"OK, gib mir die totale Masochismus-Peitsche und sag' mir wie es heute war! Eigentlich will ich es gar nicht wissen, aber die Neugier siegt mal wieder..."
(Auszug einer SMS von einem guten Lüneburger Surfkollegen und Pauker an mich)
Wer von uns kennt dieses Gefühl nicht. Man weiß, dass an der heimischen Nord- oder Ostseeküste bomben Wellen an den Strand laufen und man kann nicht hin! Geblock von der Arbeit, wichtigen Verabredungen, Terminen, Familie oder sonst etwas, was unverschiebbar ist. Ein "Schei$" Gefühl, was den einen nur gewaltig nervt, den anderen stresst und manchen sogar, je nach Surfentzug in leichte bis mittlere Depressionen treibt. Früher in der "Pre-Internet-Ära" war man unwissend und wusste nicht, was man verpasste. In dieser Hinsicht war das gut so, da die persönlichen Emotionen somit nicht auf Talfahrt geschickt wurden. Nachteilig aber auch, weil man eben einfach viel mehr verpasste und nicht um das Potential unserer Nordmeere wusste.
Ganz besonders wertvoll sind "sahne" Tage, wenn man sie hier bei uns im Norden doch mal miterleben darf, obwohl man oft wie oben beschrieben zeitlich geblockt ist oder eine weite, zeitraubende, stressige und heutzutage kostspielige Anfahrt zum Spot hat.
Die Ostsee kann ich in 1 Stunde und 15 Minuten erreichen. Die einfachste und kürzeste Möglichkeit um an surfbare Wellen zu gelangen. Für mich "Luxus" für andere schon zu weit. Leider läuft an dem nächstgelegenen Spot nur an ein paar Tagen im Jahr eine gut surfbare Welle. Somit ist es, wenn richtig was geht, etwas Besonderes. Die Nordsee ist da schon konstanter. Das Surfen dort bedeutet für mich aber auch einen größeren organisatorischen Aufwand um an die Wellen zu gelangen. Oft wird vorgearbeitet. Außerdem geht viel Zeit und Kraft für die Hin- und Rückfahrt drauf. 4,5 Stunden bis zum ersten guten Spot. Zu anderen potentiellen Spots dauert die Anfahrt noch länger. Dasselbe noch einmal auf der Rückfahrt. Erstmal oben, heißt es um gute Wellen zu erwischen, mobil zu sein und weitere Fahrtstrecken auf sich zu nehmen, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit sauber laufenden Wellen bei passender Windrichtung zu sein.
Ich will mich hier nicht beschweren. Ansonsten müsste ich mein Leben umkrempeln und ans Meer ziehen. Eigentlich bin ich aber ganz zufrieden. Ich wollte nur beschreiben, warum für viele Nordsurfer, wie auch für mich, es grade so besonders ist "epische" Tage an "heimischen" Gewässern zu erwischen.
Es rollen zu jeder Zeit viele perfekte Wellen auf diesen Planeten an den Strand. Das berührt aber nicht weiter. Wenn es aber zu Hause in erreichbarer Nähe knallt, möchte man aufgrund der Seltenheit der Vollkommenheit auf jeden Fall dabei sein.
Letzte Woche schien seit längerem Mal wieder Vieles zu passen. Der Forcast war ganz gut. An einem Tag sogar sehr gut. Ich hatte frei und von der Familie grünes Licht bekommen. So fuhr ich mit großer Vorfreude in den Norden.
Hamburg nennt man ja auch Tor zur Welt.
Wenn ich gen Elbtunnel am Hafen vorbeifahre fühle ich Freiheit und lasse danach mit Hamburg auch meinen Alltag hinter mir. Der Blick geht nach vorn in Antizipation auf das vor einem Liegende.
