Letzter Tag in Island. Um wegen möglicher Überflutungen, Vulkanausbrüchen, platter Reifen oder eines generellen Zusammenbruchs meines Vans auf Grund der für ihn besonders harten vergangenen zwei Monate nicht die Fähre zu verpassen, war ich mit ausreichend Zeitpuffer in den Fährhafen Seydisfjördur gefahren. Nun hatte ich noch einen ganzen Tag Zeit bis zur Abfahrt am frühen Abend.
Die Windvorhersage war ausnahmsweise mal korrekt gewesen und ein kalter Nordostwind blies bereits am Morgen und nahm im Laufe des Tages noch kräftig zu. Es sollte auch einen Windswell mit bis zu zwei Meter mit sich bringen, aber der schaffte es natürlich nicht bis an das Ende dieses langen und schmalen Fjords. Kurz bedauerte ich, nicht doch gestern Abend noch die zusätzlichen rund 100 Kilometer an diese eine auf der Karte sehr vielversprechend aussehenden Bucht weiter nördlich gefahren zu sein. Aber das hätte wieder 140 Kilometer Schotterpiste mit den entsprechenden Risiken liegen zu bleiben bedeutet. Außerdem war es echt kalt geworden.
So hatte ich nun einiges an Zeit hier totzuschlagen und das tat ich mit einer ersten Generalaufräumaktion im Bus, dem Begutachten diverser geländegängiger bewohnbarer Fahrzeuge von VW aus dem letzten Jahrtausend auf dem Campingplatz, einer kleinen Wanderung ein Stück den Berg hinauf, Spaziergängen durch den Ort und Hafen, Fotos am Rechner bearbeiten und dem Verzehr von Süßwaren und mehrerer vorzüglichen Cappuccinos im gut beheizten Kaffi Lara. Gut beheizt war dabei wichtig, denn der kalte Wind brachte inzwischen nicht minder kalten Regen. Und der manifestierte sich wenige hundert Meter über der Meeresoberfläche in Neuschnee auf den angrenzenden Bergen, wie sich bei einem kurzen Aufklaren zeigte. Windböen auf dem Fjord kreierten inzwischen vereinzelt fliegendes Wasser. Es war nun wohl auch an der Zeit die Insel zu verlassen. Der Winter stand deutlich vor der Tür und mir was dann doch langsam wieder mehr nach ein bisschen Wärme.
Es war dann schon fast dunkel als die Fähre ablegte. Beim Verlassen des Fjords wurde es kurz spannend da der Nordoststurm und die resultierenden Wellen eine unruhige Überfahrt versprachen. Da aber beide von hinten auf das Schiff trafen war die Fahrt fast schon sanft und einer Stärkung mit Pizza und ein paar Bieren an Bord stand nichts im Wege.
Der Nordost- bzw. Nordswell hatte mir ja Hoffnung gemacht, dass ich auf den Färöer doch noch ein paar surfbare Wellen aufsuchen könnte. Die planmäßig sechs Stunden Aufenthalt des Schiffes dort hätten für einen Ausflug gereicht. Leider erfuhr ich noch im Hafen auf Island, dass bis Dänemark gebuchte Fahrzeuge in Torshavn nicht vom Schiff durften. Ich hatte dann noch Hoffnung, einen Ausflug mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die anvisierte Bucht machen zu können, doch eine Recherche durch die freundliche Dame an der Information auf dem Schiff ergab, dass dies zwar grundsätzlich machbar wäre, ich aber lediglich 10 Minuten in der Bucht hätte bleiben können, bevor ich wieder zurückfahren müsste.
Am nächsten Morgen flüchtete ich früh vor dem Schnarch Konzert in meiner Sechserkabine rauf zur Skybar an Deck, die aber noch nicht geöffnet hatte. Der Kaffeedurst trieb mich dann runter zum Frühstücksbuffet, das bereits offen hatte. Ich zahlte da meinen Obulus und gesellte mich zu einer Hundertschaft von ebenfalls frühaufstehenden deutschen Rentnern und beteiligte mich an der Schlacht um das Buffet. Ich hatte erst Glück, dass ich noch einen freien Tisch fand aber schnell gesellten sich zwei ältere Damen aus der Truppe dazu. Wie auch all die anderen aus dem Haufen gingen die beiden davon aus, dass hier jeder Deutsch spricht und sprachen mich an.
