Als fleißige und pflichtbewusste Studenten, sind Jens und ich auch dieses Jahr wieder zu den ADH nach Seignosse gefahren, um unsere Uni ruhmreich zu vertreten.

Der Weg von Portugal nach Frankreich ist verglichen mit dem Weg von Hamburg aus eine regelrechte Kurzstrecke - quer durch die spanische Pampa, an den zahlreichen Fernfahrerpuffs vorbei und zack ist man im Baskenland. Bevor wir uns ins deutsche Getümmel stürzten, haben wir noch zwei Zwischenstops in Zarautz und St. Sebastián gemacht.

In Seignosse mussten erst mal  die Wellen, die Sandbänke und andere Surfer (alles potentielle Feinde, äh Gegner mein ich natürlich) ausgiebig von der Düne aus betrachtet werden.  Fazit für uns beide als Regulars: Die einzig lohnenswerte Welle ist eine Left- sprich das Potential einen guten Turn zu machen sinkt für mich ins Bodenlose-, die dafür aber wie ein Pointbreak 200m an der Sandbank entlangläuft, ohne Sections, immer gleich, nicht schlecht. Der Germanisierungsfaktor im Wasser ist schon recht hoch, die ca. 140 Open Teilnehmer, die zwischen Jens und dem Finale stehen und die 23 Mädels, die auch Studentenmeisterin werden wollen, sind sicherlich auch schon in Les Estagnots angekommen.

Den Samstag nutze ich, um mich von den Headjudges in die Geheimnisse des Bewertens von guten und schlechten Wellen einführen zu lassen. Mit diesem ungeheuren Wissen, darf ich jetzt bei deutschen Contests Pünktchen vergeben.

Contestgelände

Contestgelände

Am Sonntag beginnt der Contest, erst mal nur für die Shortboard Männer. Die Locals sind alles andere als glücklich darüber ihre feuernde Sandbank mit den Studenten zu teilen, was ich ihnen zum Teil, bei dem teilweise niedrigen Niveau im Wasser, nicht einmal verdenken kann. Den ganzen Tag lang (!!!) weht ein starker Offshore, die Linke läuft und läuft und die Männer in den Lycras wissen so eine Welle leider häufig genug nicht zu nutzen, liegen in der Inside oder gehen bereitwillig im Shorebreak over the falls. Einige Franzosen springen währenddessen die verrücktesten Airs à la „helicopter-boy“ mitten in der Contestzone. Damit will ich jetzt das Niveau der deutschen Surfer gar nicht schlecht machen, es sind dieses Jahr wieder eine Menge guter Starter dabei, aber in der Menge der Teilnehmer sind eben doch eine Menge feierwütiger Studenten dabei, die eine Woche Urlaub wollen und nicht so ehrgeizig sind (außer beim Flaschen leeren und auf der Terrasse als Trophäen aufreihen - einen besonderen Gruß an die beiden Kollegen mit der "Rosa Schatzkiste" aus der meißtens Scooter zu hören war!).

Nachdem die Spreu vom Weizen getrennt ist, beginnt auch bei den Open Women am nächsten Tag die erste Runde. Während Jens seinen ersten Heat geschenkt bekommen hat (er hat mehr als doppelt so viele Punkte wie die anderen drei Surfer im Heat - zusammen), muss ich direkt gegen Doris Then, die Gewinnerin von letztem Jahr und Buster-Teamfahrerin antreten und natürlich noch zwei weitere gute Mädels. Die Wellen sind recht nett, also macht es durchaus Spaß surfen zu gehen und ich werde Zweite, bin also eine Runde weiter. Der Tag darauf ist flat und wird allgemein genutzt, um schon mittags lallend am Pool zu liegen, oder das größte Loch Frankreichs zu buddeln (die Eisbachsurfer haben schon Einfälle…). Der Mittwoch soll eigentlich neue Wellen bringen, aber alles was ankommt ist ein Mini-Onshore-Kabbel, so dass außer den Longboard Heats bis zum Finale alles abgesagt wird. Adrian Siebert bestätigt sich auch in allerkleinstem Kabbel wieder mal als Favorit, der alle anderen mit seinen Tricks und Turns recht eintönig aussehen lässt. Der Junge braucht dringend mal erstzunehmende Konkurrenz, da sollen die zahlreichen Nordsurfer auf ihren langen Planken sich nächsten Mai mal nach Seignosse aufmachen!

