Nachdem ich den warmen und windigen Sommer überwiegend mit der Pflege meiner alten Liebe Windsurfen verbracht hatte, wurde es Anfang September langsam Zeit, mal wieder surfen zu gehen. Mitte September zog dann auch der erste größere Tiefdruckwirbel Richtung der nordischen Gewässer, war aber für die naheliegende Nordseeküste eher für Windsurfen mit sehr kleinen Segeln brauchbar.

Alternativen für das Onshore Gebratze wusste ich durchaus, doch trotz auch nicht mehr Fahrzeit als nach Thy, hatte ich das kleine Gewässer, das solche Stürme verlässlich in sehr brauchbare Wellen verwandelte, lange nicht mehr aufgesucht. Die hohen Anreisekosten (Fähre und Brücken) bei gleichzeitig in der Regel sehr volatilen Wind- und Wetterbedingungen hatten in den vergangenen zwei Jahren nie zu einem lohnenden Kosten-Wellen-Verhältnis geführt, zumindest nicht dann, wenn ich Zeit gehabt hätte.

Doch nun zeichnete sich eine sehr stabile Vorhersage ab, die über 5 Tage hinweg genügend Wind aus der passenden Richtung versprach, noch dazu über ein Wochenende hinweg. Donnerstagabend gab ich mir nach einem letzten check aller verfügbaren Forecast-Seiten dann das Go und schaffte noch die Fährüberfahrt plus zusätzliche 100 Kilometer, bevor mich die Müdigkeit übermannte.

Freitagmittag erreichte ich dann entspannt mein Reiseziel gerade rechtzeitig mit der Ankunft des Windfelds und der ersten Wellen. Da es an meinem Altherren-Point noch zu klein war, ging ich erst einmal spazieren und checkte etwas exponiertere Küstenbereiche. Dort war zwar schon mehr Swell, aber der Wind war für meinen Geschmack zu onshore.

Mit dem Spaziergang hatte ich aber genug Zeit totgeschlagen, denn auf dem Rückweg sah ich an „meinem“ Point schon die ersten Wellen laufen und war dann auch ziemlich schnell draußen in den Linken. Da der Swell noch relativ klein war, brachen die Wellen in sehr seichtem Wasser über steinigem Untergrund, aber an sowas muss man sich hier ja sowieso gewöhnen.

Samstagmorgen verpasste ich einen glorreichen sehr Early-Birder am ehemals Secret Point weil ich zu spät aus den Federn kam. Aber das kann passieren, wenn man abends im Bus mit ein paar Buddies bei ein paar Bier über alte Zeiten schnackt. Zum Glück konnte ich mich mit einer solo-Session bei immerhin noch hüft- bis brusthohen Wellen an „meiner“ Linken trösten bevor es dann flat wurde. Den Rest des Tages verbrachte ich mit ein paar Spaziergängen und weiterem Auskundschaften der Küste.

Sonntag sollte es dann wieder krachen, aber der morgendliche erste Blick aus dem bus war enttäuschend. Der Wind war zu offshore hier und dementsprechend zog der Swell weit draußen vorbei, schaffte es aber nicht hier an die Küste. Die anderen, ähnlich orientierten Points sahen auch nicht besser aus. Also wechselte ich die Seiten und fuhr an die einzige surfbare Rechtswelle auf der Halbinsel.

Hier hatte es dann tatsächlich Swell, allerdings auch deftigen Onshore und die ein oder andere sintflutartige Schauerböe. Onshore ist es hier so gut wie immer, wenn eine Welle läuft, aber der Point schafft es selbst aus dem wildesten Geschwabbel hin und wieder erstaunlich gut laufende Wellen zu kreieren. Entsprechend beliebt ist der Break und immer voll. Aus der Crowd schaffen es aber regelmäßig nur eine Handvoll, das Wellen-Chaos gut genug zu lesen und exakt die eine Welle zu finden, die tatsächlich läuft und dabei gleichzeitig auch noch die richtige Position für den Take-Off zu halten.

Ich war trotzdem kurz davor, mich der Meute anzuschließen, als eine erneute Schauerböe durchzog und es im Anschluss etwas aufklarte. Der Wind hatte etwas gedreht und würde laut Vorhersage weiterdrehen. Ich beschloss wieder die Seiten zu wechseln und mich den Linken zu widmen. Das war dann auch eine gute Entscheidung und mit zunehmendem Wind aus der richtigen Richtung bauten sich schnell amtliche Wellen an der Nordseite der Halbinsel auf. Am späten Nachmittag ging ich dann rein und hatte an „meinem“ Point eine sehr schöne Session in gut schulterhohen Wellen, die schnelle Rides von knapp 100 Meter ermöglichten. Der Wind war hier side-offshore und nahm zum Abend hin stetig ab. Es wurde dann richtig gut und den letzten Surfern halfen wir mit den Scheinwerfern unserer Vans damit sie sicher den Weg über die Steine zurück ans Ufer fanden.

