Manchmal geht mir das alles auf die Nerven. Revival der braunen Trottel bei uns im Land, ein gemeingefährlicher Spinner im Weißen Haus, die durchgeknallten Engländer, Dauergemetzel im Nahen Osten, die Erderhitzung sowieso und dann noch zu viel Arbeit. Außerdem schon wieder viel zu kurze Tage, Pauli schießt kaum mehr Tore und der alternde Körper motzt über zu kühle Temperaturen. Schlechte Zeiten.
Da kam mir das Mitte Oktober dann sehr gelegen, dass da auf den Forecast Seiten so ein tiefrotes Auge in den windkarten auftauchte, sehr günstig gelegen ziemlich genau nördlich der Färöer-Inseln. Ordentlichen Swell sollte das Biest produzieren, genau aus Nord, und damit perfekt, um so gut wie jede Küste der Nordsee mit Falten auf dem Teich zu verwöhnen. Die Brexit-verwirrten Engländer würden wohl die beste Kombo aus Swell und Wind haben, aber auch in Holland könnte es eine Weile lang passen und Dänemark sah auch nicht so schlecht aus.
Letztlich erschien mir Dänemark als die beste Kombination aus Swell, Wind und Fahrzeit und so klinkte ich mich an einem Dienstagabend aus der Arbeitswelt aus und fuhr in den Norden. Da die letzten Windvorhersagen starke Tendenzen für südliche Winde, möglicherweise mit ein paar Schwenkern Richtung West und später Richtung Ost, aufzeigten, würde die als „kaltes Hawaii“ vermarktete Ecke wohl die beste Basisstation sein.
Mittwochvormittag rollte ich dann runter in Richtung Hafen und stoppte am Aussichtspunkt. Der Swell schien kleiner als erwartet, aber der Wind wehte aus Süd-Südwest und im Schutz der Mole liefen recht cleane Wellen. Weitere Spot Checks sparte ich mir und fuhr stattdessen runter auf den Parkplatz an der Mole, an dem es natürlich wieder erbärmlich stank, genehmigte mir noch einen schnellen Kaffee und paddelte dann mit dem Longboard raus.
Eine überschaubare Crew an Surfern – noch ohne die Kollegen auf den SUPs – war im Wasser und es liefen bis zu brusthohe Wellen, wie üblich recht saftlos aber gut sortiert und mit passabler Form und dazu hin und wieder ziemlich lang laufend. Die Session war nett und bereits bestens geeignet, die Birne von überflüssigem Ballast zu befreien.
Gegen Mittag schlief der Swell etwas ein, aber der Wind hatte nun genau auf Süd gedreht und noch etwas nachgelassen. Inzwischen kamen mehr und mehr Wellensüchtige an, nun auch mit exotischeren Geräten wie SUPs und Kajaks und einer sogar mit einem Foil SUP. Zum Glück gibt es aber hier genug Peaks für unterschiedlichste Geräte und die Meute verteilte sich recht gut und dazu noch weitestgehend sortenrein.
Am äußersten Peak am Ende der Mole hatte der Foil-SUPler das Sagen und wurde für einige deftige Wipe Outs mit extrem langen, ja wie soll man das nennen, Rides belohnt. Wenn er den Drop da draußen mal stand schwebte er durch die lange flache Sektion bis zum mittleren Peak, in den er von der falschen Seite, nämlich der flachen Schulter her rein fuhr, um den Peak rum und dann wieder über flaches Wasser bis zum Peak an der Stummelmole. Gut 400 Meter war er so hin und wieder unterwegs. Sah trotzdem irgendwie komisch aus, wo und wie er da unterwegs war. Und die Physik, die hinter dieser Fortbewegung steht, hab ich immer noch nicht begriffen.
Weiter draußen waren drei Kajaker unterwegs und ließen sich von den flachen Hügeln an- und ebenfalls bis zur Stummelmole schieben. Der Hauptpeak war überwiegend in der Hand konventioneller Surfer und inzwischen auch ganz gut gefüllt. Aber der Swell legte bei nun leichter Offshore Briese wieder etwas zu und so gesellte ich mich dazu und hatte trotz der vielen Kollegen eine richtig nette Session.
Abends fuhr ich brav auf den Nytrup Camping und wurde kurz vor dem Schlafengehen noch beglückt mit der Erkenntnis, dass die Fahnen am Eingang zum Camping nun Richtung West wedelten. Die daraus resultierende freudige Erwartung kompensierte noch die Attacke auf meinen Geruchssinn, die das Anwerfen der Standheizung verursachte. Mit dem einzigartigen Duft der Fischfabrik um mich herum schlief ich das erste Mal seit längerem schnell ein.
Donnerstag war ich vor Sonnenaufgang raus – nicht so schwierig um diese Jahreszeit - und fuhr im ersten Licht zu den Bunkern. Der Wind wehte weiter offshore und brechende Wellen waren zu hören. Oben auf der Düne dann aber die Enttäuschung: der Nordswell war weg oder zumindest überlagert von einem Südwestswell und die Wellen am Riff brachen nicht wirklich gut. An den Sandbänken daneben sah es zwar etwas besser aus, war aber sehr inkonstant.
Am anderen Riff sah es zwar etwas besser aus, war mir aber zu klein. Also machte ich mich auf den Weg weiter südlich nach „Ihr wisst schon wo“ in der Hoffnung, dass die südlichere Swellrichtung hier besser zum Küstenverlauf und den Sandbänken passte. Leider scheinen durch den Bau des unsäglich doofen Meerwasserschwimmbeckens und den dadurch unterbrochenen Sandtransport an der Mole vorbei die alten Spots an der langen und an der kurzen Mole inzwischen dauerhaft hinüber zu sein, aber wenigstens funktioniert der gute alte Underground noch halbwegs.
Irgendwo zwischen Stummelmole und dem Untergrund paddelte ich dann raus, wieder mit dem Longboard und hatte einen entspannten Surf mit ein paar Kollegen bis sich dann gegen Mittag der Swell verabschiedete.
Insgesamt war es nicht der erhoffte Brüller Ausflug, aber in der Summe doch sehr nett, vor allem mit dem langen Brett, und mit vom Salzwasser freigespülter Birne fuhr ich dann am Freitag zurück in die Großstadt, wo mich dann am Samstag ein netter Männerabend anlässlich eines nachzufeiernden runden Geburtstags vom Don erwartete. Gute Zeiten!
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Lecker!
dontblameme on Do, 11/14/2019 - 00:21Schöner Bericht...
coldwaves on Mi, 11/13/2019 - 06:44...das laßt träumen und hoffen.
Genaue richtig gemacht! Wer
thilo on Di, 11/12/2019 - 21:59