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Das Wintersurf Spezial

 

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Es ist jedes Jahr das Gleiche. Die letzte Session in den heimischen Gewässern ist schon eine Zeitlang her und für einen Wintertrip in´s Warme hat´s nicht gelangt. Langsam werden die Entzugserscheinungen unerträglich.

Und wie üblich ist man ins neue Jahr mit Übergewicht gekommen, gemästet vom Weihnachtsgans und Kekse essen und an sportlicher Betätigung hat man außer Fingertraining beim Bedienen der Fernbedienung nicht viel gemacht.

Irgendwas muss also passieren.

Die Vorhersagen für die Nordsee versprechen um diese Jahreszeit ja regelmäßig knackigen Swell, der häufig sogar auf Windstille oder sogar offshore Wind trifft. Und wenn man sich die Nordsurfseiten so ansieht, gibt´s ja immer ein paar, die auch mitten im Winter an den heimischen Gewässern im Wasser sind. Also warum nicht auch ein bisschen Wintersurfen?

Flink sich gleich im neuen Jahr verschuldet, bei Roland im shop einen 6-5er Neo und passende booties, Handschuhe und Haube geleistet und dann regelmäßig die Vorhersageseiten gecheckt. Für das Geld hätte man zwar auch einen netten Kurztrip in den Süden machen können, aber das Zeug hält bestimmt 2 Saisons.

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Irgendwann gegen Ende Januar kommt dann die passende Vorhersage. Nordwestswell mit 8 Fuß und 10 Sekunden Periode soll in Dänemark auf leichten offshore Wind treffen. Das Wasser hat angeblich noch 5 Grad und die Luft knapp über Null. Egal, der Bulli wird beladen und Freitag abend geht´s los.

Die Nacht, obwohl kurz, war verdammt frisch. So ´ne Standheizung wär´ doch nicht so schlecht. Als irgendwann die Blase nicht mehr kann, geht´s dann doch raus aus dem halbwegs kuscheligen Schlafsack. Über Nacht ist ein bisschen Schnee gefallen, es ist noch dunkel und ein beißender Ostwind verwandelt die Tropfen in Einswürfel noch bevor sie den Schnee gelb markieren können. Kurz nach neun wird´s dann etwas heller und ein erster spot check ist angesagt.

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Durch knirschenden Schnee stapfst Du Richtung Strand. Der Wind hat etwas nachgelassen und die Sonne kämpft sich gerade am östlichen Horizont nach oben. Die kalte klare Luft und das rötliche Licht der tief stehenden Sonne lassen die Winterlandschaft unwirklich schön erscheinen. Und der Blick über die Dünen bringt Deinen Kreislauf in Schwung. Der nächtliche Ostwind hat den immer noch soliden Nordwestswell ordentlich sortiert und sauber Sets laufen an den Strand. Überall brechen saubere, teils über Kopf hohe peaks und die Lippen werfen sich in einem perfekten Bogen. Alle Kälte ist vergessen und der Sprint zurück zum Bulli ist Rekord verdächtig. Schnell raus aus den Klamotten und rein in den Neo. Der Gummi ist noch trocken und beim Marsch in voller Neomontur an den Strand wird Dir sogar richtig warm. Als erfahrener Surfer wartest Du eine Setpause ab und stürzt Dich dann in die Fluten um im Sprint in den lineup zu paddeln. Doch was ist das? Bereits nach der Hälfte der Strecke beginnen die Arme dick zu werden und Dein Puls geht nach oben. Der dicke Neo und die im Lotterleben verbrachten Weihnachtstage fordern mehr Tribut als Du erwartet hättest. Ein Set rollt auf dich zu, aber Du schaffst es mit einem halbwegs sauberen Duckdive durch die erste Welle durch und dann weit genug raus, um über die restlichen Wellen drüberpaddeln zu können. Im lineup ist dann erst mal Verschnaufen angesagt.

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Der Ausblick ist gewaltig. An den peaks seitlich von Dir schaust Du in perfekte Röhren und der Blick Richtung Strand beschert Dir eine fantastisch beleuchtete Winterlandschaft. Allerdings wird es nun etwas kalt und es ist Zeit sich etwas zu bewegen und eine Welle abzugreifen.

