Statt Karneval
Dass man in Nordrhein-Westfalen gerne Karneval feiert, ist hinlänglich bekannt. Ebenso bekannt ist, dass die meisten Norddeutschen mit dieser Art zu feiern nicht viel anfangen können. Daher ist es nicht verwunderlich, dass man den Karnevalshochburgen als ehemaliger Küstenbewohner in dieser Zeit gerne den Rücken kehrt. Zumindest ist der Rosenmontag dort in vielen Branchen ein freier Tag. Also verkleidete ich mich zur Abwechslung mal als Surfer, packte meine sieben Sachen und machte mich auch den Weg ans Meer.
700 km Umkreis um Münster
Die Fahrzeit sollte zumindest in erster Näherung der Wasserzeit entsprechen. Daher legte ich mir bei einem Freizeitansatz von drei Tagen einen Radius von maximal 700 Kilometern rund um Münster fest. Bei einem Blick auf die Vorhersagemodelle war der nordöstliche Sektor rund um Dänemark und die deutsche Ostseeküste dieses Mal zu vernachlässigen. Nach Westen hin sollte in Richtung Holland oder Belgien ebenfalls nicht viel laufen. Also galt es, das Limit nach Südwesten hin auszureizen.
Quelle: Magicseaweed
Je weiter man dem englischen Kanal nach Westen hin folgt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass atlantische Swells den Weg an die Küste finden. Winterzeit ist Swellzeit. Und so sollten sich auch am Karnevalswochenende 13 bis 16 Sekunden mit einer soliden Größe von Westnordwest kommend im englischen Kanal bis hinter die Contentin-Halbinsel durchmogeln. Der Wind sollte dabei eine untergeordnete Rolle spielen. Soweit zur Theorie.
Local
Ob sich die lange Fahrzeit lohnen würde, wusste ich leider nicht. Die meisten Küstenabschnitte in dieser Region waren mir bis dato unbekannt. Hinzu kam der beachtliche Tidenhub von weit mehr als fünf Metern. Trotz angeschlagener Gesundheit brach in mir wieder das Jagdfieber aus. Statt Karneval zuhause (nicht) zu feiern, bot sich mir die Möglichkeit, mit etwas Aufwand und Eigeninitiative einen spannenden Kurztrip an die Küste der Normandie zu unternehmen.
Lohnt sich das?
Lokale Verpflichtungen führten leider dazu, dass ich Münster erst in den frühen Abendstunden verlassen konnte. Das Gute daran war, dass ich so erst nach der Rushhour völlig staufrei die rund 700 Kilometer bewältigen konnte. Suboptimal war jedoch die Tatsache, dass ich erst gegen zwei Uhr morgens am Ort meiner Wahl ankam. Die Quittung gab es einige Stunden später. Wecker ignoriert, weitergeschlafen und erst gegen zehn Uhr aus dem Koma erwacht, war der Drops am Spot meiner Wahl längst gelutscht.
Parkplatz mit Aussicht
Dass der Spot nur bei Midtide funktioniert, hatte ich schon von mehreren Quellen erfahren. Dass die Parkplatzsituation in dem Ort auch im Winter katastrophal ist, wurde mir erst bei der Anfahrt bewusst. Also parkte ich mein Vehikel etwa 15 Gehminuten und 80 Höhenmeter vom Spot entfernt.
Linkshänder
Spotcheck: Das Wasser war bereits halb abgelaufen und die ersten Leute kamen mit einem breiten Grinsen vom Wasser. Was tun? Ich entschied für die Vernunftlösung: Fotos machen, frühstücken, den Spot im Tagesgang beobachten und auf die Nachmittagsmidtide bei auflaufendem Wasser hoffen. Die erste Möglichkeit, ins Wasser zu kommen, hatte ich also vergeigt - die Chance auf ein ausgeglichenes Fahrzeit-Wasserzeit-Verhältnis wahrscheinlich ebenfalls.
