2005, was waren wir jung damals.....
Irgendwann im Winter 2020 / 2021 sickerten die Pläne für den Bau einer neuen Seebrücke in Timmendorf durch das Netz und wurden von der norddeutschen Surf Community eher beiläufig und unaufgeregt wahrgenommen. Ich selbst gehörte auch zu den maximal halbwegs interessierten, da ich die Brücke wegen der chronischen Überfüllung der – ahem – Lineups hier schon seit langem nur noch aus Sensationslust angesichts des maximal chaotischen Geschehens im Wasser anlaufe. Außerdem baute ich darauf, dass das Projekt das Schicksal vieler anderer überambitionierter Tourismusprojekte in der Gegend nehmen würde und mangels Finanzierbarkeit und Rentabilität nie verwirklicht werden würde.
April 2005, schon damals wurde hier auf Kurzware geshredded
Der im Netz kursierende Planungsentwurf bedeutet nach meiner Einschätzung nichts Gutes für die vielen Surf Junkies aus Hamburg, Lübeck, Kiel und die Timmendorfer Locals, die sich hier so gerne bei Ostwind zu Massenveranstaltungen treffen. Da Ostwind aber sowieso offensichtlich abgeschafft ist, verlor ich das Thema über den Spätwinter und das Frühjahr etwas aus den Augen.
6. Mai 2010, ein erster Abbruchversuch durch die Ostsee selbst war nur fast erfolgteich. Jonas Bronnert Bomb Drop nach dem BFG
Erst im Zuge meiner Schreiberling Arbeit für den Nordreport der neuen Blue erinnerte ich mich wieder an das Thema und wollte mich über den Stand der Dinge informieren, indem ich die lokale Webcam aufrief. Die schwenkt ha immer im Uhrzeigersinn über den Teich und blendete natürlich genau dann, wenn die Brücke ins Bild kommen sollte, ein Werbefilmchen ein.
14. July 2011, die Reste des einzigen glassy Swells in 20 Jahren
Beim zweiten Anlauf konnte ich dann den vollen Kameraschwenk beobachten und dachte dann erst einmal, dass ich die falsche Webcam erwischt hatte. Denn da, wo die Brücke hätte sein sollen, war rein gar nicht. Nicht der geringste Rest der Brücke, kein Pfeiler, kein Abbruchmaterial, absolut gar nichts mehr war zu sehen. Die Brücke war spurlos verschwunden und die Abbrucharbeiten waren offensichtlich schnell und gründlich erfolgt. Angesichts dieser Tatsachen war ich dann nun doch etwas schockiert.
Nochmal der glasige Tag, besser gesagt die glasigen 2 Stunden. Aber definitiv rippable!
Ich war dieser Brücke ja immer mit einer Hassliebe verbunden, den wenigen guten Sessions vor allem in der Frühzeit des Ostsee Surfens standen viel zu viele Tage von Massenhappenings in seekrank machendem Schwabbel gegenüber, vor allem in den letzten Jahren. Trotzdem war der Steg längst integraler Bestandteil des heimischen Surfens geworden, war er doch – neben dem weißen Haus – eine Keimzelle nicht nur des lokalen, sondern des ganzen heimischen Ostsee Surfens. Man könnte ihn durchaus als wichtigen Teil des norddeutschen Surf Kulturerbes bezeichnen.
23. Mai 2021, das neue Normal. Aber hey, früher gab´s im Mai regelmäßig Ostwind!
Ich weiß noch wie wir am Anfang dieses Jahrtausends gerade erst zu verstehen begannen, wie gut man an der Nordsee surfen kann – und es in der damals noch über Surf Webseiten sich austauschenden deutschen Surfer Gemeinde hitzigste Diskussionen darüber gab, ob man Surfen an der Nordsee (!) überhaupt als surfen bezeichnen kann – und nicht nur ich zutiefst davon überzeugt waren, dass die Nordsee nun das kleinste und abgelegenste surfbare Gewässer war und an der Ostsee garantiert keine surfbare Welle laufen könnte. Entsprechend hielt ich die langsam durchsickernden Berichte über eine gewisse Seebrücke in der Lübecker Bucht für abstruse Gerüchte.
Am 25. April 2005 aber überzeugte mich mein Buddy Timo an einem Nachmittag unter der Woche mitzukommen nach Timmendorf und Brett und Neo einzupacken. Wir parkten dann vor der Eissporthallte, hüllten uns in die Gummies und liefen mit den Brettern unterm Arm durch den Park und die Treppe hinauf zur Brücke. Ich fand das eher skurril und etwas exotisch zumindest so lange bis wir auf der Brücke waren. Drei oder vier andere Surfer waren bereits im Wasser, einer davon mit einem winzigen Thruster, und die SURFTEN tatsächlich die Windwellen an der Brücke. Der superbequeme Einstieg über die Brücke war dazu der Sahneklecks auf der Kirschtorte einer sehr netten Abendsession auf dem Ostsee. Ich hatte verstanden.