Die kommt auch gleich angerollt. Position passt, paddeln, shit die saugt ja ganz schön, härter paddeln, ja, jetzt nimmt sie dich mit, und jetzt hoch, verdammt, warum geht das so langsam, shit zu spät, over the falls, schöne Arschbombe und dann Waschmaschine.

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Es hat Dir schön Wasser in die Haube und den Kragen des Wetsuits gedrückt und prustend vor Kälteschock kommst Du wieder hoch. Da kommt schon die nächste Welle (wie kann man auch so dämlich sein, die erste Welle eines Sets zu nehmen), Du versuchst einen duckdive, das duck kommt eher von „lahme Ente“, versaust ihn und der Schleudergang geht von vorne los. Bei der nächsten Welle probierst Du erst gar nicht mehr, Dein Brett richtig zu tauchen und versuchst so unten durch zu kommen, nur um in einem Schaumbad von Weiswasser wieder aufzutauchen. Inzwischen ziemlich benommen lässt Du Dich von der letzten setwelle willenlos durchmangeln und in Richtung Strand spülen. Endlich wieder festen Boden unter den Füßen lässt Du Dich in den Sand fallen, das Herz pumpt immer noch wie verrückt, jemand sticht Dir mit tausend Nadeln in den Kopf und Deine Augen haben Schwierigkeiten beim Fokussieren.
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Oha, das ist ein anderer Schnack als im Sommer am Atlantik. Die Kälte saugt die Energie aus dem Körper und der dicke Neo macht Dich unbeweglich und raubt Kraft beim Paddeln. Selbst die zwar soliden aber nicht überwältigend großen Wellen der Nordsee bringen Dich bei diesen Temperaturen an die Grenze.

Nach 10 Minuten bist Du soweit, wieder aufzustehen. Auf wackligen Füßen gehst Du zurück zum Bulli und kämpfst ein paar Minuten, bis Du es endlich schaffst mit beiden Händen das Türschloss aufzuschließen. Erst mal raus aus dem Neo. Dabei brichst Du Dir fast die Finger ab und kippst beim Runterziehen der Fußabschlüsse ein paar Mal um.

Nach einer halben Ewigkeit ist der malträtierte Körper endlich wieder in trockene Klamotten eingepackt. Ein heißer Kaffee und ein paar Nutellabrötchen bringen wieder etwas Energie. Nur die Füße wollen trotz dicker Socken und Winterboots weiter einen auf Klumpfuß machen.

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Inzwischen sind ein paar Dänen aufgetaucht und ziehen in den immer noch perfekten Wellen eine feiste Show ab. Davon motiviert quälst Du Dich in den nasskalten Anzug und wagst Dich wieder raus. Diesmal klappt´s besser und es gelingt Dir wenigstens auf ein paar Wellen geradeaus das Face entlang zu rutschen. Wieder ist die Kraft schnell weg, aber diesmal kommst Du mit einem dicken Grinsen zurück an den Strand.

Eine weitere viel zu lange Nacht im kalten Bulli und den morgendlichen Einstieg in einen halb gefrorenen Neo willst Du Dir nicht mehr antun, also geht´s am späten Nachmittag in der Dämmerung zurück gen Süden. Die voll aufgedrehte Heizung schafft es nun sogar, Deinen Füßen wieder Gefühl einzuhauchen, aber sie macht Dich gleichzeitig auch schön schläfrig. Mit viel Coffein und den Gedanken an die wunderschönen Winterwellen im Kopf schaffst Du es nach Hause. Und endlich schläfst Du mal wieder mit dem positiven Erschöpfungsgefühl ein, das einem nur eine Surfsession geben kann.

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So oder so ähnlich könnte das also aussehen mit dem Wintersurfen. Und da die Magie des Wintersurfens nicht ganz so einfach zu erleben ist, werden wir Euch die nächste Zeit in unserem Wintersurf Spezial noch mit ein paar Tips unserer Chefeisbären versorgen.

Stay tuned!

P.S.: icecream headache ist das, was man kriegt, wenn man den Kopf in eiskaltes Wasser taucht.

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