Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande, sagt man ja. Und so ist es wohl auch kein Wunder, daß Tom Riedel, einer der besten heimischen Surffotografen, seine ersten relevanten Veröffentlichungen in einem spanischen Surf Mag hatte. Tom ist darüber sicher nicht traurig, denn inzwischen kam eine weitere schöne Bildstrecke in einem renommierten, ebenfalls spanischen, Longboard Mag. Fährt er halt im Winter ins schöne und warme Andalusien und fotografiert dort und verkauft seine Bilder an die Spanier.
Wir im Norden haben da nicht so viel von, denn in unseren heimischen Surfmagazinen sieht man bisher nichts von ihm.
Deshalb haben wir uns entschieden, Tom ein bißchen auszuquetschen und ihm ein paar seiner Bilder für ein Fotofolio aus den Rippen zu leiern. Was der passionierte Fotograf und Longboarder so zu erzählen hat lest ihr hier:
Das Syndikat: Tom, wann und wo hast du mit dem Surfen angefangen!?
Tom Riedel: Ich glaube es ist ziemlich lange her. Mit ca. 10 Jahren verschlug es meinen Vater beruflich nach Andalusien, an die Atlantikküste. Die Nähe zum Wasser und zum Wind begeisterte mich sofort. Als an unserem Homestrand dann noch eine Surfschule aufmachte, verbrachte ich dank meinen Eltern jeden freien Urlaub auf dem Brett in Andalusien!
Leider musste ich dann mit weniger Urlaub und steigendem Schulstress und mangelnde Nähe zum Meer aufs Surfen verzichten. Die Liebe und Sehnsucht zum Meer blieb! Ich schwor mir irgendwann am Meer zu leben, am Strand zu sitzen und in der Garage ein Brett zu haben das nicht nur im Urlaub benutzt wird.
Nebenbei tauchte ich tief in die Ornithologen und Natur- und Küstenschutzszene Schleswig Holsteins ein und verbrachte jede freie Minute inklusive Zivizeit im Nationalpark Wattenmeer. Für ein Jahr zog es mich auf die Lofoten wo ich endgültig lernte, das Leben am Meer dem Leben in der Stadt vorzuziehen.
Eine Aussicht auf weitere Zukunft am Meer hielt selbst ich für ziemlich naiv. Durch Zufall ergatterte ich einen Ausbildungsplatz zum Physiotherapeuten, direkt am Meer in Damp. Der Traum vom Leben am Meer ging Gott sei dank in die Verlängerung!
Dies war 2002 am Beginn des Booms in Schleswig Holstein…..
Dort lernte ich dann meine damalige, große Liebe kennen, ihres Zeichens frisch infizierte Ostseesurferin und schwubbdiwuppp wurde ich sofort mit dem Wellenreitvirus angesteckt.
Die Liebe hielt nicht lange, doch der Virus blieb!
Da die Reisekasse chronisch unterfinanziert blieb, kam ich nur in den Damper Wintern aufs Wasser, doch ich erwischte 2 fette Wellenjahre und lernte surfen;)
Das Syndikat: Warum und wie lange fotografierst du!?
Tom Riedel: Uhh schwierige Frage……… die erste Kamera bekam ich in der ersten oder zweiten Klasse von meinen Eltern geschenkt……
Ich war von Anfang an fasziniert von der Natur und vor allem war ich stets versucht meine Erlebnisse einzufangen und mit nach Hause zu holen. Mit der Vollendung meines 16 Lebensjahres und der feindlichen Übernahme der Spiegelreflexausrüstung meines Vaters war die Fotografie aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken!
warum ich fotografiere…….??
Habe mich noch nie so nach dem Warum gefragt. Es ist mir eher ein inneres Bedürfnis, mein Lebenselixier und meine Art zu schreien also eine Art Gefühlsverarbeitung. Fotografie muss emotional sein!!!!!
Hmmm, ich denke ich bin Voyeur im positiven Sinne. Ich denke viel zu oft, viel zu bildlich, und vor allem bin ich auf der Jagd nach Bildern und Emotionen. Ich will nicht nur dokumentieren, nein ich bin auf der Jagd nach Momenten, ich will Stimmungen einfangen, die beim Betrachten der Bilder sofort wieder aufleben…. quasi eine Art emotionales Archiv…..
Das Syndikat: welches Teufelchen in Deinem Kopf ist durchsetzungsfähiger, das
Fotografen- oder das Surferteufelchen?