Kleiner Ollie des Herren Siebert...

Kleiner Ollie des Herren Siebert...

Am Donnerstag geht der Contest dann endlich weiter, was auch Zeit wird, mehrere Tage auf den nächsten Heat zu warten, der dann immer wieder abgesagt wird, ist nämlich schon anstrengend. Die Bedingungen sind alles andere als perfekt - messy, windig und verströmt (ein Wort, um das Henrik vom Secret-Spot Surfshop letztes Jahr in Langre meinen Wortschatz erweitert hat ;)). Jens hat in der zweiten Runde mit Timo Eichner und Jan Jansen (zwei ehem. Finalisten) einen recht schweren Heat erwischt, kommt aber problemlos weiter- und: Nein, ich habe seinen Heat nicht gejudged. Über meine zweite Runde schweige ich mich lieber aus, nur so viel sei gesagt: Vor Nervosität eine Lunge voll Wasser einzuatmen und sich zu verschlucken ist nicht grad eine Heldentat. Aber so rechte Lust hatte ich eh nicht mehr auf den Contest, bei den Bedingungen würde ich sonst nicht mal die Motivation aufbringen meinen Neo umzudrehen, vielleicht bin ich einfach eher eine Freesurferin… Die Entscheidung hat Holmstrøm Ole auch schon getroffen, er wird „The Drifter“ – das richtige Board von Al Merrick hat er ja schonJ. Als Judge konnte ich fast alle Frauen Heats sehen und war doch erstaunt, dass niemandes Können so aus dem Rahmen fällt, während ich vorher immer dachte wer in ADH und deutscher Meisterschaft ein paar Runden weiterkommt, müsste ein Surfmonster aus einer ganz anderen Dimension sein. Abgesehen davon ist mir in einem Video vom Heat aufgefallen wie langsam wir alle im Vergleich zu Männern surfen, so ein Scheiß, irgendwas machen wir falsch!

Aber jetzt weiter im Text:  In der dritten Runde der Männer fällt nicht nur mir Arthur Wystrichowski , der Gewinner von vor zwei Jahren besonders positiv auf. Wegen einiger Heats in der zweiten Runde, bei denen nur zwei Starter erschienen, also jeder weiterkam, sind aber auch noch mehrere Surfer im Spiel, bei denen das Talent nicht so großzügig verteilt wurde. Jens nächster Heat findet am zweiten Podium statt, so dass ich ihn nicht sehen kann. Kurz gesagt ist an dieser Stelle des Contests auch für ihn – unverdienterweise und deutlich zu früh, wie ich finde - Finito. Aber er nimmt es natürlich mit der meditativen Gelassenheit eines buddhistischen Mönches gegen einen mittelmäßigen Eisbachsurfer, ohne eine vernünftige Welle in grausamen Bedingungen gesurft zu haben, rausgeflogen zu sein…ach ne, doch nicht… :P