Linkshänder
Nach einer ausgiebigen Siesta stellte ich mich am frühen Nachmittag wieder an den Rand der Klippe und schaute hinunter. Ein Longboarder hatte sich bereits eingefunden, der den Linkshänder ausgiebig bearbeitete. Wenig später kam noch ein Stehpaddler und ein Bodyboarder hinzu. Als ich eine halbe Stunde später das 9’0er wasserte waren wir bereits zu zehnt. Wie so häufig schienen sich auch hier alle zu kennen, und ich war als neu hinzugekommener Nicht-Local an diesem Pointbreak erstmal zum Zuschauen verdammt. Daran änderte sich auch nicht viel. Denn nachdem ich endlich an der Reihe war, verkackte ich den Takeoff ziemlich gründlich - ein toller Einstand!
Rege Betriebsamkeit am Hauptpeak
Glücklicherweise öffnete sich mit zunehmendem Wasserstand ein zweiter Peak etwas näher am Felsen, den ich mir mit zwei anderen Leuten teilen durfte - offenbar der Peak für die Nicht-Locals. Etwas schwabbeliger und nicht wirklich berechenbar bescherte er mir immerhin drei passable Ritte, die nach ein paar Sekunden stets im Weißwasser endeten.
Er hatte definitiv die größte Wellenausbeute an dem Tag
Als gegen Sonnenuntergang die Locals endlich ihre letzten Wellen an den Strand nahmen, paddelte ich wieder zurück an den Hauptpeak. Dort hatte die weit fortgeschrittene Tide die Wellen zwar bereits sehr rund gemacht, fürs Longboard waren sie aber nach wie vor surfbar. Und so gab ich mir dort ebenfalls noch drei Feierabendwellen, bevor ich den langen Marsch zurück zum Auto in Angriff nahm.
Ob am nächsten Tag noch was geht???
Am Folgetag sollte die Wellengröße bei gleichbleibender Periode signifikant abnehmen. Eigentlich wollte ich nicht mehr weiter fahren, aber die Contentin-Halbinsel mit ihrer etwas exponierteren Lage sollte doch etwas mehr Swell aufnehmen. Dieser Ort hatte es mir bereits einige Jahre zuvor angetan, als ich vor meinem Irlandtrip drei wundervolle Tage dort verbringen durfte. Nun lag sie wieder in greifbarer Nähe - nur lächerliche 250 Kilometer - und wie es dort war, erfahrt ihr demnächst…
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wieder n cooler bericht,
Da Johnnie on Sa, 04/11/2015 - 11:55wieder n cooler bericht,
Da Johnnie on Sa, 04/11/2015 - 11:55ZUm Zuschauen verdammt...
herthapaule on So, 03/01/2015 - 20:56Ist halt ein kleiner Pointbreak ...
Tim on Mo, 03/02/2015 - 13:13... mit maximal 2 Peaks. Da wirds ab 10 Leuten richtig kuschelig. Um von den Locals als vollwertiges Glied in der Kette akzeptiert zu werden, muss man gerade als Neuling viel Geduld haben und vor allem die erste zugewiesene Welle nicht verkacken. Sonst wird es richtig zäh!
Bin dann am nächsten Tag doch nicht mehr weiter nach Westen gefahren, sondern musste wegen einer Augenentzündung die Heimreise antreten. Ob ich mir noch einmal den Spot geben werde, weiß ich noch nicht.
Sieht gut aus!
coldwatermag on Do, 02/19/2015 - 14:58Wasser und Luft
Tim on Do, 02/19/2015 - 17:03hatten bummelige 8°C, dort ist also auch noch volle Winterkombi angezeigt.
bereits jetzt volle Punktzahl
tripmaster on Do, 02/19/2015 - 13:10bereits jetzt volle Punktzahl auf der Searcher Skala!
Dabei ist es für mich beruhigend zu hören, dass auch Dein Körper sich inzwischen notwendige Erholungspausen erzwingt, selbst wenn er eigentlich schon am paddeln sein müsste. Kenne ich bei mir schon seit langem nicht mehr anders ;=)
Bin gespannt auf Teil 2!
Man wird nicht jünger
Tim on Do, 02/19/2015 - 17:05Wird aber trotzdem langsam Zeit, dass das Beamen endlich erfunden wird.
Schöner Spot!
Timmsen on Mi, 02/18/2015 - 15:00