ins Gleiten und lediglich Drachenbändiger bewegten sich noch über den Teich. Allerdings war noch ganz gut Welle da. Doch nicht einmal die Kitesurfer schafften es, ihr brauchbare Rides abzuluchsen was auf sehr wenig Druck hindeutete.
Plan B war somit gestorben, aber die Falten draußen am Teich ließen Hoffnung. Ich machte mich wieder auf den Weg, hielt noch kurz am Bäcker und fuhr dann so schnell es eben tagsüber auf dänischen Landstraßen geht weiter Richtung Norden. Bei diesen „schnell abnehmender Schwell“ Vorhersagen ist die Spot check Fahrerei immer besonders verkrampft, denn während er Fahrzeit könnten sich die Falten am Teich ja bereits entscheidend plätten.
Der nächste Check war dann daher wieder sehr spannend, zeigte aber, dass noch Bewegung auf dem Wasser war. Hier allerdings verlor der Schwell einen Großteil seines Schwungs auf den äußeren Sandbänken und erreichte die T-Bones am Ufer deutlich geschwächt. Also noch mal ein Stück weiter fahren.
Der erste Blick auf die Queen Of The Coast war wieder ernüchternd. Die Königin scheint sich wieder in einen Dornröschenschlaf gelegt zu haben und die legendäre Sandbank ist wieder einmal – hoffentlich vorrübergehend – Geschichte. Um die Ecke sah das aber besser aus, genauer gesagt: es sah richtig gut aus! Trotz des noch kräftigen Sideshore Winds harmonierten Sandbank und Schwell in einer Art und Weise, die ich so nicht erwartet hätte. Sie harmonierten sogar so gut, dass ich beschloss noch etwas zu warten, bis der Schwell, äh der Wind natürlich etwas runtergehen würde. Das was da im Moment an der Kante abging traute ich meinem eingerosteten Körper noch nicht ganz zu.
Mit der Zeit füllte sich der Lineup auf 4 Jungs an – die alle deutlich besser surften als ich – aber der Schwell nahm nicht wirklich ab. Am späten Mittag wurde es mir dann zu bunt und ich holte das kleine Brett raus (lässt sich halt besser duckdiven). Da einer meiner Booties irgendwo auf der Lübecker Autobahn nicht mehr an meinem Fahrradhalter hinten am Van weiter trocknen wollte, was barfuß surfen angesagt. Die schön warme Sonne am Strand ließ mich dazu zum 4-3er Neo greifen. Ich kam dann relativ gut durch die Zone in der der Schwell erstmals den Untergrund spürte und recht deftig einschlug, musste aber dann wieder ein Stück Richtung Peak paddeln und stellte wieder einmal fest, dass nicht surfen keine gute Vorbereitung für die Paddelei ist.
In der Zeit, die ich brauchte um den Peak zu erreichen, surfte und paddelte Zwanni mehrere Kreisel um mich rum und bekam das Grinsen ob der guten Rides kaum mehr aus dem Gesicht. Wie ich später erfuhr ist Triathlon seine neue Passion und er trainiert sehr ernsthaft dafür. Für alle Normalsterblichen Surfer ist das keine so gute Nachricht, denn so wird aus dem Mann mit dem Außenborder am Brett wohl jetzt ein unermüdliches Rennboot. Aber es macht Spaß, dem Kerl vom Wasser aus zuzusehen.
Irgendwann war ich dann so weit, dass ich selber eine Welle anpaddeln konnte, kam etwas spät in den Take-Off, wuchtete mich hoch und bekam einen Krampf in der Wade. Und zwar so einen richtig guten, der nicht mehr aufhört. Also ließ ich mich im Wasser treibend von den nachfolgenden Wellen durchnudeln und versuchte dabei den Knödel aus der Wade zu dehnen bis es mich endlich ans Ufer spülte. „Sauber2 dachte ich mir, „das war ja mal wieder eine erfolgreiche Surfsession“. Auf dem Weg zum Bus fühlte ich mich wie Schweinsteiger nach der Verlängerung und konnte eine Zeit lang kaum gehen.
