Höhere Mathematik – Die Theorie

Nachdem die glücklichen verpflichtungsfreien Zeiten der meisten Syndikatsmitglieder seit einiger Zeit vorüber sind, werden Ausflüge an die dänische Nordseeküste für die inzwischen etwas älteren Herren seltener und sind mit einer ganzen Menge von Rechenoperationen verbunden

Mathematische Grundlagen

Die Gleichungen, die man dabei lösen muss, beinhalten auf der einen Seite eine konstante und tendenziell zu hohe Menge an zu erledigender Arbeit und einer daraus resultierenden Anzahl an Stunden pro Arbeitstag. Die Woche hat in der Regel mindestens 5 Arbeitstage. Dann ist da noch die Zeit, die man mit Frau und Kind verbringen will. Die Summe der dafür reservierten Stunden ist theoretisch variabel, in der Praxis bedeutet aber die Unterschreitung einer gewissen, nicht selbst bestimmbaren Untergrenze, dass urplötzlich ein Kontingent an äußerst unangenehmen Stunden auftaucht, in denen man sich Vorwürfe anhören muss oder Zeit in äußerst unangenehmer Grundstimmung verbringen muss. Leider folgt die Errechnung der Untergrenze keinen Regeln, die für Männer in irgendeiner Form kalkulierbar sind.

Weiterhin sind Bestandteil der Gleichung die Stunden, die man im Auto verbringt sowie die wenigen Stunden, die man für Schlafen und Essen benötigt. Am Ende der Berechnungen stehen dann die Stunden, die man tatsächlich auf dem Wasser verbringt. Meistens ist das die Zahl mit dem kleinsten Nenner und die Gleichung würde nie aufgehen, wenn die Wasserstundenzahl nicht noch mit einem Faktor verbunden wäre, nämlich dem Stoke – Faktor.

Die Berechnung dieses Stoke - Faktors ist noch wesentlich komplexer als die Ermittlung der jeweiligen Stundenkontingente. Er wird im Wesentlichen bestimmt aus der Wellenqualität wieder verbunden mit einem Zeitfaktor sowie dem Crowd – Faktor.

Der Crowd – Faktor wird in der Regel maßgeblich beeinflusst von Wochenend- und Ferienzeiten sowie der öffentlichen Wahrnehmung der Swell - Vorhersagen (Grundregel dabei: umso eindeutiger die verschiedenen Wellenvorhersager im Netz gute Wellen voraussagen, desto größer wird der Crowd – Faktor).

Die Berechnung der Wellenqualität überlassen die meisten Surfer ja inzwischen den Rechenmodellen von msw, windfinder oder dem Guru (fortgeschrittene Nordsurfer schauen auch viel beim Dänen rein). Der erfahrene Motorsportler und Masochist, der sich am Arbeitsplatz gerne mit dem Betrachten von Bildern von verpassten Sessions quält, wissen aber, dass diese Vorhersagedienste nicht immer die ganze Wahrheit sagen. Vor allem wenn sich verschiedene Swells überlagern, liegen die Wahrsager mit den Prognosen für die konkreten Spots oftmals daneben, weil die Rechenmodelle den durch lokale Winde generierten Wasserbewegungen zu viel Gewicht geben. Lokale Besonderheiten aus dem Küstenverlauf und dem Meeresboden sowie lokale thermische Effekte werden so gut wie gar nicht berücksichtigt. Der Einfluss von Swell – Richtung und Periode auf den einzelnen Küstenabschnitt ist sowieso nicht wirklich in einem Computermodell darstellbar.

Entscheidend ist bei der Prognose des Stoke – Faktors also ein fundiertes Grundwissen über die Mechanik der Wellengenerierung in der Nordsee und die Funktionsweise sowie der Zustand der lokalen Sandbänke und Riffe (soweit vorhanden). Im Klartext: entscheidend ist die eigene Erfahrung, die man sich nur durch genaues Beobachten und den ein oder anderen gescheiterten Ausflug an den Strand erarbeiten kann.

Nun wollen wir das Ganze einmal an einem praktischen Beispiel erläutern.

