Langsam wird es wieder Sommer. An jedem Wochenende ist der Strand noch ein bisschen mehr mit Handtüchern zugedeckt und die Schlange der Autos Richtung Meer wird immer länger.
Dies sind immer eindeutige Gründe um zu sagen: Ab in den Norden!
Doch für den ersten Trip ins Nachbarland in diesem Sommer hatte ich nicht den Plan mein Board mitzunehmen, dieses Mal wollte ich zu Fuß, auf dem Jakobsweg, nach Santiago de Compostela laufen. Schon seit Jahren hatte ich die wandernden Menschen mit ihren großen Rucksäcken in Nordspanien betrachtet- meistens aus dem Autofenster auf dem Weg zum nächsten Surfspot.
Je nach Wetter und Wellen habe ich sie meistens bemitleidet, als ich an ihnen vorbeirauschte, aber irgendwie hat es mich doch fasziniert und ich hatte eigentlich immer den Plan es “irgendwann” mal zu tun. Das schwierigste dabei ist (für mich zumindest), die ganze Zeit nahe an tollen Stränden zu sein, aber das Surfen einfach mal ruhen zu lassen. Zumal es mir an Zeit zum Surfen ja ansonsten nicht gerade mangelt.
Zusammen mit einer Freundin ging es im Juni dann los.
Wir hatten uns überlegt eine Strecke von ca. 120km zu laufen, was in einer Woche gut zu schaffen ist. Der über tausend Jahre alte Weg führt von Portugal nach Norden, über Tui, nahe an Vigo vorbei und über Pontevedra nach Santiago. Teilweise ist es eine alte Handelsroute der Römer über die man geht, kleine alte Steinbrücken, schmale Pfade durch Wälder, manchmal ist der traditionelle Weg aber auch von der Landstraße oder einer Autobahn überdeckt worden, sodass man recht unromantisch am Fahrbahnrand vor sich hin latscht.
Das Schöne am Jakobsweg ist, dass einem keiner sagt, wie oder mit welchen Intentionen man ihn gehen soll. Die einen machen daraus eine Schlemmerreise (Wenn man alles was aus dem Meer kommt, gerne isst, ist man in Galicien auf jeden Fall richtig), andere wollen Urlaub in der Natur machen, ein paar Kilo abnehmen, Kirchen und Museen besichtigen... man trifft Leute mit den verschiedensten Motivationen. Wobei mir wirkliche, steinharte Christen kaum begegnet sind (vielleicht gehen die, den schweren Weg über die Pyrenäen, um Buße zu leisten).
Den Ursprung, oder besser: den Grund, warum der Jakobsweg eigentlich existiert, muss man nicht kennen, um auf dem Weg zu gehen, es macht die Sache aber um einiges interessanter, da man von lauter Symbolen und Monumenten umgeben ist, die sonst null Bedeutung haben.
Die Kursfassung ist, dass der Apostel Jakob in Jerusalem ermordet wurde, daraufhin in einem Boot ohne Segel oder Steuer durch das Mittelmeer, Gibraltar und dann die Atlantikküste hoch schipperte und von zwei Begleitern dort beeerdigt wurde, wo heute die Kathedrale von Santiago steht.
Große Teile der Kultur in den katholischen Ländern haben ihren Ursprung in diesen Legenden. Doch auch wenn die Geschichte an sich leicht unrealistisch ist, haben der Weg und das Ziel durch all die kleinen Geschichten der Menschen, die dort hingelaufen sind, sehr viel Bedeutung bekommen.
Bei den Pilgern gibt es, wie bei den Surfern, die verschiedensten Typen. Die alten Hasen, die schon alles gesehen und erlebt haben, die Technikfreaks, die jede Situation für eine Fachsimpelei über ihr Material nutzen, Dudes, die immer einen spirituellen Spruch auf den Lippen haben und natürlich: Anfänger.
Pimentos de Padrón- unbedingt probieren!!
