Es ist kalt und sonnig. Das Dünengras schwingt im Wind. Es wiegt sich in Wogen auf den welligen Dünen. In einer Mulde hat der Wind kleine Rippen in den Sand gezeichnet, auf das moorige halbgefrorene Gewässer kalligrafisiert der Ostwind Streifen einer Zeichnung, die das hinterm Kamm der nächsten Düne liegende Meer skizziert. Ich bleibe auf der Düne stehen. Weit draußen baut sich langsam eine Serie neuer Wellen auf. Dunklere Linien, sechs, sieben Stück hintereinander, die rasch näher kommen. Weit draußen vor dem Riff werden sie umgelenkt und ziehen in steilem Winkel auf den Strand zu. Das Wasser wölbt sich über dem steinigen Grund, die Energie wird gebremst, und plötzlich steht die erste Welle steil im Gegenwind. Der Kamm fächert oben aus, zieht eine Fahne weißer Gischt hinter sich her, bleibt noch stehen, ohne zu brechen, und stürzt dann doch, sich weit nach vorn ins Flache vor der Welle werfend. Zwei Augenblicke später höre ich gegen den Wind das Donnern des Wassers und sehe, wie der Schaum wie mit dem Lineal gezogen nach links und rechts entlang der Riffkante auf das Ufer zutost. Die Welle ist steil und schnell, ich zögere.
Es ist kalt und ich spüre den eisigen Ostwind im Nacken. Ich weiß, dass ich mich gleich ins Wasser stürzen werde, ich weiß, dass ich frieren werde, dass ich tauchen werde, auftauchen und paddeln, um vor der nächsten Serie wieder im Line-up zu sitzen. Allein und mit dem Rücken zum Land. Die Bedingungen sind traumhaft. Und plötzlich weiß ich auch, dass meine alte Angst vor der Tiefe die Angst vor genau diesem Augenblick gewesen ist. Die Brandung habe ich hier noch nie so mächtig erlebt. Größe und Kälte und Einsamkeit verlangen Respekt – und mehr noch, die Elemente machen ganz einfach ihr Ding und ich muss sehen, wie ich damit zurechtkomme. Die letzte Welle, die ein Stück neben mir hohl über der Spitze des Riffs brach, maß vielleicht drei Meter vom Fuß bis zum Kamm. Durch die Wölbung der Lippe blickte ich auf den Leuchtturm der Hafenstadt zehn Kilometer weiter im Norden. Alles war in Dunst getaucht, über den Dünen stand ein Schleier aus Aerosolen, in dem sich die niedrige Sonne fahl brach. Die Strömung zog mich genau in den Peak. Ich musste nichts weiter tun, als die Position zu halten und auf das nächste Set zu warten und dann eine Welle zu nehmen. Ich hoffte nur, dass ich es über die erste, zweite schaffte, um dann die dritte anzupaddeln. Es kam. Die Wellen kündigten sich als ein Schatten am Horizont an.
(Wird fortgesetzt)
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gänsehaut
Timmsen on Mi, 08/18/2010 - 22:19bin gespannt
tripmaster on Mo, 08/23/2010 - 09:07auf meer!