Reichlich angepisst verbrachte ich dann die nächsten 2 Stunden am Strand und konnte dabei zusehen, wie der Schwell sich weigerte wirklich abzunehmen, die Sandbank bei unterschiedlichsten Tiden weiter funktionierte und nach und nach die Wochenendausflügler ankamen und sich voller Freude in die rechts brechende Pracht stürzten.
Irgendwann konnte ich dann aber wieder halbwegs gerade laufen und beschloss noch einmal einen Anlauf zu machen. Da der Krampf möglicherweise nicht nur meinem verschlissenen Körper geschuldet war, nahm ich dieses Mal den 6er Neo und das Longboard. Der Lineup an der rechten Kante war inzwischen deutlich voller und eine Zeitlang überlegte ich, die Sandbank eine Mole weiter nördlich auszuprobieren, entschied mich dann aber letztlich doch dazu mich der Masse anzuschließen.
Es war bereits 18 Uhr und der Swell weigerte sich immer noch auf die angedrohten 0,7 Meter runter zu gehen und die Nordsee tat immer noch so, als ob sie Kirra´s kleine Schwester wäre. Die Stimmung im Lineup war entspannt und dank der hohen Frequenz des Schwells bekam jede und jeder eine brauchbare Welle ab. So letztlich auch ich, auch wenn mir bei meiner ersten natürlich ein SUPler rein droppte, der wohl auch noch eine Hörschwäche hatte und trotz meiner freundlichen Hinweise die Welle nicht verließ. Zu meinem Glück eierte er aber am äußersten Ende der Schulter rum, so dass ich weiterfahren konnte und konstant ein paar wenige Meter Raum zwischen Lippe und seinem Floß zum Beackern hatte.
Zurück am Strand merkte ich, dass ich nix mehr merkte. Zumindest an den Füßen. Muss mir wohl doch noch neue Booties holen. Gegen 20 Uhr warf ich dann einen letzten Blick auf´s Wasser – der Schwell war nun tatsächlich am Abnehmen und lediglich zwei Mann waren noch draußen – und machte mich auf den Rückweg nach Hamburg.
Unverhofft kommt eben trotz ausgefeilter Forecast Modelle immer noch ab und zu. Mein über all die vielen Jahre mit erfolgreichen sowie erfolglosen Ausflügen an die dänische Küste antrainiertes Bauchgefühl hatte mich dieses Mal richtig geleitet und mir einen wunderbaren Tag verschafft. Und meine Karma-Verbesserungsaktion von vor ein paar Wochen scheint die gute alte Nordsee erst einmal besänftigt zu haben.
Mehr Bilder gibt es hier zu sehen.
Noch ein Hinweis für die „Ich will alles auf dem Silbertablett präsentiert haben“ Fraktion sowie die Buchhalter:
Aus keinem der Forecasts war ablesbar, dass es so gut werden würde. Der kundige Leser dieser Seite erkennt das schon daran, dass ich keine brauchbare Kamera eingepackt habe. Der Tagestrip kostete mich neben rund 9 Stunden Fahrzeit um die 120 Euro Spritkosten und dieses Mal zum Glück keinen Wildunfall (einzig ein Fuchs versuchte mich auf der Straße nieder zu starren und ließ mich in die Eisen steigen). Es hatte sich gelohnt. Aber ich hatte Glück, oder eben das richtige Bauchgefühl. Das ist etwas, das man nicht in eine „wann fahre ich wohin“ Bedienungsanleitung übersetzen kann.
Zum Schluss: Bilder bearbeiten plus Blog schreiben = 6 Stunden Arbeit am Wochenende. Nur mal so…..
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Da war er wieder
Tim on Di, 06/14/2016 - 16:31... Möge der Schwell mit uns sein
kommendes Wochenende
tripmaster on Di, 06/14/2016 - 16:36nächster Versuch.....