Tom Riedel: Gar keine Frage… das Surfteufelchen überwiegt wenn der Surf mit Freunden ansteht! Eine gemeinsame Session mit seinen besten Buddys ist unbezahlbar, selbst in Schrottwellen…… Gemeinsame Sessions- mit Good Vibes vermag einem keiner mehr zu nehmen. Bei mir brennt sich so was sofort auf immer und ewig ins Hirn….
Digitale Daten oder Bilder sind eher flüchtig und verstauben in Schubladen eine gute Session niemals…..………
Außerdem brauch ich den Surf um den Kopf frei zu bekommen, ……ich tanke good Vibes und Soul ohne das mein Fotoherz sich nicht aufladen und funktionieren würde…….
Surfen und eins sein mit der Natur ist immer eine grosse Inspiration für mich. Es klingt zwar ziemlich pathetisch aber so ist es halt ;)
Das Syndikat: Durch Deinen Wohnort in Damp (Schleswig Holstein) und Deine regelmäßigen ausgiebigen winterlichen Aufenthalte in Andalusien kennst du ja zwei doch sehr unterschiedliche Spielarten des Surfens recht gut. Auf der einen Seite kraftloser ungeordneter Windswell bei oft lausigen Temperaturen an der Ostsee und auf der anderen Seite doch recht häufig saubere, lang laufende Groundswells mit leichtem Wind oder offshore im frühlingshaften Andalusien. Was fasziniert Dich an diesen beiden so unterschiedlichen Spielarten des Surfens, was das Surfen selbst betrifft und was das Fotografieren betrifft?
Tom Riedel: Damp ist und bleibt meine Wellenreitheimat, ich surfe dort mit vielen Buddys und es repräsentiert für mich das grobe, kalte, rauhe Norden feeling! Es fasziniert mich sich nach Feierabend aufs Brett zu schwingen, sich durch Strömung und Kälte zu kämpfen und mit ein Paar Wellen belohnt zu werden
Das so etwas überhaupt in Deutschland möglich ist, ist für mich immer wieder unglaublich. Es ist nicht gerade ein Bilderbuchsurf doch wenn man es sich passend macht ist es schon ein ziemliches Highlight. Es erhält einem ver(damp)t viel Paddelkraft und Stoke für die nächsten Urlaube außerhalb der Ostsee. Und vor allem weiss man dann saubere Atlantikbedingungen erst richtig zu schätzen
Die Perfektion von richtigem Groundswell, die Wärme des Wassers und die Swellhäufigkeit größerer Ozeane sind das Nirwana des Surfens. Wenn man denn die mushy Seite des Surfens auf kleinen Teichen kennen gelernt hat, ist es das Paradies!
Die Ostsee fasziniert mich Fototechnisch aufgrund des Stokes der Surfer!
Was bewegt sie dazu sich den widrigen, kalten Umständen hinzugeben? Welche Momente lassen sie in 5 grad kaltes Wasser hüpfen, und stundelang ausharren, für einen vergleichsweise crappy surf?
Ich glaube je schlechter das Material und die Bedingungen, desto größer ist der Stoke und das Grinsen der Leute auf dem Wasser. Es geht nur um puren Spaß am Spiel mit den Elementen, nicht um Perfektion und endlose Rides. Vielen Leuten geht es Gott sei Dank noch um das Erlebnis an sich und freuen sich über jede noch so kleine Welle. Man macht sich es passend und genießt das Gefühl wenigstens ein paar Meter vor der Haustür gesurft zu sein! Und mit viel Glück hatte man Chance auf ein mini, sauberes face! Das finde ich großartig!!
An den Bedingungen größerer Meere, reizt mich vor allem die Sauberkeit, das Licht, die Perfektion. Fotografisch treibt mich die Suche nach den goldenen Momenten, die einen Surfer veranlassen den Job zu kündigen, sich von der Heimat zu trennen, aufzubrechen und sich auf die Mission der Wellensuche zu machen! Es muss einfach mehr sein als nur ein bisschen Wasser, Sonne und Beachlife…;)
Das Syndikat: Erzähl uns doch mal, wie Deine perfekte Fotosession aussehen würde. Und dann wollen wir noch wissen, wie Deine perfekte Surfsession aussehen würde.
Tom Riedel: Die Perfekte Surfsession ist auch gleichzeitig meine perfekte Fotosession;)!
Im Idealfall surfe ich eine schulterhohe, warme, klare Welle und eine handvoll Buddys sind mit dabei! Die Sonne geht langsam unter und die brechenden Wellen werden gut durchleuchtet....
