Drive
Endlich tat sich zwischen all den Stürmen einmal ein Fenster auf, in dem der ewige Westwind mal weit genug zurück drehen sollte. Das Ganze sollte noch dazu an einem Sonntag passieren. Allerdings bot das Forecast checken in den Tagen vorher mal wieder ein Wechselbad der Gefühle. Mal war der Winddreher ganz weg, mal sollte er erst spät nachmittags und damit zu spät kommen, dann wieder sollte es schon am späten Vormittag auf Nordost bis Ost drehen, das Ganze garniert mit Sonnenschein. Konstant war nur die Wellenvorhersage: deftige knapp 3 Meter mit 9 bis 10 Sekunden Periode.
Das war dann auch die letzte Prognose, die ich Samstag Nachmittag aus dem Netz zog und damit war die Sache klar: Sonntag Morgen würde ich mit Timo gen Norden starten.
Wir kamen dann auch pünktlich los und waren voller Vorfreude – und ein bisschen Nervosität wegen des angesagten amtlichen Swells – als uns kurz vor Esbjerg eine Nachricht unseres Scouts Tim erreichte: „Moin, bin gerade in Knarks (die Verbindung stand nicht sonderlich gut). Wind hat gerade abgenommen, jetzt leichter Nordwind, Schwabbel des Grauens. Den Righthander scheint es nicht mehr zu geben“. Ich antwortete: „Neues Spiel, neue Sandbänke“ und war trotz des skeptischen Berichts von Tim noch optimistisch. Sollte doch der Wind erst einmal weiter drehen, dann würde das schon werden.
Nach 3 Stunden flotter Fahrt kamen wir an der Baustelle an. Zeit für einen ersten Wellencheck. Was wir sahen riss uns jetzt nicht vom Hocker, raubte aber auch die Hoffnung nicht. Swell war da, aber die Ordnung fehlte noch. Lars aus Hannover machte das Versuchskaninchen. Uns überzeugte das nicht und wir machten uns nach kurzem Stopp am Bäcker wieder auf den Weg. Ich dachte noch kurz über die alte Surfer Weisheit nach, dass man am ersten halbwegs gut laufenden Spot auch gleich ins Wasser gehen und nicht weiter suchen soll, denn meistens endet diese suche doch wieder am ersten gecheckten Spot. Aber es lagen ja noch so viele vielversprechende Spots vor uns.
Nächster Halt war dann an der Mündung dieses nordischen Gottes. Wir fuhren die kurze Steigung zum Dünenweg hoch und mussten erst einmal ordentlich bremsen. Ein guter Teil der Piste fehlte und der Zaun aus Schilf hing in der Luft. Der Blanke Hans hatte in den letzten Wochen ordentlich Land gefressen. Strand gab es hier gar nicht mehr und die beindruckenden Wellen fanden keine Form.
Zurück auf der Straße konferierten wir mit dem Schrauber Lars, der hoch im Norden die Stellung hielt. Bei ihm hatte der Wind schon auf Nordost gedreht, aber laut seinem Bericht lief trotzdem keiner der üblichen verdächtigen Spots auch nur halbwegs brauchbar. Irgendwas war faul. Faul war auch der Zustand der Straße entlang der langen Küstenschutzdüne. Die Entwässerungsgräben standen voller Wasser, es lag verdammt viel weißer Sand herum und auf gut einem halben Kilometer war die Fahrspur an den Dünen eine einzige Seenplatte. Sturm und Regen hatten hier ordentlich hingelangt und man kann nur hoffen, dass die Dänen ihren Küstenschutz wieder erneuert kriegen, bevor der nächste Orkan anrauscht. Unsere nächste Hoffnung war die alte Kuh, die sich diesen Sommer so schön erneuert hatte.
