Winterflucht, Teil 2b - schöne Aussichten und schwierige Tiden

Der aufmerksame Leser (falls das tatsächlich jemand lesen sollte…) hat sicher schon gemerkt, dass man auch auf dieser relativ kleinen Insel viel Zeit mit Autofahren verbringen kann, vor allem, wenn man die Spots nicht gut genug kennt. Diese Fahrten sollte man nicht allzu hektisch durchführen, denn die Landschaft hier ist an vielen Ecken faszinierend. Ich empfehle dazu Radio Tres, Frequenz 102,8, einzuschalten. Alte Männer mit extrem rauer Stimme berichten hier über ihre Zeit in London um 1960 und reden über Musik. Richtige Musik, nicht das computergenerierte und Marketing optimierte Zeugs, was sie sonst so im Radio spielen. Kann man den ganzen Tag hören, von altem Rock, über Blues und schrägen Salsa ist alles dabei, auch moderne Sachen.

Zurück zu meiner Fahrerei. Auf dem Weg zum Mirador wurde ich kurz vor dem Ziel auf der extrem schmalen und ziemlich ausgesetzten Straße an der Kante des Risco aufgehalten. Ein Hubschrauber kam eingeflogen und ließ eine Betonbombe von einem wartenden Betonmischer befüllen, bevor er sich wieder über die Kante nach unten zur Ebene an der Küste stürzte. Ich wäre gerne mitgeflogen und unten ausgestiegen, doch dazu später. Nach 10 Minuten warten mit privilegierter Ausicht auf das Meer und die vorgelagerten Inseln ging es weiter zum Mirador. Für mich ist der Ort eines DER Meisterwerke von Herrn Manrique. Er hat hier eine bestehende Höhle im Lavagestein erweitert und einen geschützten Aussichtsplatz mit Cafe geschaffen. Drinnen immer noch die Einrichtung im 80er-Jahre Style und ein paar Kunstwerke, doch das was diesen Ort so magisch macht, ist die Aussicht. Entweder von drinnen durch die Panoramafenster oder draußen auf der Terrasse. Leider ist der Ort zu einer musealen Touristen Pflichtanlaufstelle verkommen, eine der ursprünglichen Bestimmung als Aussichtspunkt mit Café angepasste Nutzung ohne Eintritt würde diesem magischen Platz sicherlich noch etwas mehr Charme verleihen. Aber alleine das Panorama, das sich von hier bietet, ist das Eintrittsgeld wert. Die vorgelagerten Inseln, der Risco und die Berge weiter südlich scheinen nicht von dieser Welt, insbesondere, wenn die Sonne durch die löchrige Wolkendecke hindurch ihre Lichtspiele auf das Meer zaubert.

Nicht von dieser Welt, aber doch erreichbar, sind die Wellen, die am Fuße des Risco an die Küste laufen. Wer die Kraft hat, eineinhalb Stunden da runter zu steigen und das hoffentlich nicht zu klein gewählte Brett in die von oben in ihrer Größe schwer einschätzbaren Wellen an den diversen Riffen und Points zu paddeln, wird hier wohl die Soul Session seines Lebens scoren. Man muss danach dann nur mit dem Brett unter den müden Armen wieder den Abhang hinauf steigen. Danach schläft man gut. Für mich war das heute keine Option, da ich weder die notwendige Kondition noch die erforderlichen Surf Skills für diese Wellen hatte und es eh schon recht spät war. Also trank ich meinen Kaffee zusammen mit Uli, ließ die Gedanken noch ein bisschen den Risco hinunter und auf die vorgelagerte Insel schweifen und machte mich dann auf den weiteren Weg.

Ich entschied mich für noch ein bisschen Eye Candy und wählte die Straße entlang der Küste durch das Malpais. Bei einem weiterem von Herrn Manrique errichteten Landschaftsbauwerk – sein bekanntestes – checkte ich noch einmal den linken Pointbreak. Auch hier hatten die angesagten 4 Fuß ordentlich Größe, der Nordostwind war am einschlafen und ein paar Jungs hatten ordentlich Spaß in den kopfhohen Wellen. Die waren mir für meinen derzeitigen untrainierten Zustand etwas zu groß, und so beschloss ich, mir meine Kräfte für den nächsten Tag auszusparen.

Mittwoch

Da ich bis dato immer noch nicht geschnallt hatte, dass mein „smartes“ Phone sich automatisch auf die lokale Zeit umgestellt hatte, hatte ich meinen Wecker 1 Stunde zu spät gestellt. Der Sonnenaufgang war also schon ein paar Minuten vorüber, als ich hoch kam. Uli war auch schon weg (er meinte später er hätte so viel Krach gemacht, und ich hätte nicht drauf reagiert, wusste wohl nicht, dass man eine Bombe neben mir zünden kann, wenn ich schlafe und ich das nicht mitkriege). Ich hatte aber schon eine Ahnung, wo er sein könnte und fuhr daher gleich rüber zum Point, gespannt darauf, wie sich die für heute angesagten 3 bis 4 Füße bei nur 13 Sekunden Periode dort manifestieren würden.

Am Point waren dann nur Uli und ein Italiener im Wasser und hin und wieder liefen sehr schöne Sets rein. Allerdings war der Nordostwind am Zunehmen und so beschloss ich auf die andere Inselseite zu fahren. Ich ging dann bei Famara ins Wasser und wusste schnell, dass ich die falsche Entscheidung getroffen hatte. Ich weiß nicht, ob es die Strömung oder der Wind war, auf jeden Fall war das hier nur ein schwabbelndes Durcheinander. Nach einer eher unerquicklichen Session fuhr ich zurück ins Basislager. Uli überzeugte mich dann, es noch einmal am Point zu probieren, meinte aber, ich müsste schnell hin, da das Wasser bald zu hoch stehen würde. Das tat ich dann auch, und nachdem ich den tricky Einstieg über die glitschigen und dabei doch scharfkantigen Felsen unfallfrei hinter mich gebracht hatte, rollte schon das erste brauchbare Set rein. Ich saß aber leider zu tief dafür und konnte so erst einmal nur Duckdives üben.

Danach kam nix mehr. Das Wasser stand zu hoch und die nicht mehr allzu großen Sets schafften es nicht mehr um den Point rum. Nach einer guten halben Stunde hoffen gab ich auf. Surfen kann manchmal ein Scheiß Sport sein. Besonders frustrierend war das, weil für die nächsten beiden Tage um die 7 Fuß mit rund 17 Sekunden vorhergesagt waren und ich ja bereits mitbekommen hatte, dass solch solide Groundswells die Riffe der Insel etwas überforderten.

Hier geht´s zu Teil 1 und Teil 2 der Winterflucht Geschichten.

Mehr Bilder gibt es hier.