Nach dem ich mich ausgesurft habe, gehe ich kurz aus dem Wasser, hole meine wasserdichte Camera und meine Buddies ziehen einen Noseride nach dem anderen durch die grün, glühenden wellen.....
Klingt doch perfekt oder?
Das Syndikat:Longboarders Nirvana……..
Was ist es, was Dich am Longboarden besonders fasziniert? Kannst Du Shortboarden auch etwas abgewinnen? Warst Du überhaupt schon mal auf Kurzware unterwegs?
Tom Riedel: Dem Shortboarden und dem Longboarden kann ich beidem etwas abgewinnen! Gute Fahrer auf kurzen und langen Brettern sind für mich immer schön anzusehen. Durch die 2 völlig unterschiedlichen Styles sind diese Surfarten trotzdem kaum vergleichbar, wie ich finde!
Doch ich liebe Longboards…….
Natürlich habe ich auch schon Bretter unterhalb der 9 Fuß besessen und gefahren. Auf Wellen unterhalb der 2 Meter Marke habe ich mit dem Longboard aber deutlich mehr Wellenausbeute und vor allem Fahrvergnügen als mit einem Shortboard! Zusätzlich macht mich das Gefühl des Gleitens und Cruisens süchtig! Ich liebe die sanften Turns, den Speed auf der Nose und die Möglichkeit sich frei auf dem Brett zu bewegen. Wenn es denn aus Platz und Reisetechnischen Gründen nicht anders geht, nehme ich immer gern mein 6,6 Minilongboard mit ins Wasser. Früher war noch die Wellengrösse, für mich ein Grund kleinere Bretter mit ins Lineup zu nehmen. Jetzt habe ich endlich Bretter, die ein breiteres Spektrum an Wellenformen abdecken und auch noch ein Paar steilere Sections mitmachen können ;) Jetzt muss ich nur noch an meinen Skills feilen und vor allem meine Ängste vor den Wellen jenseits der Überkopfhöhe abbauen(lach)……….
Das Syndikat: Hast Du Vorbilder, an denen Du Dich mit Deinem Surfen orientierst oder deren Style oder Lebensweise Dich inspiriert?
Gleiche Frage natürlich zu Fotografie: gibt es Fotografen, die Deinen Style beeinflußt haben oder die dich besonders inspirieren?
Tom Riedel: Vorbilder im wortwörtlichen Sinn habe ich kaum! Ich denke aber dass ich von einer Menge Leute zum teil bewusst oder unterbewusst inspiriert werde, sobald mir etwas gefällt! Sei es ein Foto oder ein guter Surfer! Geprägt und inspiriert haben mich wohl von der Surfseite her Zwanni, Honk, und Oliver Fetting als lokale, surfende Augenweiden. Ihre guten Vibes, und ihre Art wenig zu schreien und zu meckern sondern sich durch knallhartes Paddeln und schönem Style zu definieren und zu behaupten haben mich schon sehr geprägt!
Fototechnisch war es wohl am meisten mein Vater, mit seinen genialen Bildern von unserer Familie. Surffototechnisch ist Bevis Nickel wohl einer der inspirierendsten Leute in meinem Leben. Seine Bilder und das Surfers Magazin retteten mich und wohl auch eine ganze Generation durch die Pubertät, Krisen und Fernweh Zeiten! Vor allem fühlte ich bei seinen Bildern das erste mal so etwas wie Soul! Das prägt;) Frans Lanting, Heinz Teufel, Joe Curren, Helmut Newton, Ragnar Axelsson sind Fotomeister. Sie sind fester Bestandteil meiner Lieblingsfotografenliste
Vor allem Helmut Newton bewundere ich für sein Leben und den ironischen Umgang mit sich selbst und seiner Umwelt! Vom Flüchtling zum Superstar, hat er versucht immer gute Bilder zu machen! Vor allem mit einer Nonprofi Ausrüstung, die an jeder Strasse zu kaufen war. In einem Video tippte er sich auf die Stirn als ein Reporter ihn fragte wie und womit er fotografierte. Dann sagt er ” ohh man !!! the camera is a cheap and Automatic the Picture is Inside me!” So wahr wie ich finde!!!!!!! lach!!!!!
Das Syndikat: Du hast ja jetzt ein paar Veröffentlichungen in renommierten spanischen Surfmags gehabt.
Wenn sich die Chance ergeben würde, regelmäßiger Bilder zu verkaufen, würdest Du dann den Schritt in die professionelle Fotografie wagen und dafür deine Anstellung als Physiotherapeut aufgeben?
