Nordnordwest Filmfestival – Interview Jens Steffenhagen
Noch etwas über 2 Wochen, dann geht das Nordnordwest Filmfestival los. Zeit, um mal beim Mastermind des Event nachzufragen, was uns da so erwarten wird.
Das Syndikat:Jens, erzähl doch ein bisschen was, wie du auf die Idee gekommen bist, ein Filmfestival in der Größenordnung auf die Beine zu stellen und was Deine Auswahlkriterien bezüglich der gezeigten Filme sind.
Jens:Durch die Surf Film Nächte, die wir regelmäßig mit der BLUE veranstalten, habe ich in den letzten Jahren viele Regisseure aus dem Genre kennengelernt. Da die Zusammenarbeit mit denen meist sehr lustig war und ich Film für das spannendste Medium in der Surfkultur halte, begann ich im Sommer 2011 über ein kleines Festival bei uns im Norden nachzudenken.
Den letzten Push gab mir schließlich Tyler Breuer vom Surffilmfestival New York in einer sauf-seeligen Nacht in Brooklyn: "Bro, I will totally help you organise it for sure!" Blieb leider bei dem Versprechen - aber wir haben es ja auch so hinbekommen. Thanks anyways, Tyler!
Die Filmauswahl haben wir nach drei Kriterien gestaltet: Zum einen soll das NORD NORDWEST FESTIVAL ein Forum für Freie Filmemacher sein - also Filme featuren, die nicht von einer großen Firma als Marketing-Vehikel finanziert werden. Dadurch erhoffen wir uns, die existierende Surfkultur in allen ihren Facetten abzubilden - fernab von Contest-Surfen und Star-Hype. Stattdessen wollen wir Filme zeigen, die auf künstlerische Weise darstellen, was Surfen ist und warum es die Menschen so fasziniert!
EL MAR MI ALMA, RIO BREAKS, MAYUMBA, THREE FOOT CHARLIE, ASPHALTSURFER, HERE AND NOW, HIGHWATER, SIGHT SOUND - das sind alles Filme, die von unabhängigen Regisseuren mit großem Idealismus gedreht wurden (Für die Trailer zu den Filmen klick auf die Textlinks).
Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf Filmen, die zeigen, was hier bei uns passiert. Filme, mit denen sich Surfer in unseren Breitengraden identifizieren können. Daher haben wir den Homegrown Shorties Contest ins Leben gerufen, bei dem nur Nord- und Ostsee Clips teilnehmen, die beim N NW ihre Premiere feiern, also noch nie online zu sehen waren. Die Zuschauer werden sich wundern, wie hoch das Action-Level auch in diesen Filmen ist - wir haben Einsendungen aus Großbritannien, Holland, Dänemark, Schweden und natürlich Deutschland. Auch FINNSURF und SURFING THE WILD EAST beschäftigen sich mit dem Wellenreiten in unperfekten Bedingungen.
Aktualität ist ein dritter wichtiger Punkt. Wir freuen uns, dass wir trotz der Schwemme an Surffilmfestivals vier Europa-Premieren, unter anderem von Dana Brown und Taylor Steele, vier Deutschland-Premieren und mit den Homegrown Shorties und internationalen Kurzfilmen mehr als zehn Weltpremieren präsentieren dürfen! Dieses Kriterium gehört unserer Meinung nach zu einem Filmfestival dazu, war aber auch verantwortlich für die größten Kosten und den größten Zeitaufwand bei der Programmgestaltung.
Das Syndikat: O.k., das klingt so, als dürfte ich nicht auf den von mir sonst so konsumierten Surf Porn hoffen. Meinst Du, dass unsere Surfkultur bereits so weit entwickelt ist, dass sich mehr als ein paar grummelige ältere Herren dafür interessieren? Ist die Zeit tatsächlich auch bei uns schon reif für die manchmal dunklen und abwegigen Blicke der Undergrounders auf den Sonne-Sommer-Bikini-Sport Surfen?
Jens: Oh, da hast du mich missverstanden. Alle Filme, die wir zeigen, sind 100% Surf Porn. Allerdings kein Studio-Porn mit schlechten Schauspielern und eindimensionaler Action, sondern Filme, die qualitativ besser sind - die wirklich heiße Ware! Es macht einfach einen Unterschied, ob man Locations zum hundertsten Mal sieht, etwa die Mentawaiis, und dazu immer der gleiche Surfvideo-Hip Hop/ Electro läuft - oder ob, wie in EL MAR MI ALMA, Parko und Rasta die Points in Chile zu einem extra komponierten Soundtrack carven, Steve Jones das Ganze in 16 Millimeter filmt und das Gefühl, das sie dabei erleben, hautnah rüberkommt.
Ungewöhnliche Winkel, Schnitte, Spots, Soundtracks und natürlich die Qualität der Action - das entscheidet doch darüber, ob man nach dem Film wirklich pumped ist. Und mit Beiträgen aus Brasilien, Hawaii oder Gabun kannst Du sicher sein, dass Du Deine Dosis Sommer, Sonne und Bikinis bekommst! Jeder surft am liebsten in Boardshorts und die Freude daran hat in unserem Programm genauso seinen Platz, wie eine Session mit Freunden in der winterlichen Nordsee. Was die dunklen Seiten der Surfkultur betrifft: Ich fände es falsch, nach möglichst abgründigen Themen zu suchen. Uns geht es eher um die Realität. Die sieht natürlich in Rio de Janeiro anders aus, als hier. Aber RIO BREAKS zum Beispiel dokumentiert die Story zweier Ghetto-Teenager, die sich zwischen Gang-Leben und Surf-Karriere entscheiden müssen, so real, dass man glaubt, live dabei zu sein. So erlebt man, dass auch in der harten Welt der Favelas genau so viel Platz für Glück wie für Tragik ist. Und nach dem Film hat man eine ziemlich konkrete Vorstellung vom Leben der Rio-Locals, obwohl man noch nie da war. Das ist fantastisch und das kann nur das Medium Film! Um so eine Kinosession toll zu finden, braucht man ganz und gar kein grummeliger alter Herr zu sein, sondern muss einfach nur Interesse an der Welt haben.
