„Okay, heute sollte ich Folgendes lernen:

1. Wenn es heißt, dass man in San Francisco surft, heißt das nicht, dass man wie in Kiel fünf Minuten zum Strand benötigt und

2. Geduld ist eine Tugend.

„Na klar komme ich mit an den Strand, ich will mir das Gesurfe doch auch mal angucken.“ Nach einer schier endlosen Reise mit dem Vollgas-Vollbremsung-Klapperbus über sämtliche Hügel der recht weitläufigen Stadt San Francisco, kamen wir nach einer zweistündigen Anfahrt am späten Vormittag am Strand an. Da mir von der rasanten Reise und der eher unkonventionellen Fahrweise des Busfahrers ziemlich schlecht geworden war, setzte mich Angela am Strand ab und schlenderte selbst zum Surfshop um sich surfbereit zu machen.

Ich saß herum und wartete. Da waren sie also, die Wellen, die Surfer, der Nebel. Doch wo war die Action? Egal, die Action kommt bestimmt gleich, zieht sich grad noch um. Ich wartete weiter. Die Surfer schienen ebenfalls alle zu warten. Ich begriff nicht, was los war. Welle um Welle rollte ohne Surfer Richtung Strand. Was machten die da bloß? So warm, dass man sich dort im Wasser lediglich zum Vergnügen treiben lassen konnte, war’s nun auch nicht.

Schließlich kam Angela, eine Schnute ziehend, um die Ecke. „Angela, was machen die da? Hier passiert irgendwie nicht viel.“ „Mensch, läuft nicht viel Welle heute, musst du halt warten.“ „Ich hab hier ‚ne halbe Stunde gesessen, ich weiß nicht wie viele Wellen es waren, aber mehr als 3 werden es wohl schon gewesen sein.“ „Kannst ja nicht jede Welle surfen, sind fast alles Closeouts, musst auf die richtige warten.“ Und schwupps, zischte sie ab Richtung Wasser.

Voller Erwartung zog ich meine Schuhe aus, krempelte die Hose so hoch, wie ich nur konnte und stakste, Kamera natürlich schon eingeschaltet, in das nicht wirklich wohltemperierte Wasser. Egal, ich wollte gute Fotos machen, also musste ich möglichst nah an das Geschehen ran.

Als Angela endlich bei den anderen Surfer draußen angekommen war, kam keine zehn Sekunden später eine meiner Meinung nach schöne Welle rein. Die Kamera im Serienbildmodus haltend, hielt ich den Auslöser gedrückt. Diesen betätigte ich mehrere Sekunden lang, bis ich bemerkte, dass Angela sich nicht von der Stelle bewegt hatte. Auch sonst hatte keiner seine Position verändert. Außer mir, die Welle war höher und schneller als geplant und hatte meine ganze Jeans durchnässt. So verging der Tag. Frierend hielt ich über Stunden die Kamera auf Angela gerichtet. Drückte mehrmals nervös ab, wenn ich das Gefühl hatte, sie würde sich eventuell überlegen, es zumindest in Erwägung zu ziehen, eine Welle vielleicht anzupaddeln.

 Letztlich hab ich viele Bilder von Möwen gemacht und da lag so großer Seetang rum, das musste ich auch fotografieren.

Genau fünf Mal habe ich mir eine „Ich starre ausschließlich auf die Surfer Auszeit“ genommen und jedes Mal, wenn ich mich ihnen anschließend wieder zuwandte, hatten wirklich ALLE ihre Position gravierend verändert. Es war zum Verrücktwerden. Angela dann wieder unter den ausnahmslos schwarz gekleideten Wellenreitern auszumachen, nahm auch jedes Mal eine gewisse Zeit in Anspruch. Meist sah ich sie winkend, und mit den Händen ein Kamera-Knipsen simulierend in meine Richtung gucken, was ich leider lediglich mit einem Achselzucken quittieren konnte. Hatte doch gerade den Seetang fotografiert. Mittlerweile war mir auch klar geworden, warum es so wenig Fotos von ihr gab:

1. befinden sich die Surfer ganz schön weit weg,

2. sind wohl nicht alle Wellen surfbar,

3. wird nicht jede angepaddelte Welle auch genommen,

4. nicht jeder Versuch eine Welle zu reiten mündet in Erfolg und

5. wenn eine gute Welle reinkommt, ist man nicht allein auf der Welt.

 

Als Angela schließlich grinsend aus dem Wasser kam, hatte sie alles Mögliche zu berichten, was dort draußen spannendes passiert war. Sie fragte mich, ob ich gesehen hätte, wie der fiese Typ ihr die Vorfahrt genommen hätte, ohne sich danach zu entschuldigen, wie ihr einmal das Brett furchtbar um die Ohren geflogen wäre, wie einmal alle Surfer gleichzeitig eine zu steile Welle angepaddelt hätten, sie aber letztlich keiner hätte stehen können, wie sie die totaaaaal dolle Welle fast 30 Minuten lang geritten habe…

Aha, hmmm, ja, nee, weiß nich’.

Ich erzählte von den Möwen und zeigte ihr den Seetang. Auch einen schönen Stein hatte ich gefunden.

So fuhren wir beide (aus unterschiedlichen Gründen) glückselig und zufrieden wieder nach Hause.“

Ahoi

 

 

So war sie, die letzte Session mit meinem Board, aus Sicht meiner Schwester. Für mich war sie eigentlich ganz in Ordnung, wenn man die Wellenausbeute in Relation zu den Bedingungen sieht.