Tom Riedel: Wenn sich die Chance ergeben würde……..es wär ein Traum!;)
Aber da die Chancen ja ziemlich gering sind mit reiner Surffotografie Geld zu verdienen geschweige denn die notwendige Ausrüstung zu finanzieren, mache ich mir lieber mein aktuelles Leben etwas passender. Ich versuche für weniger Geld zu arbeiten und als Ausgleich mehr Urlaub zu bekommen, um den kräftigen Winterswells zu folgen!
Das klappt und mittlerweile ganz gut. Ich hab ein Longboardlabel namens cecesurf.com gefunden für das ich als Fotog arbeite. Sie unterstützen mich bedingungslos und wir haben eine Menge Spaß! Für mich ist das eher eine Perspektive als ganz von der Photographie zu leben! Vielleicht lässt sich das ganze noch ein wenig ausbauen, so dass mich Aufträge noch länger über den Winter retten und ich meinem Chef um noch mehr Stundenreduzierung anbetteln kann;) Mal schauen was noch kommt…….
Das Syndikat: Schon lustig, daß es Dich als Nordlicht erst nach Andalusien verschlagen muß, damit Du Bilder veröffentlicht kriegst……
Wieviel Potential siehst Du – fototechnisch – im Norden Europas? Einige internationale Magazine bringen ja jetzt vermehrt Stories aus dem Norden - Island und Norwegen sind gerade en vogue – gespickt mit unglaublichen Bildern. Ist das eine Mode Erscheinung, die schnell wieder vergeht oder hat der Norden das Potential – gerade auch mit dem steigenden Surfniveau der locals – dauerhaft in den Surfmags mit spektakulären Bildern präsent zu sein?
Tom Riedel: Ja wirklich komisch!! Der viele Support aus Spanien hat mich auch wirklich stark überrascht! Die dortige Surfszene ist natürlich größer und die Magazine sind vielfältiger! So gibt es genug Platz und Annerkennung für Rookies!
Die Spanier können es aber so ganz auch nicht verstehen und haben mir genau diese frage auch gestellt! Ich glaube in den letzten Jahren haben einige Magazine ein wenig ihre Wurzeln und ihre Bodenhaftung zur Szene vernachlässigt. Doch so langsam ist auch wieder eine Rückbesinnung erkennbar. Ich selbst freue mich immer über Heimatstories sowie über schöne Reiseberichte aus den fernen, neuen Ecken der Welt!
Was ich nicht mehr sehen kann sind diese ewig gleichen Megabarrelbilder aus Fijii und Hawaii! Es sieht alles sehr gleich und lieblos aus und das Spektakuläre verliert wirklich mit der Häufigkeit seinen Reiz!
Das Internet ist daher das grosse Medium für Storys, die man sucht und in Magazinen nicht findet! Es wimmelt nur so von guten Lokalphotogs und Localsufern. Ich würde sie auch gern mehr auf Papier sehen, zum immer wieder ansehen und nicht nur auf einem Flimmerscreen!
Der norden hat definitiv Potential. Wo ein Meer ist auch eine Welle! Mann braucht sich nur die Wetterkarten anschauen und man weis wie die See im Nordatlantik kochen kann. Wenn der Wind mitspielt und das Timing sitzt kann sich der Nordatlantik mit jedem Meer der Welt messen! Gerade der Nordatlantik und seine zerklüfteten Küsten geben in den nächsten Jahren bestimmt viele Spots ab. Nur ist der kalte und rauhe Part nicht so leicht zu entdecken wie ein Malediven per Boot!;)
Vor allem steckt das surf Virus immer mehr Leute an.
Der Hunger und der Ehrgeiz werden größer und Locals werden animiert auch mal vor der Haustür zu surfen anstatt auf den Baliurlaub zu warten. Wenn man sich die Rocker des heutigen Jahres mal so anschaut scheint ein rauher Shorebreak, gepaart mit ein paar Warmwasserurlauben, ein optimaler Trainingsort zu sein! Vielleicht sehen wir in Zukunft, mit steigendem Level im Wasser auch endlich mehr Locals und Nordatlantikshots in den Magazinen…
Das Syndikat: Das würde uns sehr freuen. Und wir bauen da drauf, daß Du Deinen Teil mit beiträgst und den Norden weiter mit schönen home shots versorgst!
Tom, vielen Dank für dieses Interview. Das hat Spaß gemacht!
See ya soon.
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