An diesem Tag bließ der Wind so stark, dass die Fehmarnsund Brücke nicht nur für LKWs gesperrt wurde, sondern für ALLE Fahrzeuge. An der Nordsee stürmte es aus West. Am Nachmittag sollte eine rasche Wetterberuhigung eintreten. Gegen Mittag war ich an meinem ersten Ziel angekommen. Große Wellen durch den heftigen Wind an die Küste gepusht, brachen schon auf weit vorgelagerten Sandbänken. Dauerregen! Im "Wellenbad" arbeitete die Pumpe auf Hochbetrieb. Die dicken Dinger liefen sortiert in einer Größe, welche ich dort noch nicht gesehen hatte. Ein Marschall vertrieb allzu Neugierige sogar vom Beckenrand!
Kurz bevor er mich erwischte, mich des Platzes verwies und ich mich anschließend über einen Geheimweg selbst in den Line-Up wagte, konnte ich noch einige Bilder von den Locals im Wasser machen.
Der Wind ließ wie vorhergesagt schnell nacht. Die Wellen waren über Kopf hoch und man hatte einiges zu tun, um nach seinem Ritt wieder in den Line-Up zu gelangen. Die Duckdives und Waschgange waren hart. Icreamheadaches inklusive. Überhaupt frohr ich ziemlich schnell und hatte das Gefühl, dass es diesmal viel kälter war als eine Woche zuvor an der Ostsee. Als ich es wegen der Kälte wirklich nicht mehr im Wasser aushielt, beendete ich meinen Surf, obwohl kräftemäßig noch was drin war. Langsam wurde es jetzt auch schon dunkel.
Gut, dass der Bus schnell warm wurde und nach einem Grog auch die innere Körperwärme anstieg.
Es war Zeit sich einen strategischen Platz zum Übernachten zu suchen. Der kommende Tag hatte richtig viel Potenzial. Ordentlich Grundschwellung und Offshore waren im Angebot. Aber nicht in dem gewünschten Maße vor an meiner jetzigen geografischen Lage. Ich übernachtete an einem Platz von dem aus sich mir die meisten hoffnungsvollen Möglichkeiten boten, die oben genannte Konstellation zu erwischen.
Kalt wurde es! Diesen Kälteeinbruch hätte ich eigentlich erst einen Tag später erwartet. Am Morgen war die Frontscheibe vereist und der Boden gefrohren. Die Welle hier war noch zu unsauber, zu kräftig und das Wasser stand meiner Meinung nach zu hoch. Ich war nicht mehr alleine der "Handwerker" und der "Pauker" begrüßten mich.
Ich wollte keine Zeit verlieren, die Tage sind ja immer noch ziemlich kurz und machte mich auf zur Spotcheckerrunde. Die erste Anlaufstelle war ein Totalreinfall, die Zweite sah schon fast einladend aus
, aber ich wusste da geht irgendwo noch mehr. Am späten Vormittag fand ich sie an einem Ort, den ich eigentlich geplant hatte gleich anzusteuern. Aber wie es so ist, werden nahegelegene und auf der Strecke liegende Spots gerne einen Quikcheck unterzogen.
Ein im Vergleich mit dem Tag zuvor lockerer Surf folgte. Die Welle brach sehr vorhersehbar an einem engen Take-Off Spot, den ich mir mit zwei Locals teilte. Zwischendurch wechselte ich die Bretter und hatte mit meiner zweiten Wahl noch ein wenig mehr Spaß. Die Kälte merkte ich heute nicht so. Es schien zwar immer noch keine Sonne. Dafür wehte nur ein sanfter ablandiger Wind, der den Wellen ihr schönes Aussehen verlieh und sie hohl brechen ließ.
Ich glaube nach drei Stunden war ich durch. Die Wellen feuerten immer noch, doch meine Arme hingen wie die eines Orang-Utans nach unten und konnten der auf unserem Erdball herrschenden Schwerkraft nichts mehr entgegensetzen.. Außerdem zollte mein Körper der Kälte Tribut und war auf Rückzug eingestellt.
