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Autor Thema: Sind wir alle Egoisten?  (Gelesen 3389 mal)

malte 2

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Sind wir alle Egoisten?
« am: Februar 18, 2013, 23:39:39 »

Nach etliche Diskussionen mit Freundinnen, Familienmitgliedern, und nicht zu letzt Ex Freundinnen hat mich der einsichtige Beitrag von Tim Sch…. in der NDR Reportage http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/sportclub/sportclub4377.html
dazu bewogen hier mal auf eine Antwort nach der o.g. Frage zu gehen…

Wir alle lieben einen Sport, der für jeden selber einen großen Teil in seinem Leben einnimmt. Für manche ist er gar das Leben. Man investiert Anstrengungen, Geld und viel Zeit für eine Sache, die für sich betrachtet nur den Sinn der persönlichen Erfüllung bietet.
Man surft alleine, den stoke an sich erlebt man selbst, man kann ihn teilen aber jemandem der nicht surft nicht beschreiben. Die Sucht nach mehr lässt nur eine kurze Entzugspause zu, bis man getrieben nach mehr sich wieder auf Suche begibt. Nicht zu vernachlässigen dieses Gefühl der vollkommen Erschöpfung wenn man mit beginnenden Muskelkater abends im Bett liegt, und schläft wie ein Baby. Man verbringt Stunden und schaut Videos, legt sich am Besten das zeitraubende Monster GoPro zu, um die Zeit zwischen den Sessions zu überbrücken, und versucht das Gefühl jedes Turns zu reproduzieren.
Ich für meinen Teil kann mir eine Urlaubsplanung der 30 kostbaren Tage im Jahr zumindest ohne potentiellen Surf nicht vorstellen. Ja, ich reagiere geradezu gereizt, wenn das Thema Städtetrip o.Ä. fällt. Dass dies eine eingeschränkte Familien /Beziehungsfreundlichkeit beinhaltet ist mir auf sachlicher Ebene klar.
Aber ist es vermessen festzustellen, dass Surfen zu meinem Leben gehört, wie für andere eine Sucht, die in gewissen Abständen befriedigt werden muss. Dass ein Kalenderjahr ohne diese Highlights unvollkommen war, und mir (fast) nix anderes dieses Gefühl nach Leben vermitteln kann. Ist es dann vermessen dieses Bedürfnis der persönlichen Erfüllung an oberste Priorität zu setzen für die wenige Zeit im Jahr, die man nur zur Suchtbekämpfung zur Verfügung hat.
Ja, ich denke es ist egoistisch!
Nichtsdestotrotz, ein süchtiger ist auch nicht leicht mit Kompromissen zu überzeugen.
Was denkt Ihr als „Mitbetroffene“, seit ihr auch so Egoisten? Wie lebt es sich als Egoist? Kann man so leben und ja zu welchem Preis…

Gruß Malte

Ach, die Reportage war übrigens schick und hat mich wieder ne halbe stunde gerettet….
« Letzte Änderung: Februar 18, 2013, 23:42:42 von malte 2 »
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Flo_SPunkt

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Re: Sind wir alle Egoisten?
« Antwort #1 am: Februar 19, 2013, 10:39:11 »

Klar sind wir Egoisten! Gerade wenn man Familie hat, merkt man, wie sehr das Gesurfe zu Lasten anderer geht. Ein normaler Ostsee(wind)surftag von mir geht im besten Fall mit 4 Stunden Abwesenheit von zu Hause (und dafür muss alles passen und ich darf nicht eine Minute am Strand stehen und schnacken). In der Zeit muss meine Frau die Kinder bespaßen und meist alleine ins Bett bringen. Am Wochenende ist es im Prinzip noch schlimmer, weil gemeinsame Familienaktionen immer auch irgendwie nach der Wettervorhersage geplant werden. Um nicht übergroßen Ärger zu verursachen, ist relativ langes Vorausplanen der Sessions wichtig - was natürlich auch wieder für Ärger sorgen kann, wenn sich die Vorhersage kurzfristig in die eine oder andere Richtung verändert. Mittlerweile hat sich das bei uns relativ gut eingespielt und jeder macht seine Abstriche, so dass es für alle Beteiligten OK ist. Aber klar sind Surfer per se Egoisten.

Andererseits wäre ich ohne das Surfen eine nicht zu  ertragende Grantelbirne - das kann ja auch nicht erwünscht sein, oder?
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Tim

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Re: Sind wir alle Egoisten?
« Antwort #2 am: Februar 19, 2013, 11:01:19 »

Surfen ist ein nicht gerade massentauglicher Individualsport. Wenn man, dazu noch in unseren Breiten, einen für sich maximalen Nutzen daraus ziehen möchte, bringt einen Egoismus in diesem Sport eindeutig weiter als Altruismus. Aus Sicht der Gesellschaft sind wir Freaks. Und wenn man wie ich zu denjenigen gehört, die von Deutschland aus dieses Hobby über das „normale“ Maß hinaus betreiben, und damit zum Lebensinhalt machen, kann man sogar von einer Steigerung sprechen. Die individuelle Gesellschaftsfähigkeit leidet darunter natürlich, genauso wie das individuelle Surfen leidet, wenn der Focus mehr auf die Gesellschaft gerichtet ist. Es ist schwierig, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen, egal wie und egal wo. Einen gesunden Mittelweg zu finden, ist in Gegenden mit täglich vorhandenen Surfbedingungen natürlich einfacher. Der Faktor Zeit spielt hier eine wesentlich größere Rolle. „Ich geh mal eben surfen, Schatz.“ – beschränkt sich in einer standardmäßigen Surfer-Nichtsurfer-Beziehung in unserer Gesellschaft auf wenige Tage im Jahr. Als Single ist man da schon etwas flexibler. Tja, und wenn dann noch Individualist oder auch Egoist genug ist, sein Ding durchzuziehen und bei guten Bedingungen einfach loszufahren, obwohl man eigentlich auf einer Hochzeit hätte tanzen müssen, hat der Surf schon mal nicht drunter gelitten. Wie man es auch macht, die individuelle Existenz ist der Natur völlig gleichgültig, und auch die Gesellschaft wird nicht zu Grunde gehen, wenn man irgendwann mal nicht mehr da ist. Die Welt ist nicht dazu da, den Menschen einen Gefallen zu tun. Und auch ich tue der Welt sicherlich keinen Gefallen, wenn ich für mein Hobby pro Jahr allein etwa 3000 Liter Diesel verheize. Der Preis ist verdammt hoch, egal aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Die Frage ist, ob man damit glücklich ist. Ich bin es, zumindest momentan!
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Henk