Weder meine Freundin noch ich wandern sonst viel... oder überhaupt... Da es eh warm sein sollte und ich den Sinn im Kauf beiger Wanderkleidung nicht so richtig sehe, bin ich einfach in meinen Joggingklamotten gegangen. Ich glaube so von oben bis unten in Nike sah ich eher aus wie eine Joggerin, die sich im Weg geirrt hat- wo ja vielleicht auch was dran ist.
Ich glaub mein Surfergegenstück wäre jemand mit einem Malibu mit Bodyboardleash gewesen, aber ich weiss ja: „The one who has the fun is the best“.
Was beim Pilgern und beim Surfen gleichfalls gilt, ist das frühes Aufstehen sich lohnt. Der Morgennebel, den Sonnenaufgang zu sehen und sich nicht mit dutzend anderen in der Mittagshitze herumzuschlagen, ist nicht nur beim Surfen eine schöne Sache.
So sind haben wir immer zwischen sechs und sieben Uhr unsere Rucksäcke geschultert (alles was man so braucht auf ein tragbares Gewicht zu reduzieren, ist garnicht so einfach) und sind den gelben Pfeilen und Jakobsmuscheln (ja, der Name kommt genau daher) über Stock und Stein gefolgt. Der Weg gilt als flach, doch für mich als Hamburgerin reicht es schon, wenn mal 200 Höhenmeter auf einem Geröllpfad zu überwinden sind.
Die zweite Etappe führte nach Redondela, was sehr nah an der Ría (Fjord) von Vigo liegt. In der Herberge dort konnte man sich kostenlos Fahrräder ausleihen, was wir direkt ausnutzten, um ein paar Stunden am Strand zu verbringen. Ohne Fahrrad wäre ich wohl nicht die zwei Kilometer an den Strand gegangen- nach fünf bis sieben Stunden wandern, gehe ich keinen Schritt mehr freiwillig.
Entfernungen sind schon eine lustige Sache: eine Woche nachdem ich die Autobahn als rauschenden Fluß aus dem Wald heraus betrachtet habe, bin ich im Auto auf dem Weg nach Norden. Schnell mal von der portugiesischen Grenze bis nach Padrón. Kaum eine Stunde fahrt und -zack- habe ich fünf Tagesmärsche hinter mich gebracht. Für einen kurzen Moment betrachte ich unsere moderne Zivilisation von aussen und denke mir, was für ein wahnsinniges Glück wir haben auf so unbeschwerlichem Weg so viel von der Welt sehen zu können.
Dann konzentriere ich mich aber doch lieber wieder auf die Straße und darauf wo ich heute noch ins Wasser komme. Während es den ganzen Caminho (Weg) über sonnig war, prasselt jetzt fast horizontaler Regen gegen die Frontscheibe und auf den engen gewundenen Straßen, die über ein paar Berge führen, kann man vor lauter Nebel kaum etwas sehen- vielleicht hängen die Wolken aber auch einfach so tief.
Schliesslich geht die Straße runter zur Ría und wir fahren an den Pontons auf denen Austern gezüchtet werden vorbei. Als wir endlich am offenen Meer sind, hört es sogar für ein paar Momente auf zu regnen und mein Mitfahrer ist sehr froh nach all den Serpentinen ein bisschen frische Lust schnappen zu können.
An der Westküste Galiciens gibt es im Sommer recht selten Wellen, viele gute Spots liegen nach Süden oder werden von vorgelagerten Felsen und Inseln geblockt. Doch das schlechte Wetter hatte einen anständigen Swell mit sich gebracht, so dass man schon auf der Fahrt die Gischt gegen die Steilküste schlagen sah. Trotz meinem Drang nach den Tagen auf dem Trockenen so schnell wie möglich ins Wasser zu gehen, beherrschte ich mich zu warten, bis das Wasser ein bisschen höher kam, da die Wellen dann einfach besser laufen. So gingen wir erstmal in eine recht rustikale „Mesón“ (so heißen in Galicien „volkstümliche Lokale“, ich würde es Spelunke nennen) um frisch gefangenen Tintenfisch zu essen und eine Sidra (Apfelwein) zu trinken.