Gnarly Shorebreak

Die "Arena" bei Hochwasser

Die Erde dreht sich danach dennoch unerschütterlich weiter und die vierte Runde beginnt. Mittlerweile ist das Wasser erheblich gestiegen, was zusammen mit dem zunehmenden Swell einen gnarly Shorebreak ergibt. Die Aussicht Bretter und Körperteile im Sand stecken zu sehen lockt natürlich eine große Crowd an den Strand. Der Sylter Tim Surtmann, Gerry Schlegel (der seinen persönlichen Filmer mit im Wasser hat) und einige andere lassen sich zur Freude aller Anderen dann auch ordentlich verdreschen. Weil die Bedingungen nicht ganz einfach sind und außer dem trockenbrechenden Shorebreak kaum was zu Surfen ist, werden die Finale aller Klassen und die restlichen Open Runden auf den Freitag verschoben.  Das ist auch eine überfällige Entscheidung, da die Bedingungen eher einem Lottospiel gleichen, so dass in der Open Klasse neben Jens auch weitere Titelmitfavoriten Lukas Warning, Clemens Krack und Timo Eichner (mit den Worten: „Endlich raus, keinen Bock mehr auf den Contest! Bier?!“) noch vor dem Viertelfinale ausgeschieden sind. Aber so ist das nun mal in Contests…

Timo Eichner in Traumbedingungen...

Entweder rein in den Shorebreak mit Sandbestrahlung oder raus aus dem Contest - "Commitment" heißt das beim judgen (und das gibt Punkte!)

Der Freitag beginnt mit den Viertelfinals der Open Klasse und aufgrund fehlender (ernstzunehmender) Gegner und klareren Bedingungen als gestern stehen mit den „Heatköpfen“ Adrian Siebert, Arthur Wystrichowski, Tim Surtman und Gerry Schlegel die Finalteilnehmer so gut wie fest. Da jeder seinen Heat gewinnt und die Halbfinals auch recht einseitig sind, tritt dieses dann auch so ein.

Bevor es zu dem nach der vierten Runde erwarteten Finale in der Open Klasse kommt (das so auch als ein Heat in einer der letzten Runden der DM stattfinden könnte), waren die übrigen Finals an der Reihe. Der Swell hat über Nacht nochmal zugelegt und war in den größten Sets deutlich überkopfhoch – leider nach wie vor begleitet von mäßig bis starkem Onshore. Schwierige Bedingungen, insbesondere für die Longboarder. Das erste Finale der Longboarderinnen (Doris Then, Mia Schumacher, Charlene Thoms und Carla Twelkemeier) verlief recht eindeutig zu Carla Twelkemeiers Gunsten. Da die anderen Teilnehmer eher Shortboarder sind, kamen diese schlecht mit den anspruchsvollen Bedingungen zurecht, so dass die Siegerin verdient Carla Twelkemeier heißt.

Direkt anschließend startete das Longboard Männer Finale (Philipp Kuretzky, Markus Emmerich, Veit Hüttermann, Adrian Siebert), das Adrian, wie zu erwarten, erneut klar für sich entschied. Doch auch die anderen Teilnehmer gaben alles, was zwar nicht zu einem spannenden aber doch ansehnlichen Longboardheat führte, in der einige schöne Cutbacks und klassische Longboardmanöver zu sehen waren. Das Highlight passierte am Ende des Finales, als Veit bei einer spektakulären Aktion sein Longboard in zwei 4‘6er verwandelte ;) .

Off-the-Lip Adrian

Ein fetter Off-the-Lip von Adrian

Durch das inzwischen auflaufende Wasser wurden die Wellen zusehends schneller und steiler. Das Open Frauen Finale (Stephanie Pirron, Carla Twelkemeier, Doris Then und Daniela Kramer) fand in Bedingungen statt, die ein bisschen an Agger bei 2m und einer Menge Onshore erinnerten. Dominiert wurde das Finale von Doris Then und insbesondere Daniela Kramer, die den Heat mit einigen großen und langen Linken für sich entscheiden konnte.

Openfrauengewinnerin Dani nach dem Finale (im Hintergrund beginnt das Openmännerfinale...)