Montag war weiterhin kräftiger Wind am blasen und ordentlich Bewegung auf dem Teich. Ich probierte einen weiteren, besser vor dem Wind geschützten Point aus und fuhr danach zu DER Welle in der Gegend. Die war – trotz Montag – wie üblich gut gefüllt und ließ sich auch durch den kräftigen Side-Onshore Wind nicht davon abhalten, die üblichen anspruchsvollen Linken zu produzieren. Set-Wellen waren kopf-hoch, sauschnell und lang. Eine Handvoll unter den rund 20 Surfern im Lineup wusste auch etwas mit der Welle anzufangen, darunter natürlich Schwedens Charger Tim Latte.

Am frühen Nachmittag war es Zeit selber wieder ins Wasser zu kommen und ich fuhr zurück zur Altherren-Welle. Die brach i Sets auch schulterhoch und es war nur ein Kollege draußen. Der war noch deutlich älter als ich und holte sich mit seinem Longboard eine Welle nach der anderen ab. Ich hatte dagegen so meine Probleme mit dem Wind, der ziemlich kräftig side-shore blies. Als immer noch passionierter Windsurfer surfe ich ja nur bei Windstille oder Offshore und wechsle bei ausreichend Wind zum Stehsegeln.

Das hat den Nachteil, dass ich windige Bedingungen beim surfen immer noch nicht gewohnt bin, was den kritischen Take-Off am Point und die erste schnelle Section in sehr seichtem Wasser für mich nicht einfacher machte. Zu allem Überfluss verprügelte mich dann auch noch an der Inside in knietiefem Wasser ein fünfer Set und das endlose Durchtauchen erinnerte mich mit deftigen Schmerzen auf dem rechten Ohr daran, dass ich mir endlich Ear Plugs besorgen muss.

Die Session war also eher durchwachsen und ich beendete sie früh. Kaum draußen kam auch mein weißhaariger Kollege an Land und berichtete recht fassungslos, dass es wohl alt würde. Kaum zwei Stunden hätte er erst gesurft – und dabei nach meiner Zählung mindestens 20 teils sehr nette Wellen gehabt – und sie jetzt schon völlig erschöpft und müsse aufhören, obwohl es noch am Pumpen wäre. Ich versuchte ihn zu beruhigen indem ich ihm erzählte, dass ich deutlich jünger wäre und nicht einmal annähern so viele Wellen wie er gesurft wäre.

Zum Spätnachmittag fuhr ich dann noch mal an den Break von heute Nachmittag und schaute mir die Show an bis es dunkel wurde. Wie so oft legte der Swell zum Ende des Tages nochmal zu und lieferte neben sehr netten mittelgroßen (heißt knapp kopfhohen) Wellen ein paar deftige Aufräumersets, die man so eher am Atlantik vermutet hätte. Ich war ja nun bereits schon ein paar Mal hier gewesen, dennoch erstaunt mich immer noch, was dieses winzige Gewässer zwischen Nordsee und Ostsee für Wellen zu bieten hat.

Dienstag ballerte es den fünften Tag in Folge. Trotzdem verließ ich die Halbinsel um endlich die nächste Halbinsel zu besuchen. Das hatte ich schon früher vorgehabt, hatte mich aber aus nachvollziehbaren Gründen nicht eher losreißen können. Belohnt worden für den Ausflug wäre ich, wenn ich Segel kleiner 4,0 m2 im Gepäck gehabt hätte. Denn dann hätte ich an einem Spot, den die Locals „Little Hookipa“ nennen – und den ich eher als „Little Baja“ bezeichnen würde - wohl eine der besten Wavesailing Sessions in Rechtswellen der letzten beiden Jahrzehnte gehabt. So muss ich wohl noch mal wiederkommen.

Auf dem Rückweg wurde ich dann noch über rund 100 Kilometer von einer hartnäckigen Wetterfront mit sintflutartigem Regen und Hagelschauern verfolgt, bis ich endlich über die Belt Brücke gen Westen aus ihrer Zugbahn fliehen konnte. Der Rest der Rückreise verlief dann relativ entspannt und Norddeutschland erreichte ich erst, nachdem der wüste Sturm dort bereits durchgezogen war. So ein vorzeitiger Herbststurm im Spätsommer ist zwar schlecht für die Standfestigkeit der noch gut belaubten Bäume, dank noch warmem Wasser und relativ langen Tagen aber ein Geschenk für Surfer, zumindest wenn man an den richtigen Tümpel fährt.

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Bild von coldwaves

Ich seh schon...

coldwaves on Mi, 10/09/2019 - 09:21

...da habe ich was verpaßt, aber vielen Dank für den Hammer Bericht. Ganz großes Kino Tom.

Bild von tripmaster

cheers mate

tripmaster on Mi, 10/09/2019 - 13:32

bin gespannt was du aus Thy zu berichten hast ;=)