Doch auch hier verwandelte sich die hoffnungsfrohe Spannung, die einen normalerweise auf den letzten Metern der Schotterpiste ergreift, in tiefe Enttäuschung. Hier schwabbelte es noch mehr. Wellen waren dazu noch kleiner, das Wasser stand viel zu hoch, der Wind kam aus der falschen Richtung. Auch der Blick gen Norden brachte keine Hoffnung. Wir fuhren dann desillusioniert noch zur Kirche. Hier das gleiche Bild. Wellen zwar etwas größer, aber ohne Form und nicht wirklich surfbar. Auch die zwei einsamen Seelen, die draußen mit der Strömung und den großen schwabbelnden Peaks kämpften, hatten nicht wirklich Spaß. Was tun? Es war bereits 13 Uhr, der Wind wollte hier offensichtlich nicht drehen und der kurze Tag ließ nicht mehr viel Luft für weitere erfolglose Erkundungstrips.
Der nächste Schuss musste sitzen. Wir beschlossen dann, angelockt durch Lars´ Bericht über den Offshore Wind, noch ein paar mehr Kilometer zu machen und ins kalte Hawaii rauf zu fahren. Doch nach 10 Minuten kamen wir zur Besinnung. Timo wollte nicht zu spät zu seiner kleinen Familie zurückkommen und ich hatte auch keine Lust auf zwei zusätzliche Stunden Fahrerei. Also drehten wir um und machten uns auf den Weg zurück zur Baustelle. Dort würden nun wohl auch all die anderen sein, die wir auf unserer Suche getroffen hatten. Die und noch ein paar, die gar nicht weiter rauf gefahren waren.
Ich warf dann als erstes einen Blick über die Düne und sah meine Befürchtungen bestätigt. 5 Suppenkasper und rund 20 Surfer tummelten sich bereits in der künstlichen Bucht. 3 Peaks waren erkennbar, aber schon von draußen war ersichtlich, dass es dort ordentlich strömte und die Peaks auch gut am shiften waren. Dazu war es saukalt und grau. Ich hatte keinen Bock mehr. Ich machte mich auf den Weg zurück, um Timo zur Heimfahrt zu überreden, als dieser mir im Neo und mit Brett unterm Arm entgegen kam. Er hatte die – klügere – Strategie gewählt, nicht nachzudenken und nicht zu schauen sondern einfach in den Neo zu schlüpfen und raus zu gehen. Meine Lust auf Surfen war bereits zu tief gesunken, um noch auf diesen Plan umzuschwenken, und so griff ich mir eher lustlos mein Kameragerödel um ein bisschen zu filmen und ein paar Fotos zu machen. Da die neue Mole ja noch nicht fertig gebaut war, würde es diese Wellen eh nicht mehr lange geben und ich wollte sie wenigstens mal dokumentiert haben.
Die immer noch am Strand herumliegenden Felsbrocken, die Unmengen von Möwen und die Fischerboote, die das Fenster zwischen den Stürmen nutzen wollten und schnell ausliefen, boten wenigstens ein paar nette Kulissen. Auch die Perspektive von der alten Sydmolen aus war ganz nett.
Draußen auf dem Wasser gab es dann doch einiges zu sehen. Das Surfniveau ist um diese Jahreszeit doch recht hoch und ein paar der Jungs (und Mädls) schafften es, sich trotz Strömung und schwer lesbaren Wellen, ein paar echte nette Rides abzuholen. Der Chef war dabei sicherlich Carsten, der erst am Vorabend von Lanzarote zurückgekommen war – mit ordentlichem Riffsouvenir an der Hüfte – und offensichtlich keinerlei Probleme hatte mit den deftigen Temperaturdifferenzen.
Dann drehte doch tatsächlich noch der Wind und für eine halbe Stunde kam sogar noch die Sonne raus. Für mich zu spät, denn ich war bereits ordentlich steif gefroren, aber wenigstens wurde ich noch mit einer schönen Lichtshow für die vielen Stunden im Auto belohnt.
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oh man...
coldwaves on Di, 01/10/2012 - 19:51...möchte auch gerne mal wieder hoch. Klasse Blog bei widrigen Bedingungen, nicht schlecht.
Hollo.... schoene fotos, habt
nobody on Mo, 01/09/2012 - 23:55