Surfrolli

Tourists  are  terrorists, DA, TUT, HH… langsam kriechen die Autos der Fremden über die Landstraße, 70 sind erlaubt, da muss man doch nicht 60 fahren, nur um diese blöden Kühe und Maisfelder anzuglotzen. Geht doch zurück in Eure Steinwüsten! Ausgerechnet jetzt, der Wind ist noch ablandig und schwach, Vorhersage droht  Rückdrehung auf West an,  der Restswell vom Nordweststurm der letzten Nacht kann jederzeit zusammenbrechen, nur noch eine Stunde bis zum Hochwasser. Dabei gab es auf der Arbeit schon Stress genug, „ Warum ist das XY-Projekt noch nicht weiter? Ja,ja , wir tun unser Bestes, nächste Woche“, schnell raus, Sachen ins Auto und ab!

Vom Parkplatz ist die Dünung kaum zu sehen, rein in den Anzug, Brett wachsen, ab, ab in`s Wasser, jetzt bloß keine Fragen, „Wo isch denn Ihr  Seschel, kann men hier Wellereide, warum dun Sie de des da druffreibe? Gestern häze se hier sein müsse, da warn große Wellen, wie Hawei (Alter, gestern war auflandig 7, Chaos, Strömung, Schaum)“.

Ein Glück, kein anderer im Wasser, eigentlich auch kein Wunder, die Wellen brechen vielleicht hüfthoch, um dann auf Kniehöhe zu schrumpfen. Ist auch kein Wochenende. Ich paddle eine Welle an, springe auf die Füße, Turn, Cutback, Welle versackt, ich plumpse rein. „When I have problems I go surf, forget all problems, endless summer ; only a surfer knows the feeling“; Dreck, das sind doch alles nur Sprüche aus Marketingabteilungen irgendwelcher Sportartikelkonzerne. Ich vergesse hier nichts, Konto fast leer zur Monatsmitte, die Kinder seit einem Monat nicht gesehen, mein Knie tut weh, der Winter kommt auch bald, ohne Schuhe ist es fast schon zu kalt, die Planke vergilbt, müsste mal erneuert werden.

Neue Welle, Bottom Turn, Crosstep, ich zwinge einen Noseride, die Welle verliert ihre Kraft, Brett spitzelt ein, berührt den Sand, Abgang. Ich tauche aus dem knietiefen Wasser auf. Weiter oben sitzt ein junger Typ in so einem Strandrollstuhl, gelbe Ballonreifen, salzwasserfest, hinter ihm hält eine hagere Frau im Badeanzug die Griffe umklammert, als ob hier der Weihnachtstsunami droht. Die Welle läuft aus und umspült dem Typ die Füße bis zu den Knöcheln, läuft wieder zurück,  er jubelt kurz, lächelt breit, hebt die Hand und winkt. Ich packe mein Brett unter den Arm, bloß wieder in den Lineup. Moment – so geht das nicht! Der Typ kann nicht surfen, nicht mal laufen, sich wahrscheinlich nicht mal selber die Badebuxe  anziehen und hat  bei diesen Microwellen den Spaß seines Lebens? Ich kann laufen, schwimmen, surfen,  ärger mich die ganze Zeit?

Ich muss lächeln, hebe kurz die Hand, lege das Brett auf`s Wasser knie mich drauf, paddel über die erste Welle, die zweite kommt, hebt mich sanft an, Wassertropfen in der Spätsommersonne , auf dem Scheitelpunkt hebe ich beide Arme, um die ankommenden Linien zu grüßen, rutsche  auf dem Wellenrücken runter - was für ein Leben! When I have problem....

Bild von Henk

Test

Henk on Mo, 08/30/2010 - 09:26
Der Rollifahrer ist einer der Stoketester, die die alten hawaiianischen Götter an die Strände der Welt schicken. Test bestanden! Erinnert mich an die Geschichte von Sunn Rells Mann. Nach ihrem Krebstot ging er eines Tages in Chicago am Strand spazieren, hatte die Lust am Surfen und an allem verloren, dann sah er in den miesesten Onshore-Bedingungen im Winter jemanden surfen, der total stoked war und einfach nur glücklich. Da war er geheilt von seiner Trauer.
Bild von Patriz

sehr schön! wer kennt sie

Patriz on Sa, 08/28/2010 - 16:18
sehr schön! wer kennt sie nicht, die Unzufriedenheit... aber zum Glück ist man ja im Stande, die Sichtweise zu relativieren.