Unser Voraustrupp traf sich sehr früh morgens am Flughafen in Hamburg. Ankunft in Manchester war gegen Mittag. Völlig überraschend regnete es. Ebenso überraschend war, dass unser Mietwagen nicht wie versprochen direkt am Terminal stand. Dank eines freundlichen Busfahrers fanden wir aber schnell heraus, wo wir hin mussten. Allerdings war damit schon einmal die erste halbe Stunde verbraten und wir wollten doch heute noch eine erste Session einlegen. Beim Mietwagenhöker wurden wir dann von einer sehr freundlichen jungen Dame in Empfang genommen und erst einmal bis ins Detail ausgefragt (GCHQ ließ grüßen). Etwas irritiert gaben wir Auskunft über unseren Wohnort, Beruf und sonstige zur fachgerechten Steuerung eines Mietwagens unverzichtbare Eigenschaften.
Dank der perfiden Verschleierungstechniken des Mietwagen-Hökers CarDelMar bei der Buchung, schrumpft der vermeintlich gemietete VW T5 für den Transport unserer 3 Doppelboardbags vor Ort allerdings zunächst auf einen Ford Galaxy. Nach langen Verhandlungen und dem Charme des Don bekamen wir von der freundlichen Mitarbeiterin immerhin einen immer noch deutlich zu kleinen Tourneo. Hilft ja nix, was nicht passt wird passend gemacht und nach 30 Minuten Boardbag-Tetris ist die Karre beladen und wir können Richtung Küste starten.
Wir entschieden uns für die etwas längere aber hoffentlich schnellere Route über die Motorways und gaben Gas. Allerdings nicht zu viel, denn die Speed Limits werden hier tatsächlich noch kontrolliert und die Strafen sind saftig. Altherrenblasen, kaputte Rücken und Nikotin zwangen uns zu mehreren Boxenstopps. Eine dieser Stopps nutze der Don, um uns ein Lunchpaket zu besorgen, damit wir uns nicht völlig ausgehungert in den anstehenden ersten Surf stürzen mussten. In der Papiertüte, die er anschleppte fanden sich dann auch 12 Cheeseburger (beziehungsweise das, was der weltberühmte Fast Food Laden dafür hält), die wir brüderlich unter uns vieren aufteilten.
Zur Sicherheit nahmen wir die M6 Toll Route um Birmingham herum und schafften es so Stau frei um die notorisch verstopften Straßen von Birmingham herum. Wir waren trotz der Verzögerungen beim Mietwagen besorgen und der vielen Stopps immer noch gut in der Zeit. Etwas über 1 ½ Stunden Tageslicht sollte uns laut Navi nach Ankunft am Ziel noch bleiben. Mit Überquerung der Brücke über den Severn (die ist für die Fahrt in Richtung Wales mautpflichtig, während der Rückweg umsonst ist. Was soll uns das über das Verhältnis von Walisern und Engländern wohl sagen?) hatten wir einen ersten Blick auf den Ozean. Besser gesagt: auf den Schlick, den bei Flut der Ozean bedeckt.
Bei Swansea verließen wir dann den Motorway und trafen gleich außerhalb der Stadt auf die typischen Walisischen Landstraßen. Diese sind schmal, kurvig bis sehr kurvig, oftmals nur einspurig und zu beiden Seiten von den klassischen Knicks (Hecken) gesäumt. Jede etwas tiefere Senke der Straße war mit Wasser gefüllt, die resultierenden Pfützen waren eher Teiche unbekannter Tiefe. Die besten Voraussetzungen, um schnell an den Spot zu kommen. Der Don hatte die meiste Rallye Erfahrung von uns und chauffierte uns sehr zügig die letzten Meilen bis zum avisierten Ziel. Am Ende der Straße gab es dann einen Parkplatz hoch oben über der Steilküste, der einen Blick vom trockenen Auto aus auf die See erlaubte. Es regnete in Strömen.
Spotchecking. Wind (noch) Südwest. Zu Onshore? Swell war da, aber von hier oben schwer einzuschätzen. Zu klein? Hmmmmm vielleicht doch ausreichend. Oder doch nochmal rüber zur anderen Seite der Halbinsel, einen anderen Spot checken? Der könnte später laufen, oder auch gleich. Was´n mit der Tide bei dem anderen Spot? Passt die jetzt? Ist der andere Spot nicht nur was fürs Longboard und möglicherweise noch kleiner. Es wird bald dunkel. Das hier ist wohl die letzte Chance für heute. Noch knapp 1 ½ Stunden Zeit. Sollte der Wind nicht noch auf Süd drehen? Spotchecker Kollaps. Lieber gleich rein ohne nochmal zu gucken???
Der Wind schien nachzulassen und mit noch breitem Kreuz von dem gerade erst beendeten zweiwöchigen Aufenthalt im Wellen gesegneten Baskenland machte sich der Tripmaster trotz chronisch lädiertem Rücken als erstes auf den langen Marsch runter zum Strand. „Ich kuck nicht mehr“ – Jens folgte kurz danach. Der Don hatte seine ebenfalls noch nicht allzu lange verlassenen portugiesischen Glasröhren als Referenz im Kopf und konnte sich nicht überwinden sich nass zu machen. Christoph beschloss, seine Kamera auszuführen.