Das Open Männer Finale wurde (wie von Jens vor dem Contest erwartet) überwiegend von Goofyfootern bestritten. Einzig Gerry vertrat die Regulars im Finale gegen die drei Goofys aus Kiel, Wedel/Sylt und Berlin. Schon während der vorherigen Runden wurde aber klar, dass Gerry die ADH wohl nicht zum dritten Mal gewinnen würde, da er seine Stärken in schnellen Rechten hat, in denen er seine Tricks zeigen kann. Da es aber im Finale keine rechtslaufenden Wellen gab, konnte er auf Backside durch eher unrunde Topturn-Bottomturn-Kombinationen kaum Akzente setzen. Adrian hatte hingegen Probleme mehrere wirklich gute Wellen mit Scoringpotential zu finden. Er hatte zwar ein paar gute Wellen, die er mit wirklich sehr viel Stil surfte – es fehlte allerdings die letzte Radikalität, da sein Stil doch sehr vom Longboarden inspiriert ist. Da er keinen seiner Chop-Hop-Versuche stand, reicht es für ihn nicht zum Doppelsieg. Tim Surtmann surfte während des Events durchgehend auf einem sehr hohen Niveau und fiel durch seinen ruhigen und sehr runden/schönen Stil auf. Leider bekam auch er nicht ausreichend gute Wellen, die viele Manöver erlaubten. Dafür zeigte er auf einer kleineren Welle in der Inside mit zwei aneinandergereihten Roundhouse Cutbacks die wohl schönsten Turns des gesamten Events – wie aus dem Lehrbuch! Aber zwei recht ähnliche Turns reichen nicht für eine sehr hohe Wertung. Der vierte Finalteilnehmer Arthur (und ADH Open Gewinner von 2008) machte seine Sache dagegen deutlich besser. Die Wellen kamen seinem eher auf Cutbacks ausgelegten Surfstil sehr entgegen. Er surfte während des halbstündigen Finales etwa ein Dutzend Wellen. Durch geschickte Positionierung im Lineup griff er die besten Wellen ab und zeigte auf fast jeder Welle eine Vielfalt von radikalen Manövern (Floater, Slashes, Cutbacks, Re-entrys), so dass er sich am Ende mit Abstand den Titel holen konnte. Adrian kommentierte das Openfinale mit den Worten: „Es war schön Arthur beim surfen zuzugucken!“

Cutback von Tim

Cutback von Arthur im Finale

Abschließend kann ich für mich auf jeden Fall sagen, dass es in einiger Hinsicht eine echt tolle Woche war, nette Leute kennengelernt, viel Spaß beim Judgen gehabt, aber leider wenig zum Surfen gekommen. Nachdem ich letztes Jahr direkt in der ersten Runde ausgeschieden bin, weil ich nur eine Welle hatte, dachte ich es wäre mir unheimlich wichtig in diesem Jahr wesentlich weiter zu kommen, aber nach meinem ersten Heat hab ich gemerkt, dass so ein Contest nicht der einzige Maßstab für gutes oder schlechtes Surfen ist an dem man sich messen sollte (und das sage ich jetzt nicht als verbitterte alte Frau, die es nicht schafft nen Contest zu gewinnen). Und jetzt freue ich mich schon wieder auf die leeren Lineups und auf die guten Wellen in Portugal... ;)

Bild von boerni

Hammer Bericht Sara!!!

boerni on Mo, 05/31/2010 - 22:48

Nach deinen Beschreibungen werde ich am Start sein, falls die ADH mal in den Ferien stattfinden werden...

Bild von alwaysoffshore

(ex)-studenten

alwaysoffshore on Mo, 05/31/2010 - 11:53
ach, ich glaub um Teilzunehmen, reicht es eigentlich irgendwann in den letzten 20 Jahren mal den Fuß in eine Uni gesetzt zu haben, oder mal in nem Universitätskrankenhaus behandelt worden zu sein zur Not auch :-P
Bild von coldwaves

Bei...

coldwaves on Mo, 05/31/2010 - 08:55

...solchen Bildern und dem klasse Bericht wünscht man sich doch auch Student zu sein und ne Möglichkeit soetwas zu erleben.