Eine Zeitlang hatten wir nun die Möglichkeit sehr entspannt auch mal nach etwas vorgezogenem Feierabend quasi zuhause surfen zu gehen. Dummerweise konnten wir über unsere spaßigen Ausflüge nicht ausreichend schweigen, aber die Allermeisten Surfer in der Gegend hielten unsere Erzählungen für wirres Geschwafel ausgelöst durch Halluzinationen oder übersteigertes Geltungsbedürfnis oder beides zusammen.
Sommer Surf, August 2013
Ende 2009 wollten wir es dann der Welt mal beweisen fassten bei einem Syndikatsausflug nach Dänemark spätabends und nur sehr leicht alkoholisiert den Beschluss, an der Brücke den ersten deutschen Ostsee Surf Contest auszurichten. „Battle For Glory“ nannten wir den Event, dachten uns ein Einladungsformat und ein Judging basierend auf Video Clips der Heats aus, beides unter maßgeblicher Beteiligung der noch nicht auf Social Media verlorenen Surf Community aus. Wir fanden dafür sogar einen Sponsor aus der Brausebranche. Es folgte eine spannende Waiting Period, ein wegen Schneesturm abgebrochener Versuch und im Mai 2010 dann der Contest, den der inzwischen in besseren Surfgegenden dieser Welt verschollene Local Hero Adrian Siebert gewann.
Schwabbel Deluxe, August 2013
Nicht nur aber möglicherweise auch wegen dieses Events waren bereits in den Zehnerjahren Sessions and der Brücke mit lediglich ein paar Freunden längst Geschichte. Surfen an der Brücke wurde zum Massensport, der dazu weitestgehend frei von jeglichen sonst in der Surferwelt geltenden Regeln ausgeübt wurde. Sicherlich spielte hier mit rein, dass die Sandbänke zumindest gefühlt schlechter geworden waren und in Verbindung mit der hier notorisch schwabbeligen Ostsee kaum klar definierte Peaks ausmachbar waren und die Beurteilung wer jetzt gerade Vorfahrt hat nicht immer klar erkennbar ist.
Nicole, Queen Of The Bridge
Apropos Schwabbel: Im Juli 2011 geschah ein Wunder und das erste und seitdem letzte Mal liefen dank einer verrückten Wetterkonstellation für zwei Stunden glasige Welle an der Brücke, denn es hatte Restswell und Windstille. Eine Handvoll Spezialisten hatte das auf dem Schirm und war rechtzeitig am Strand und wurde mit bis zu brusthohen, cleanen Wellchen belohnt.
Mai (schon wieder!) 2014, einer der besseren Tage
Eine Zeitlang konnte man noch mit kräftiger Kälteresistenz und entsprechender Neoprengarderobe halbwegs Crowd-freie Sessions in eisigen Winterwellen abstauben, aber in den letzten Jahren wurde auch das zu einem Happening einer großen Gemeinde von Eisbadern. Trotz der zuletzt zunehmend chaotischen, manchmal gefährlichen, immer aber überfüllten Zustände in den Wogen links und rechts der Brücke sobald auch nur ein Hauch von Ostwind fächelte, bereitete die Brücke aber weiterhin sehr vielen norddeutschen Surfern ausreichend Freude um für grinsende Gesichter und danach auf Social Media hymnischen Berichten zu sorgen.
Hate it? Love it!
Die Brücke wird also vielen hier fehlen, auch wenn manche den Verlust erst dann realisieren werden, wenn tatsächlich mal wieder Ostwind weht. Spannend wird sein, ob annähernd brauchbare Alternativen zu finden sind und natürlich was die neue Brücke bietet, falls sie denn tatsächlich gebaut wird. Bis dahin können wir nur trauern und im Stillen das sogenannte Land der Horizonte bzw. deren Regierung beschimpfen, die sich zwar als Wassersport Land vermarktet, aber zielsicher den Zugang zu den wichtigsten Surf – und auch Windsurf -Spots beschränkt oder verhindert oder die Spots gleich ganz vernichtet.
Hier findet ihr noch ein paar Best Off Bilder aus Toms Archiv.
Und hier noch ein Point of View von Christophs Fotos, Klassiker und unveröffentlichtes Bildmaterial aus 12 Jahren Surf Fotografie an der Seebrücke.
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Klasse Bericht...
coldwaves on Mi, 06/30/2021 - 19:14...am Schluß auch noch ein paar Fotos von mir aus den letzten Jahren "Catwalk"
sehr feine Auswahl!
tripmaster on Mi, 07/21/2021 - 13:02wünschte nur unser Foto-Srver wäre nicht ganz so langsam.....
die Beste Welle der Welt
thilo on Fr, 06/25/2021 - 14:26Wow, das mit den
manu77 on Fr, 06/25/2021 - 10:52Toller Bericht!
amoc on Fr, 06/25/2021 - 07:49Genau das fehlte noch
tripmaster on Fr, 06/25/2021 - 08:48ein paar Betonpfeiler und Metallteile, damit das Surfen da noch spannender wird. Aber groß mit den surfern Touristenimage machen.....
Danke für die Info!
wenn ich das nächste mal
amoc on Fr, 06/25/2021 - 09:04das wär klasse!
tripmaster on Fr, 06/25/2021 - 11:38das wär klasse