Ich unterhielt mich nun eine Weile mit den Beiden und fand heraus, dass sie auf einer Busreise waren und genau zwei Tage auf Island verbracht hatten. Ich rechnete im Kopf kurz durch: ein Tag Anreise nach Hirsthals im Norden Dänemarks. Dreieinhalb Tage für die Überfahrt mit der Fähre via Färöer-Inseln. Zweit Tage Island. Ein weiterer Tag Fähre von Island zu den Färöer. Dort 5 Stunden Rundfahrt mit dem Bus. Dann wieder knapp zwei Tage mit dem Schiff nach Hirsthals. Geiler Trip. Auf meine Frage, wie ihnen denn Island so gefallen hätte, erhielt ich mit als erstes die Antwort, dass es dort keine Migranten gibt. Ich beschloss zu schweigen und wünschte mir inständig, dass Dummheit weh tun würde und machte mich ansonsten schnellstmöglich vom Acker.
Kurz nach Mittag erreichten wie dann die Färöer und fuhren wieder zwischen den Inseln durch. Die tiefhängenden Wolken machten die Passage dieses Mal nicht annähernd so famos wie die auf der Hinfahrt. Außerdem war ordentlich Nordswell da und ich ärgerte mich, dass ich nicht vom Schiff konnte. In meiner Not erwog ich noch einen Ausflug in eine besser erreichbare Bucht, die aber wegen ihrer Ausrichtung nach Südwesten wohl nichts von dem Swell abbekommen würde. Kurz überlegte ich noch ein Taxi zu nehmen, aber als wir dann in Torshavn anlegten war mir das dann doch zu viel an Aufwand. So begnügte ich mich mit einem Spaziergang durch die Hauptstadt und die winzige Altstadt mit den traditionellen Holzhäusern mit Grasdach sowie der Hafen waren dann auch ganz nett anzuschauen.
Am Abend ging es dann wieder weiter, bei inzwischen deutlich besserem Wetter. Das Klima hier war nun doch deutlich milder als das in Island und so verbrachte ich noch einige Zeit am Skydeck.
Der Freitag war dann ei ganzer Tag auf See, bei überwiegend Sonne und mit weiterhin stetig von hinten schiebendem Nordswell. Der Morgen begann nett mit wieder einer sehr nahen Vorbeifahrt an den Shetlands, wo mich die Nordsee mit einem hübschen Regenbogen begrüßte. Ich hatte gleich so ein bisschen Hoffnung, dass dies ein Zeichen einer deutlichen Verbesserung meines Nordseekarmas für Dänemark wäre und hoffte ganz heimlich, dass ich am nächsten Tag vielleicht in Thy noch ein bisschen Restschwabbel abgreifen können würde.
Samstagmorgen schien wieder schön die Sonne, doch der Skagerak, in dem wir uns nun befanden wies kaum mehr eine Falte auf. Um Zehn Uhr erreichten wir dann pünktlich Hirsthals und ein erster Check vom Schiff aus zeigte, dass hier wie befürchtet nur kleine Wellchen an den Strand klatschten. Also war nur der Umweg über Thy eine Möglichkeit, eventuell noch nass zu werden. Da meine Tochter heute Geburtstag hatte und ich sie heute noch sehen wollte, hatte ich nicht allzu viel Zeit. Dass es dann mehr als eine Stunde dauerte bis ich endlich von der Fähre runterkam, machte es nicht besser. Aber das Wetter war brillant, sonnig bei einem leichten Südostwind und der Umweg nach Thy ist ja nicht allzu groß.
Also bog ich nach 50 Kilometern rechts von der Autobahn ab und fuhr gen Westen. Allzu große Hoffnungen hatte ich nicht und ein erster Check der Spots am North Shore bestätigte meine Befürchtungen. Wellen bis maximal hüfthoch und der Sideshore Wind blies auch die verbliebenden Falten untauglich. Aber immerhin waren noch Falten vorhanden und an der Westküste würde der Wind offshore kommen.
Auf der weiteren Fahrt entlang der Dünen konnte ich dann aus dem Augenwinkel die ein oder andere erstaunlich heftige Weißwasserdetonation erspähen. Außerdem stand immer wieder Surfermobile in den kleinen Parknischen. Schien doch besser zu sein, als erhofft. Ich beschloss die Hauptstadt von Cold Hawaii rechts liegen zu lassen und gleich zu den Bunkern zu fahren.