Für die beiden Dummies entpuppten sich die Wellen unten am Strand dann als mushy, aber gar nicht sooo schlecht laufende, bis zu schulterhohe flüssige Falten. Des Tripmasters Longboard lief gut in den schwächlich anbrechenden Outside Wellen und Jens hatte mit seinem kurzen Spaß in der Inside. Der Wind schlief fast komplett ein und dreht wie versprochen langsam auf Offshore. Zu allem Überfluß kam dann auch noch die Sonne raus und tauchte die eh schon beindruckende Szenerie aus Steilküsten und satten Grün für eine halbe Stunde in ein wunderbares Licht. Es hatte sich gelohnt nicht weiter nachzudenken und abzuwägen. Mit diesem Gefühl ließ sich dann auch der beschwerliche Weg die rund 100 Höhenmeter wieder rauf zum Parkplatz gut bewältigen.
Danach ging es erst einmal zum Elektrolyte auffüllen in den Worms Head Pub direkt oben an der Klippe. Der Pub ist auch ein Hotel und schien uns die perfekte Symbiose aus Wellenchecken vom Bett aus und beschleunigtem English Breakfast verdauen auf dem Pfad runter zu Strand. Also fragten wir an, ob für 6 Leute noch was frei wäre. Aber entweder sahen wir nicht wie die idealen Übernachtungsgäste aus oder der Laden war tatsächlich voll belegt, auf jeden Fall bekamen wir hier keine Zimmer. Dafür bekamen wir die Telefonnummer für eine private Vermieterin. Deren Farm lag genau gegenüber des Rhossili Bunkhouse, der Unterkunft, bei der wir vorher schon angefragt und eigentlich auch gebucht hatten. Aber eigentlich war da nie wirklich jemand erreichbar und die Rückantwort, die wir auf dem Weg hierher erhalten hatten, besagte dass die Buchung erst gültig wäre, wenn wir bezahlt hätten.
Wir steuerten trotz der Unklarheiten erst einmal das Bunkhouse an. Das war verschlossen und beim Anruf unter der aufgeführten Nummer erreichten wir wieder nur ein Band. Also riefen wir die Farmerin an. Sie hatte was frei für uns sechs und wir vereinbarten (vermeintlich, dazu später mehr) einen Preis, der sehr gut klang. Das Telefonat war kaum beendet, als gegenüber schon das Licht an ging und eine freundliche Dame erschien. Die Unterkunft, die sie uns zeigte hatte drei große Schlafräume und einen noch größeren Aufenthaltsraum mit Küche. Perfekt für unsere Truppe. Breakfast konnte sie uns so kurzfristig nicht anbieten, aber sie half uns wenigstens mit einer Dose Instantkaffee aus wodurch das Frühstück für den kommenden Morgen gesichert war. Wir mussten also nicht mehr los ziehen zum Einkaufen sondern konnten einräumen und unverzüglich die zwei Meilen zum Pub zurück fahren. Wir brauchten nun auch dringend feste Nahrung. Die stellte sich dann als durchaus schmackhaft heraus (im Großen Britannien keine Selbstverständlichkeit) und wurde mit hervorragenden Produkten der lokalen Brauereien herunter gespült.
Die zwei Meilen zurück zur Farm schafften wir unfallfrei und dort begaben wir uns schnell in die Horizontale. Der Tag war lang gewesen. Noch länger würde er allerdings werden für unsere beiden Nachzügler Börni und Tim die arbeitsbedingt gezwungen waren, den Abendflieger zu nehmen.
Brettmitnahme bekamen wir auf diesen Flug nicht mehr gebucht, was für die beiden bedeutete, dass sie nicht viel mit sich rumschleppen mussten und mit einem kleinen Mietwagen auskommen würden. Um mehr Budget für den Verzehr lokaler Lebensmittel in flüssiger Form zu generieren, hatten wir allerdings auch bei der Gepäckmitnahme im Flieger gespart. Unser Hindukusch Veteran Tim setzte die Vorgaben dazu vorbildlich um und schaffte es, Neopren sowie normale Klamotten und sogar einen Schlafsack für alle Fälle in einem winzigen Rucksack zu verstauen, der nicht nur locker als Handgepäck durchging, sondern fast noch als Handtasche deklarierbar war.
Shopping Mall Veteran Börni hatte ein etwas größeres Täschchen dabei, das er am Ende sogar als „oversized bagage“ aufgeben musste. Wenigstens passte der Umzugskoffer problemlos in die futuristische Rennsemmel, die die Jungs vom Autovermieter überreicht bekamen.
Gleich nach der Ankunft in Manchester wurden den beiden vom Voraustrupp die Zielkoordinaten und die schnellste Route sowie eine Bierbestellung durchgegeben. Das mit dem Bier war aber nicht wirklich durchkalkuliert, denn zur Ankunftszeit der beiden um zwei Uhr morgens lag das Vorauskommando schon seit Stunden schnarchend in den Federn. Lediglich der Tripmaster war (wieder) auf den Beinen. Sein schrottreifer Körper quittierte die Anreisestrapazen und die Surf Session mal wieder mit einem schlafraubenden Zwicken und verlangte nach nächtlichen Gymnastikübungen. Zeitlich passte das aber bestens mit der Anreise von Tim und Börni zusammen, so dass die Jungs in die wesentlichen Dinge eingewiesen werden konnten (wie war der Surf, wo ist das Bett, wo steht der Kühlschrank). Ein kleines Ankunftsbier ging noch, dann verschwanden alle in den Federn, denn am nächsten Morgen musste gesurft werden.
Hier geht es weiter zu Tag 2.
Die Vorgeschichte und warum Plan A scheiterte liest du hier.
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Der Tripmaster...
coldwaves on Mi, 01/13/2016 - 13:47...in Schreiblaune, vorbildlich und grandios.