Auch wenn die Wellen später ein wenig schwabbelig waren, war es doch eine richtig gute Session mit nur drei Leuten im Wasser und als Bonus mit einem tollen Blick auf die Berge ringsherum.
Corcubión, nahe FinisterraAm nächsten Tag fuhren wir weiter in Richtung Finisterra, wo es auf beiden Seiten des Kaps nicht an Wellen und einsamen Stränden mangelt.
Bei der obligatorischen Besichtung des Leuchtturms am Ende der Welt, trafen wir wieder auf sehr viele Pilger. Wer in Santiago noch nicht genug hat, geht noch 90km weiter bis zum Ende dieser Landspitze, von wo aus es wirklich nicht weiter geht. Das Kap ist hoch und rau, aber zu viele Touristen und Souvenirstände machen das Ganze ein bisschen weniger eindrucksvoll. Ein paar Tage später am „Cabo Nariga“ bei Malpica fühlen wir uns dem Ende der Welt deutlich näher.
Einsamkeit am auf dem Leuchtturm vom Cabo Nariga- Malpica Cabo FinisterraVon Finisterra aus fahren wir weiter nach Norden und kommen an die so genannte „Costa da Morte“ (die Todesküste), die sich vom Kap bis fast nach A Coruña erstreckt. Bei dem Namen ist es kein Wunder, dass man hier nicht viele Touristen findet.
Costa da Morte- die TodeskuestePassend zur Region kommt auch ein sommerlicher 3m Swell, der viel Regen und Südwind mit sich bringt. Nach einigem Suchen auf der Landkarte nach dem richtigen Spot, entscheide ich mich schliesslich für Malpica, wo es offshore ist und die Sisarga Inseln im Westen ein wenig vom Swell abblocken.
Die letzte Station unserer Reise ist A Coruña, wo es in der Bucht leider keine Wellen gibt, weswegen wir einfach die Stadt anschauen und ich mich rückwirkend mit einem neuen Neo für meine Tapferkeit auf dem Jakobsweg belohne.
Auch wenn A Coruña die bekannteste Stadt Galiciens ist, so ist Santiago de Compostela doch sehr viel hübscher. Santiagos große Altstadt, ohne Bausünden und andere Verschandelungen, ist eine Augenweide verglichen mit den hohen, schmalen Gebäuden mit Wellblechwänden, die im Rest Galiciens wirklich modern zu sein scheinen. Besonders beeindruckend ist die Kathedrale in Santiago, vielleicht liegt das aber auch daran, dass sie das Ende des Jakobswegs ist. Ansonsten habe ich nicht besonders viel für Kirchen übrig, aber nachdem ich so viele Kilometer auf sie zugelaufen bin, war es ein tolles Gefühl auf den großen Platz zu kommen und zu wissen, dass man nicht mehr weiter gehen muss.
So weit ich weiss hat Galicien in Spanien einen ähnlichen Ruf wie bei uns die Friesen oder Bayern aus Hintertupfingen. Die Region ist ländlich, arm, die Leute sprechen einen für Spanier fast unverständlichen Dialekt und es regnet die ganze Zeit.
Egal ob man dort zum Surfen hinfährt, oder irgend etwas anderes macht- ich finde Galicien ist ein spannendes Fleckchen Erde, wo man jede Menge entdecken kann.
Noch schöner ist es natürlich, wenn man diese Region quasi vor der Haustür hat.
Es war bestimmt nicht das letzte Mal, dass ich in diesem Sommer dort hingefahren bin!
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Ich muss zugeben, dass ...
Tim on Di, 07/10/2012 - 00:00ich den Jakobsweg immer lieber mit dem Auto abfahre, eben wegen der vielen Surfspots auf dem Weg.
Schönes Ding!
deegee on Mo, 07/09/2012 - 08:04