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Re: Sind wir alle Egoisten?
« Antwort #3 am: Februar 19, 2013, 11:32:58 »

Vor 27 Jahren habe ich zum ersten Mal gesurft, das wurde dann immer besser, das Surfen, nicht ich, bis es plötzlich schwieriger wurde: Andere Verpflichtungen kamen hinzu, Familie, viel Arbeit etc. Erst fand ich es schwer, weniger im Wasser zu sein. Aber die Frage ist doch, ob ich das Gefühl, das mir das Surfen bringt, nur so, nur auf diese Weise haben kann. Und wenn ja, wie abhängig bin ich dann von etwas, das ich nicht ständig bekomme? Mein Glück und meine Zufriedenheit sind davon abhängig, ob ich surfe oder nicht. Das kann nicht sein, weil das auch dem Gefühl der Freiheit und des Gleitens beim Surfen widerspricht. Wenn schon das ganze Leben aus Verstrickungen besteht, die jeden Einzelnen einengen und fesseln, dann ist es am einfachsten, sich davon zu befreien, auf das ich direkt Einfluss habe. Das geht nur innerlich. Also, ich leide nicht mehr, wenn ich nicht surfe. Dafür freue ich mich auf die nächste Session, auch wenn sie erst im Herbst kommt. Und dann geht sie direkt ins Stammhirn, Yeah!
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Tom

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Re: Sind wir alle Egoisten?
« Antwort #4 am: Februar 19, 2013, 11:43:59 »

Wellen, Wind, Berge, ungezämte Natur, fremde Kulturen, Reisen haben in meinem Leben einen extrem hohen Stellenwert.
Daran sind schon einige Beziehungen zerbröselt oder gar nicht erst zustande gekommen.
Bin ich deswegen gleich Egoist? Oder haben die anderen ganz wertfrei einfach andere Interessen und Prioritäten?
Und ist ein gewisses Maß an Egoismus nicht sogar lebensnotwendig? Gilt es nicht auch zu beurteilen, in welcher Hinsicht ich egoistisch bin?
Wenn ich meinen Egoismus auslebe, indem ich mit einem Cayenne durch Wohngegenden brettere oder auf der Autobahn meinem Vordermann bei 150 bis auf 57cm auffahre und dabei wild mit der Lichhupe hantiere, ist das wohl ein Egoismus, der der Gesellschaft eher nichts bringt.
Wenn mein Egoismus bedeutet, dass ich mich in freier Natur bewege und dabei eine der zivilisierten Menschheit verloren gegangene Beziehung und oft auch Verständnis für die Natur und deren Kräfte gewinne, ist dieser Egoismus gesellschaftlich eher nicht so schädlich.
Letztlich ist es - wie so oft - eine Frage der Dosierung und der Abwägung von eigenen Interessen. Wenn man der Einsame Wolf ist, kann man seine Zeit gestalten wie man lustig ist, ohne dass man jemandem weh tut.
Wenn man - freiwillig und weil es einem etwas bedeutet - Partner / Kinder hat, muss man immer abwägen und dabei halt auch Kompromisse eingehen. Dabei die notwendige Ballance zwischen eigenen Interessen und Wünschen der Partner / Kinder zu finden ist immer eine schwierige Aufgabe und die müssen nicht nur Surfer lösen.
Man muss sicherlich immer mal wieder hinterfragen, ob die Ballance stimmt und ob es noch fair zugeht. Aber man sollte sich kein schlechtes Gewissen einreden lassen, nur weil man darauf besteht, für einen selbst essentielle Dinge im notwendigen und machbaren Umfang zu machen.
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Flo_SPunkt

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Re: Sind wir alle Egoisten?
« Antwort #5 am: Februar 19, 2013, 11:52:30 »

Henk hat etwas sehr richtiges gesagt: Seitdem ich Kinder habe, komme ich etwas weniger aufs Wasser als vorher und vor allem ist die durchschnittliche Sessionlänge deutlich kürzer geworden. Aber seitdem ich Kinder habe (seit jetzt 5 1/2 Jahren), kann ich mich an keine einzige Session mehr erinnern, über die ich mich hinterher geärgert hätte. Weder beim Surfen noch beim Windsurfen. Früher war das oft der Fall, dass irgendwas nicht gepasst hat und ich eigentlich besser zu Hause geblieben wäre. Jetzt bin ich jedes Mal so dankbar auf dem Wasser zu sein, dass es vermutlich nach einer Session von mir im Umkreis von 1000Km keinen gestokteren Menschen als mich gibt  ;D  Es ist tatsächlich eine Eintellungssache. Passend hierzu:

http://www.ted.com/talks/dan_gilbert_asks_why_are_we_happy.html
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