Danach musste ich dann Abschied nehmen von meinem Board, denn das reist jetzt nach Deutschland, ganz ohne mich. Hier mache ich es reisefertig:

 

 

Die Stimmung war dann den Rest des Tages etwas getrübt; zwar werde ich wieder dort surfen, aber das roch doch schon sehr nach Abschied. Damit ich auf andere Gedanken komme, wurde dann am nächsten Tag der Roadtrip quer durch Kalifornien, Arizona und Nevada in Angriff genommen. Runter ging’s den Highway No. 1, wo ich immer nur sehnsüchtig auf die Wellen starren konnte:

 

 

 

 

Nach einem Tag in Monterey rasten wir mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 mph (mehr ist da auf der kurvigen Küstenstraße größtenteils nicht erlaubt) gen Santa Barbara. In Big Sur fand ich dann mitten auf der Strecke einen perfekten Spot, der einsam und verlassen da lag. „Was ist denn hier los“, dachte ich mir, „die Wellen sehen perfekt aus und niemand ist hier? Wo sind die Leute?“ Ich machte erstmal ein paar Bilder und überlegte verzweifelt, wo ich jetzt schnell ein Board auftreiben könnte.

 

 

 

 

Nachdem ich sowohl die Idee – inspiriert von James Bond -  eine Autotür als Surfboard zu missbrauchen, als auch den Einfall, in der Mitte von Nirgendwo irgendwo ein richtiges Surfboard auftreiben zu können, als unrealistisch einstufte und meine Schwester schon zur Weiterfahrt drängelte, tauchte dann doch noch ein Surfer auf und ich schoss noch ein paar Bilder.

 

 

 

Aber mein Surftag sollte in Santa Barbara kommen; so dachte ich zumindest. Nachdem wir den Weg nach Santa  Barbara ohne weitere Probleme fanden (man musste entweder einfach in die Richtung der riesigen Rauchsäule fahren oder blind dem Feuergestank folgen) wurde meine Schwester am Samstag um Punkt 7 Uhr geweckt um schön früh ins Wasser zu kommen. Nur leider hatte ich mir wohl den schlechtesten Zeitpunkt des Monats ausgesucht. High tide und noch Vollmond, also RICHTIG high tide. Nach einem Besuch von Leadbetter und Miramar wurden dann am Campus Point ein paar kleine Wellen erblickt. Auch andere Surfer packten gerade aus, was ich als gutes Zeichen deutete.

Schnell wurde sich eingekleidet und der Strand angepeilt. Dort stießen wir dann auf ein „kleines“ Problem. Bedingt durch das hohe Wasser war die einzige Treppe zum Strand hinunter etwas überspült. Das Kliff herunterzuklettern erschien mir mit meiner Planke allerdings als die wesentlich schlechtere Variante. Somit staksten ich und meine Schwester (die mir beim Board-Tragen geholfen hat) die Treppe hinunter. Ich war schon in meinem Wetsuit, meine Schwester allerdings noch voll eingekleidet (u.a. in einem weißen T-Shirt). Unten angekommen, warteten wir dann auf eine kleine Pause, in der es möglich war, eventuell halbwegs trocken an den Strand zu kommen und nicht von einer Welle an die Felsen geschmettert zu werden. Leider verließ uns an dieser Stelle das Glück mal wieder und eine außergewöhnlich große Welle (keine Ahnung, wo die plötzlich her kam) schmetterte an die Treppe und überspülte uns mitsamt unseren Sachen (Handy, Kamera, Geld, nur um mal ein paar Beispiele zu nennen…) von oben bis unten. Danach war ja eh alles egal und wir stapften (meine Schwester nass, durchsichtig und wütend) durchs annährend hüfthohe Wasser.

Für mich ging es dann auch rein ins Wasser und die Warterei fing an. Meine Schwester ließ ich mal wieder am Strand zurück, natürlich mit der Aufgabe Bilder zu machen; sie legte ihren Fokus jedoch auch heute wieder auf die Seevögel und holte sich einen typisch deutschen Touri-Sonnenbrand. Ein kleines Video von mir auf einer Mini-Welle hat sie zustande gebracht. Danach hatte sie keine Lust mehr, machte ein paar Videos von den sch*** Pelikanen, trocknete ihre Sachen und legte sich in die Sonne.

Gut, zurück zu mir. Anfangs waren die paar Wellen, die tatsächlich reinrollten, einfach nur super fat, brachen entweder nicht oder ziemlich spät und waren schwer zu bekommen. Nach ein paar Positionswechseln ging es dann irgendwann. Nachdem die dead tide überwunden war, rollten dann ein paar kleine surfbare Sets rein; ein paar schöne Wellen später gab es dann auch eine perfekte Welle, die nie enden wollte und definitiv den Frust von der ersten Stunde ausgeglichen hat. Witzig war auch die Situation, in der eine große Welle reinrollte, ich die natürlich nehmen wollte, paddelte, mich umdrehte, merkte, dass die schon ziemlich steil und am brechen war, der Typ neben mir nur „no, no!“ brüllte, ich sie natürlich trotzdem nahm (ich paddel doch nicht umsonst!) und den drop tatsächlich machte. Mein One-day-Surfbuddy schaute auf jeden Fall etwas verwirrt.

Somit hatte sich der Tag dann doch noch gelohnt; hier mal eine Impression (einer der wenigen ohne Pelikane oder Seetang).

 

 

Diese Woche bin ich nun erstmal gefangen im Inland, aber zumindest steht auch ein Skigebiet auf unserer Reiseliste; Snowboarden kann ja auch ganz nett sein!