Der 3. Oktober war ein Freitag und früher wäre das Syndikat ohne weitere Hinterfragung weitestgehend vollzählig in den Nordwesten Dänemarks gefahren. Wie bereits anfangs erläutert ist die Lebenssituation der 6 Syndikatler nun etwas komplizierter. Im Einzelnen sah die Entscheidungsfindung der Herren wie folgt aus:

Timo: hielt sich in Portugal auf und wollte nicht extra nach Dänemark fliegen

Christoph: hat sowieso nie richtig Zeit und hat sich dazu noch den Rücken mit seinem neuem Moped ruiniert.

Tim: wurde von unnachgiebigen Krankenschwestern in einer Kurklinik an der Ostsee festgehalten.

Tom: Hat seine geheimen Bojen gecheckt und mit all seiner Ghostswell – Jäger Erfahrung für eine kleinen Ecke im Nordwesten Dänemarks für Freitag einen so extrem hohen Stoke – Faktor errechnet, dass alle anderen Variablen vernachlässigbar wurden. Um den anfangs erwähnten, familiär bedingten „schlechte Stimmung“ Wert nicht allzu hoch werden zu lassen, hat er das Arbeitszeitkontingent beschnitten und sich für einen Zweitagesausflug am Donnerstag und Freitag entschieden.

Jens: Rechnete und rechnete kam aber Aufgrund einiger unbekannter Variablen (u.A. liegenbleibende Arbeit, tatsächlich zu erwartende Swellhöhe und Qualität, ...) zunächst zu keinem richtigen Ergebnis, versuchte heimlich bei Tom zu spicken, war hinterher aber auch nicht wirklich schlauer. Erst als seine Frau den Go-Koeffizient auf 100% setzte und Tom ihm eine Nachricht mit seinen Rechenergebnissen zuschob, war die Lösung glasklar - Ab in den Norden

Börni: Saß am 02.10 um 18.00 Uhr irgendwo in einem kleinem Dorf in der Nähe von Lüneburg beim Abendbrot. In seinem Kopf kreisten seit einigen Tagen Gedanken das lange Wochenende für eine hochperiodische Swelljagd an der Nordsee zu nutzen. Leider gab es zwei Gedanken, die als Gegenplayer agierten und ihm eine eindeutige Entscheidung für den Trip mehr als erschwerten. Zum einen seine Familie, die sich auf das lange Wochenende mit ihm eingestellt hatte und sich sehr darauf freute, zum anderen die gähnende Leere in seiner Spritkasse. Dickes Minus auf diesen Ebenen.
Am Ende der ersten Ankündigung über den Einheitstag und das folgende Wochenende nach Däne zum Surfen zu fahren, erhielt er die wenig ermunternde Antwort: "Tu was du tun musst! Ich hätte mich aber so auf ein gemeinsames Wochenende gefreut!"

Er ja auch, aber er wusste auch, dass die Wellen ziemlich gut werden würden. Grundschwellung garniert mit leichtem bis kräftigem Offshoregebläse. Die Familie mitzunehmen, war keine Alternative aufgrund des zu kleinen Schlafraumes seines Surfvehicles.
Wieder beim Abendbrot. Das Kreisen seiner Gedanken wurde plötzlich durchbrochen. "Fahr schon los! Ich setzt dir schon mal einen Fahrtkaffee auf. Kannst ja den Hund mitnehmen! Der freut sich und du hast Gesellschaft." Das war das Plus, welches er benötigte.
Nach einem kurzen letzten Forecastcheck war seine Entscheidung entgültig für den Trip gefallen. Er  überschlug kurz was er mitnehmen musste, packte schnellstmöglich seinen Stuff und begab sich auf die road  up north.

Ob alle diese Berechnungen sich erfüllt haben, werden wir im Teil 2 dieser Geschichte, „Höhere Mathematik – die Praxis“ berichten.

Bild von Da Johnnie

Sehr gut kalkulierter

Da Johnnie on Fr, 11/28/2014 - 20:51
Sehr gut kalkulierter Syndikatstrip:-))Ich glaube, ich werd Dich als personal zeit Coach arrangieren, Tom!
Bild von Käptn

Praktische Mathematik

Käptn on Fr, 10/10/2014 - 08:27
Hätte ich mal solche Lehrer gehabt, ich wäre in Mathe nie eingeschlafen.