Das Syndikat: Gut, dann lass ich meine Hornbrille zuhause und bring doch die Cleanex Packung mit. Muss aber trotzdem noch mal auf dem Kultur-Thema rum reiten: Das Festival ist ja vom Umfang und den Inhalten her ein Novum in Deutschland. Siehst Du eine Chance, das dauerhaft zu etablieren und vielleicht einmal auf das Niveau von, sagen wir mal dem Festibal in San Sebastian zu bringen?
Jens: Das Festibal in San Sebastian gibt es ja seit zehn Jahren und es ist mit Abstand das bedeutendste Surffilmfest der Welt. Da werden wir nicht hinkommen, die finanziellen Möglichkeiten sind in Deutschland ganz andere. Sancho, der das Surfilmfestibal organisiert, lädt jedes Jahr alle Regisseure ein, die mit Filmen vertreten sind! Das ist super, aber unbezahlbar. Wir haben mit REEF einen Partner, der es uns ermöglicht, die ganzen Premieren überhaupt zu finanzieren, denn die Konkurrenz durch andere europäische Festivals ist groß. Und Norden Surfboards, Electra Bikes, XS, Oxbow, X-Treme Video, Maximum Surfcamp, Oh Dawn, Cleptomanicx und Billabong haben uns ebenfalls geholfen und geben Free Stuff, den wir über Verlosungen an die Besucher und als Awards an die Filmemacher weiterreichen! Der Sieger des Homegrown Shorties Contests erhält zum Beispiel einen fetten Electra Beachcruiser.
Das Festibal ist dennoch eine Inspiration, denn die Filmauswahl geht nach sehr ähnlichen Kriterien vor, wie wir sie haben. Nur dass die Filmemacher in San Seb Schlange stehen und wir um jeden kämpfen mussten.
Aber Sancho hat mir Anfang des Jahres Mut gemacht: "Man, take it to your advantage that you are in Germany and create an unique event! Everybody does Surffilmfestivals nowadays - you gotta make something special!" Das hat mir zu denken gegeben und ließ mich vom eigentlichen Plan, das Festival in einem Kino auszurichten, wieder abrücken. Denn was ist special in Deutschland? Doch vor allem das Großstadt-Leben und das Angebot an urbanerKultur. Also habe ich mit der HAMBURGER BOTSCHAFT eine Location gebucht, in der mehr möglich ist als nur die Screenings, denn ein Kino ist nicht sehr kommunikativ.
In der BOTSCHAFT können wir jetzt vorab Ausstellungen von norddeutschen Künstlern aus der Skate und Surfszene zeigen und nach den Filmen DJs auflegen lassen, damit man bei einem Drink mit den anderen Leuten quatschen kann und so langsam vom Surfgroove in den Party-Modus kommt. Das Festival findet ja schließlich in der Schanze statt und es ist Sommer, also werden die Nächte lang.
NORD \ NORDWEST dauerhaft als jährliches Happening zu organisieren, wäre toll, muss aber nicht sein. Erst mal sehen, ob jemand Bock auf den Event hat.
Das Syndikat: Und damit hast Du ja bereits ein hervorragendes Schlusswort gesetzt. Ich will auch nicht länger sabbeln, sondern mich überraschen lassen. Hoffen wir mal, dass Huey zum Festival auch lieber Filme guckt und nicht einen Swell schickt, der die Leute in Entscheidungsnot bringt bezüglich selber machen oder zuschauen.
Letzte Frage: was sind deine persönlichen Favoriten aus dem Filmprogramm?
Jens:EL MAR MI ALMA, der das Festival in Anwesenheit des Regisseurs am Donnerstag eröffnet, wegen des Gefühls, das nach dem Film übrig bleibt. ASPHALTSURFER, weil die Geschichte des Deutschen Skateboardens auch meine Geschichte ist, THREE FOOT CHARLIE von Marten Persiel, der im Internationalen Kurzfilm Wettbewerb am Freitag läuft, wegen der deutschen Ironie und HERE AND NOW von Taylor Steele, weil ich mir von dem Konzept, 25 Surf-Celebrities ihre Erlebnisse am 2.5.2012 selbst filmen zu lassen, ein großartiges Porträt der globalen Surfwelt verspreche. Gesehen habe ich den Film noch nicht, denn Taylor sitzt gerade noch im Schneiderraum und wird das Werk per Kurier hoffentlich pünktlich zur Europa-Premiere am 7.7. zu uns nach Hamburg schicken.
Das Syndikat: Jens, danke für diese Einsichten. Wir freuen uns auf das Festival!
Aktuelle Infos zum Festival gibt es hier.
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Und wir freuen uns auf euren
jenss on Do, 06/21/2012 - 15:44Schönes Interview und gute
Holmstroem on Mi, 06/20/2012 - 18:10