Dort parkten wie befürchtet die Autos bereits entlang der Zufahrtsstraße. Ich würde also nicht alleine sein. Auf der anderen Seite nährte das meine Hoffnung, dass was auf dem Teich gehen konnte. Angekommen stellte ich dann als erstes fest, dass die Parkerei an der Straße wohl auch etwas mit einer immensen Pfütze auf dem Parkplatz selbst zu tun hatte. Die störte mich eher nicht und so konnte ich den Lastwagen vorne abstellen. Von da war ich schnell auf der Düne und erblickte als erstes eine heftige Detonation des Shorebreaks. Der schien sich vorgenommen zu haben Supertubos zu imitieren und tat das sehr überzeugend indem er gleich einmal das Brett eines unvorsichtigen jungen Mannes in zwei Teile zerlegte. Wie zum Hohn schickte er dann noch ein paar perfekte kopfhohe Barrels hinterher.
Das Riff dagegen begnügte sich damit die Setwellen in ebenfalls überkopfhohe, ziemlich gut laufende Rechte und ungewöhnlich lang laufende Linke aufzuteilen. Insgesamt eine sehr überzeugende Vorstellung der Nordsee, die meine Erwartungen bei weitem übertrafen. Dazu strahlender Sonnenschein und T-Shirt taugliche Temperaturen. Ich konnte mein Glück kaum fassen und beschloss sofort aufs Wasser zu gehen. Der Lineup war zwar recht voll, darunter einer der von mir gar nicht gern in meiner Nähe gesehenen Wave-Kajaks, aber für weitere Spotchecks hatte ich weder Zeit noch Lust.
Blieb nur die Frage, wie viel Gummi ich am Körper brauchte. Ich entschied dann schnell, dass für dies hier für meinen Island-adaptierten Körper semi-tropisch war und griff mir den 4-3er Neo. Somit gefühlsmäßig fast schon in Boardshorts machte ich mich mit dem Fish auf den Weg an den Strand. Dabei fühlte es sich bereits schon ziemlich gut an, Sand und Kiesel an der nackten Fußsohle und nicht durch 5mm Gummi zu spüren. Schon beim rauspaddeln zeigte sich dann, dass meine Kleidungswahl absolut passend war.
Draußen war die übliche leichte aber konstante Strömung Richtung Norden am Werke und bei meinem ersten Takeoff war ich ein Stück zu tief. Ich beschloss den Drop trotzdem durchzuziehen, schließlich war ich aus Island deutlich geringere Wassertiefen über deutlich kantigerem Gestein gewöhnt. Tatsächlich stand ich den Drop dann sogar, war aber sowohl für die Linke als auch für die Rechte zu tief / zu spät und ließ mich in der Folge kurz vom Weißwasser durchwalken.
Wieder im Lineup merkte ich, dass inzwischen der Kollege mit dem zweiteiligen Brett dazugestoßen war (natürlich mit einem anderen Brett), da er sich sehr lautstark nochmals über die Halbierung seines Sticks ausließ und somit auch jeder Im Lineup davon mitbekam (falls du das liest: nix für ungut, ich fand das nur recht amüsant, da ich den Event ja bereits von Land aus mitbekommen habe ;=) ).
Da die lokalen Hotshots alle bei den dänischen Meisterschaften weiter im Süden zugange waren, gab es niemanden, der hier zu dominant auftrat und in der Folge war es trotz der rund 10 Männer und Frauen hier draußen sehr entspannt und jeder / jede bekam ein paar Wellen ab. Meine Zeit war leider knapp bemessen und der nun hohe Wasserstand machte die Wellen nicht besser, so dass ich nach knapp einer Stunde wieder an Land ging. Dort traf ich noch Uli und hielt einen kurzen Schnack bevor ich mich ziemlich zufrieden auf den restlichen Weg nach Hause machte. Mein Nordsee Karma scheint sich langsam zu verbessern und ich würde noch halbwegs rechtzeitig zum Geburtstag meiner Tochter zu Hause sein. Einen besseren Abschluss des Trips nach Island konnte ich mir nicht vorstellen.
Hier gibt es mehr Bilder von der netten Nordsee.
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Sehr schön abgegriffen!!!
Tim on Di, 09/19/2017 - 16:56Irgendwann werde ich da auch mal wieder aufschlagen
wird Zeit
tripmaster on Di, 09/19/2017 - 18:12dass du da oben mal wieder nach dem Rechten siehst.