Aufwärmen, kochen und Mittagessen standen auf dem Programm. Zufrieden die Surfsession reflektierend saß ich im Bus. Schon kurze Zeit später plagte mich die innere Unruhe. Es war schließlich noch einige Stunden hell und einen Spot hatte ich noch keinen Besuch abgepasst. So schmiss ich wieder den Motor an. Schon als dort am Dünengürtel ankam, war mir anhand einer handvoll geparkter Local Surfmobile klar. Hier ist heute der Spot TO BE! Der Blick über die Dünen bestätigte dies. Der Beachie imitierte Hossegor Tube-Station "La Gravière". Die Wellen bracht hohl überkopfhoch nahe am Strand.
Die Peaks schifteten zwar, trotzdem konnten die Jungs im Wasser während meiner kurzen Beobachtungs- fotografier Phase viele fette "Bomben" surfen. Überzeugt! Die Schwäche in meinen Armen war fürs Erste wie weggeblasen. Den noch klitschnassen eiskalten Neo nahm ich in Antizipation, der Wellen welche ich gleich surfen würde gar nicht mehr war.
Attacke!!!! Meine bestse Session auf diesem Trip folgte.
Nicht nur die Rights liefen! Ebensoviele Lefts wurden in Angriff genommen.
Als es dunkel wurde verließ ich das Wasser und diesen Ort. Der Wind sollte am kommenden morgen drehen und im Tagesverlauf auffrischen. Der Spot würde mit der aufkommenden Wetterkonstellation nicht klar kommen. Ich begab mich einmal mehr auf "große" Fahrt. Nach meiner Ankunft begoß ich den Tag bei einer kleinen Diashow und fiel noch vor 22.00 Uhr hundemüde in die Koje.
Neuer Tag. Die Karten waren neu gemischt. Der Übernachtungsspot wurde einmal mehr von mir als sehr komfortabel mit Meerblick bewertet. Die Wellen überzeugten dennoch nicht. Ein wie ich dachte geschützterer Spot wurde angesteuert. War er aber nicht. Zwei Surfer versuchten sich dort in kräftigen shifting Peaks, die relativ unberechenbar brachen und wurden zudem von einer starken Strömung geplagt, so dass sie nach nicht allzu langer Zeit das Wasser verließen, um sich mit angezogenen Neos auf ihre persönliche weitere "Search" zu machen.
Hier traf ich neben einem weiteren "Agenten" auch wieder auf den "Handwerker" und den "Pauker". Ein weiterer "Pauker", dem sein Beruf wohl schon alle Haare gekostet hatte, trudelte kurze Zeit später ein. Alle besaßen ihre eigene Philosophie, wo sie wohl demnächst ins Wasser gehen würden. Ich auch und beschloß meinem Bauchgefühl zu folgen. Abfahrt!
Mein Bauchgefühl erwiest sich beim ersten Blick auf das Meer mehr als danebenliegend. Dennoch versuchte ich den Wellchen die reinliefen eine Chance zu geben. Ebenso meinem Longboard, das zu ersten Mal auf diesem Trip zum Einsatz kommen durfte. Dieser währte aber nicht lange, obwohl die Wellen doch besser surfbar waren als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Dumpfe Schläge gegen mein Brett bei meinem ersten Wellenritt ließen mich aufhorchen und mich meine Umgebung mal etwas genauer betrachten. Das sah ich auf einmal das hier:
Eisschollen von klein bis zum einem Quadratmeter groß bevölkerten das Line-Up. An sicheres boardschonendes Surfen war hier nicht zu denken. Ich wünschte mir ein stabildes Alu Brett und einen mit Protektoren ausgestatteten Wetsuit daher. Aber die müssen ja erst noch erfunden werden und eine gute Fee war auch nicht in Reichweite. So verließ ich ein wenig geknickt das Wasser. In dem Moment kam mir ein weiterer bekannter "Pauker" entgegen.(Mir wurde mal wieder bewusst wie hoch die Pauker und gleichzeitig Surfer Relation ist.) Ich warnte ihn und seine Kumpels vor, aber probieren geht bekanntlich über studieren. Sie machten in den kommenden Minuten ihre eigenen Erfahrungen mit dem "Packeis" und verließen das Wasser genauso schnell wieder, wie sie es zuvor enterten. Jedoch versuchten sie ihr Glück erneut weiter südlich an einer Stelle die anscheinend eisfrei schien. Dort sahen die Wellen aber auch bescheiden aus, so dass ich mich nicht überwinden konnte ihnen zu folgen. Auf den zweiten Blick ein Fehler. Denn wie man hier auf dem Fotos sehen kann, bekamen sie durchaus ihre Wellen und kurze Ritte ohne Spaß sahen anders aus. Sogar der eine oder andere "Claim" wurde von mir regestriert.
Hmmm! Nach langem rumstehen und nicht wissen was zu tun, wollte ich nach Hause fahren und ging ich zum Bus. Mir begenete auf dem Weg dorthin erneut der Handwerker Dude mit seinem Pauker Kumpel. Sie schienen fest entschlossen auch ohne Eisbrecher gleich das Wasser für eine Session zu entern. Irgendwie steckte mich ihre Motivation und das vorher auf dem Wasser von den anderen Jungs Gezeigte an und ich schnallte ein letztes Mal das Longboard vom Dach und stieg in den nasskalten Neo.
Der Blick von der Düne auf den Hauptspot ließ meine Kinnlade herunterklappen und mich für ein paar Sekunden mit offenen Mund dastehen. Der Handwerker und der Pauker surften dort gerade eine supercleane hüft- bisSchulterhohe Partywelle ab.
Nicht nur sie auch eine handvoll weiterer Surfer hatte ziemlich schnell kapiert, dass die Eisstücke weiter nach draußen getrieben worden sind und die Wellen nun am Laufen waren. Alle im Wasser waren überglückglich über die nicht erwartete "Supersession", dementsprechend war die Stimmung im Wasser mehr als gut. Die Wellen kamen mit einer Regelmäßigkeit, die Surfen im Kreisverkehr erlaubte und jedem viele gute Wellen bescherte.
Leider drehte nach ungefähr 1,5 bis 2 Stunden der Wind. Nicht das er jetzt stark blies, aber es reichte um die Eisschollen wieder gen Line-Up zu drücken. Eine handvoll Sets wurden noch gesurft. Danach musste man das Wasser verlassen, wenn einem sein Board und seine Gesundheit lieb war, denn die Eisdichte war nun größer als noch am Vormittag.
Es zerbrach einem fast das Herz einen nahezu perfekten Set nach dem anderen die Sandbank entlang brechen zu sehen und diese Wellen nicht surfen zu können. Mit einem Bier stießen der Handwerker, der Pauker und ich auf unsere "Supersession" an. Es half uns auch ein wenig den Anblick der reinrollenden nicht surfbaren Schönheiten zu ertragen.
In Strandnähe konnte man jetzt kleine Eiswellen beobachten die klirrend brachen. Ein witziger und besonderer Augen- und Ohrenschmaus.
Für mich war es nun an der Zeit die Zelte abzubrechen. Ich verabschiedete mich von den Dudes und fuhr mit Vorfreude auf meine Familie und den vielen schönen Erlebnissen der letzten Tage im Gedanken Heim. Beim letzten Blick von der Düne, konnte ich noch weit draußen an dem anderen Spot einen SUPler erkennen, der wohl noch bis zum Sonnenuntergang geordnete schulterhohe Wellen alleine für sich hatte. Glückspilz!!!
Hier giebt es weitere Bilder für "Masochisten"!
P.S.: Der Sturm hatte Massen von Müll an die Strände gespült. Nicht nur diese Kiste von einem Fishtrawler aus Brest.
Surfer, ihr verbringt eure oft eure beste Zeit auf dem Wasser und seid den Meeren und Ozeanen so nah wie nicht viele andere Menschen. Schützt ihn, tut ihn was Gutes und animiert sowie informiert andere Menschen, Unwissende sich genauso zu verhalten!
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sauberer blog, fett
Da Johnnie on Mo, 02/25/2013 - 22:20geilo...
beach_club on Do, 02/07/2013 - 23:41....es sei dir gegönnt Kollege....!
deegee on Do, 02/07/2013 - 22:41Alter!!
Timmsen on Do, 02/07/2013 - 19:19hammer....
k.w. on Do, 02/07/2013 - 18:23